Nach Razzia gegen „Letzte Generation“ – Protest in Leipzig für Mittwochabend angekündigt
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Die Durchsuchungen der Münchner Generalstaatsanwaltschaft fanden am Mittwoch unter anderem in der Dresdner Neustadt statt.
© Quelle: xcitepress/Finn Becker
München/Dresden. In sieben Bundesländern hat es am Mittwoch eine Razzia gegen die Klima-Gruppe „Letzte Generation“ gegeben – darunter auch in Sachsen. Wie die ermittelnde Generalstaatsanwaltschaft München mitteilte, wurden insgesamt 15 Objekte durchsucht, zwei Sparkonten beschlagnahmt und ein Beschluss zur Sicherung weiterer Vermögenswerte vollstreckt. Im Lauf des Tages wurde bekannt, dass zwei Proteste stattfinden sollen. Der erste bereits am Mittwochabend (24.5.) um 19.30 Uhr auf dem kleinen Wilhelm-Leuschner-Platz. Am Donnerstag soll es eine weitere Aktion in Leipzig geben.
In Sachsen waren die beteiligten Beamtinnen und Beamten am Morgen in zwei Wohnungen in Dresden aktiv geworden – unter anderem in der Louisenstraße im Stadtteil Neustadt. Darüber hinaus gab es Durchsuchungen auch in Magdeburg (Sachsen-Anhalt), Hamburg, im Landkreis Rhön (Hessen), Augsburg (Bayern), Berlin sowie im Kreis Segeberg (Schleswig-Holstein).
Koordiniert wurde die Aktion von den Landesbehörden in Bayern. „Aufgrund zahlreicher Strafanzeigen aus der Bevölkerung, die seit Mitte des Jahres 2022 eingingen“, habe die Münchner Generalstaatsanwaltschaft nun gegen sieben Personen im Alter zwischen 22 bis 38 Jahren Ermittlungen aufgenommen. Der Tatvorwurf heißt demnach: Bildung einer kriminellen Vereinigung nach Paragraph 129 des Strafgesetzbuches.
In den vergangenen Monaten hatte es bundesweit immer wieder Debatten darüber gegeben, inwieweit die vor allem durch Straßenblockaden und Aktionen in Museen bekannt gewordene Klima-Gruppe überhaupt eine kriminelle Vereinigung sein könnte. Parallel zum Vorgehen in Bayern lässt aktuell auch Berlins neue Justizsenatorin Felor Badenberg (parteilos) diesen Vorwurf prüfen, während die Berliner Staatsanwaltschaft zuvor selbst keine Anhaltspunkte für Ermittlungen nach Paragraph 129 gesehen hatte.
Webseite abgeschaltet – 1,4 Millionen Euro Spenden
Beim aktuellen Vorgehen aus Bayern geht es offenbar auch um die Finanzierung der „Letzten Generation“. Wie es am Mittwoch aus München hieß, werde den sieben Beschuldigten vorgeworfen, eine Spendenkampagne für die Klima-Gruppe organisiert zu haben, die über eine Webseite beworben wurde und mindestens 1,4 Millionen Euro erbracht habe. „Dieses Geld wurde nach den bisherigen Erkenntnissen überwiegend auch für die Begehung weiterer Straftaten der Vereinigung eingesetzt“, so die Behörden weiter.
Darüber hinaus sollen zwei der Personen in Verdacht stehen, die als kritische Infrastruktur geltende Öl-Pipeline Triest-Ingolstadt sabotiert zu haben. Die Durchsuchungen am Mittwoch hätten nun das Ziel gehabt, Beweismitteln zur Mitgliederstruktur der Gruppe und weitere Anhaltspunkte zur Aufklärung ihrer Finanzierung zu finden. Zudem sollten Vermögenswerte beschlagnahmt werden. Festnahmen habe es bislang nicht gegeben.
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„Letzte Generation“ kündigt bundesweite Aktionen an
Zu den Beschuldigten gehört laut der „Letzten Generation“ auch Sprecherin Carla Hinrichs. Ihre Wohnungstür in Berlin sei am Mittwochmorgen aufgebrochen worden und mehr als fünfundzwanzig Polizistinnen und Polizisten stürmten mit gezogener Waffe in das Zimmer, in welchem die 26-Jährige noch im Bett gelegen habe. „Das alles macht uns Angst. Aber wir können es uns nicht erlauben, in dieser Angst zu verharren“, hieß es weiter.
Wie Sprecherin Aimée van Baalen am Mittwoch im Rahmen einer Pressekonferenz erklärte, soll der Klima-Protest nun auf die ganze Bundesrepublik ausgeweitet werden. Am kommenden Mittwoch müsse landesweit mit Demonstrationen gerechnet werden. Für diesen Donnerstag kündigte die Gruppe bereits Proteste in Leipzig an, für Freitag in München.
Strafzahlungen in Millionenhöhe
Van Baalen betonte abermals, dass die Klima-Gruppe aus ihrer Sicht nicht kriminell agiere: „Alles, was wir tun, ist transparent: Wir kündigen an, was wir vorhaben, unsere gesamte Arbeit ist öffentlich. Wir bereichern uns nicht. Im Gegenteil, wir zahlen laufend Strafen.“ Laut Eigenschätzung drohen der „Letzten Generation“ allein für ihre Aktionen 2022 noch 12,5 Millionen Euro an Strafzahlungen.
In diesem Zusammenhang zeigte sich die Gruppe empört über die Beschlagnahmung der Spendengelder: „Was wird dann nun aus den Menschen die uns kleine Beträge gespendet haben? Was ist mit den vielen Menschen, die uns fünf, zehn oder 50 Euro gespendet haben?“ Zuletzt hatte unter anderem Christian Rode vom Deutschen Anwaltverein erklärt, dass bei einer kriminellen Vereinigung bereits die Unterstützung oder Werbung von Mitgliedern strafbar sei.
Polizeigewerkschaft und Innenministerin unterstützen Aktion
Als eine der ersten reagierte am Mittwoch die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) positiv auf die Durchsuchungen bei der Klima-Gruppe. „Die Justiz greift durch, das ist das richtige Signal eines wehrhaften Rechtsstaates“, so Gewerkschaftschef Rainer Wendt. „Die Bevölkerung, die unter dem Straßenterror dieser selbst ernannten Klimaretter täglich tausendfach leidet, wird endlich als das tatsächliche Opfer dieser Kriminellen wahrgenommen“, so der Wendt weiter.
Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) verteidigte die Razzia der bayrischen Behörden: „Die heutigen Maßnahmen zeigen, dass der Rechtsstaat sich nicht auf der Nase herumtanzen lässt. Polizei und Justiz nehmen Straftaten nicht hin, sondern handeln – so wie es ihre Pflicht ist“, sagte Faeser am Mittwoch der Funke-Mediengruppe. Legitimer Protest ende immer da, wo Straftaten begangen und andere Menschen in ihren Rechten verletzt würden.
Generalstaatsanwaltschaft erhebt schwere Vorwürfe gegen Letzte Generation
Gegen sieben Beschuldigte im Alter von 22 bis 38 Jahren wird ermittelt.
© Quelle: Reuters
Sächsische Grüne üben Kritik – Solidarität im Netz
Dagegen sehen die sächsischen Grünen die Durchsuchungen kritisch: „Man muss die Aktionen der ‚Letzten Generation’ nicht gutheißen, um ein erhebliches rechtsstaatliches Störgefühl gegenüber diesem Vorgehen zu haben. Es ist ein rechtsstaatliches Gebot, auch im Falle der ’Letzten Generation’ differenziert vorzugehen“, so der Landtagsabgeordnete Valentin Lippmann. Es werde bewusst in Kauf genommen, dass die Maßnahmen abschreckend gegenüber jenen wirken, die im Kampf für besseren Klimaschutz zu Protestformen greifen, die vom Versammlungsgesetz gedeckt sind.
Mitglieder der Klima-Gruppe „Extinction Rebellion“ solidarisierten sich am Mittwoch mit den Beschuldigten der „Letzten Generation“. „Lobbys und Konzernen legen wir das Handwerk nur gemeinsam“, schrieben die Aktivisten am Mittwoch auf Twitter. Razzien mit dem Strafrechtsparagrafen 129 (Bildung krimineller Vereinigungen) zu begründen, solle „umfassende Überwachung ermöglichen, Rechte und Demokratie aushebeln und vor allem: von den wahren Kriminellen ablenken“, hieß es in der Wortmeldung weiter.
Der stellvertretende Vorsitzende der Linken, Lorenz Gösta Beutin, bezeichnete die Durchsuchungen am Mittwoch als überzogen. „Die Menschen, die sich der sogenannten ’Letzten Generation’ zurechnen, setzen auf friedlichen zivilen Ungehorsam, um auf die Klimakatastrophe und das Versagen der Bundesregierung aufmerksam zu machen“, so Beutin. Probleme für die Gesellschaft und die Zerstörung der Lebensgrundlagen produzierten diejenigen, die Lobbypolitik für Konzerne machten.
LVZ