Gutachten

Massive gesundheitliche Folgen: Fluglärm am Airport Leipzig zu hoch

Der Flughafen Leipzig/Halle soll einen Lärmbeauftragten bekommen. Dafür wurde Geld im Haushalt eingeplant.

Der Flughafen Leipzig/Halle soll einen Lärmbeauftragten bekommen. Dafür wurde Geld im Haushalt eingeplant.

Leipzig. Fluglärm macht nicht nur langfristig krank, sondern kann auch „einen akuten Herz-Kreislauf-Tod zwei Stunden nach dem Fluglärmereignis auslösen“. Das steht in einem Gutachten, welches die sächsische Landtagsfraktion der Grünen zum Airport Leipzig/Halle beauftragt hatte. „Das Ergebnis bestätigt unsere Befürchtungen, dass der durch den Flughafen verursachte Lärm als gesundheitsschädlich für die Anwohnerinnen und Anwohner einzustufen ist“, sagte der Leipziger Landtagsabgeordnete Daniel Gerber (Grüne) dazu.

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Bei einer Pressekonferenz am Montag übte er massive Kritik daran, dass der Flughafen die Zeiten für Sanierungsarbeiten an der Landebahn-Nord „ohne Information an die Betroffenen“ ausgeweitet habe. Statt von 6 bis 22 Uhr werde jetzt von 4 bis 24 Uhr gebaut und damit zusätzlicher Lärm erzeugt. „Aus meiner Sicht ist das ein weiterer Tiefpunkt im Umgang des Flughafens mit den Anwohnern“.

Neue Situation nach Urteil zum Klimaschutz

Im Rahmen des aktuellen Planfeststellungsverfahrens zum Ausbau des Airports müsse ein aktuelles CO2-Gutachten zum Flughafen Leipzig/Halle in Auftrag gegeben werden, forderte Gerber. Das sei angesichts der jüngsten Entscheidung des Bundesgerichtshofes zum Klimaschutzgesetz zwingend notwendig. „Wir haben hier einen der größten Frachtflughäfen Europas, an dem die Zahl der Starts und Landungen bis zum Jahr 2032 um 50 Prozent steigen soll.“ Obwohl im nahen Überfluggebiet 1,5 Millionen Menschen lebten, würden hier viele alte, sehr laute und besonders umweltschädliche Maschinen wie die Antonow 124 eingesetzt. „Wenn die mit 80 Dezibel über ein Haus fliegt, steht man nachts im Bett.“

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Allein in Deutschland gingen durch Fluglärm über 98.000 gesunde Lebensjahre verloren, zitierte Thomas Münzel – als Autor des Gutachtens – Berechnungen der Weltgesundheitsorganisation WHO. Am häufigsten entwickelten sich daraus psychische und Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Schlaganfälle oder Herzinfarkte, so der Professor für Kardiologie und Angiologie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Auch Kinder seien betroffen. Die sozialen Kosten durch Lärm- und Luftverschmutzung würden sich in Europa auf eine Billion Euro summieren – etwa doppelt so viel wie die Kosten des Rauchens.

Ultrafeinstaub von Fliegern besonders gefährlich

„Für den Flughafen Leipzig/Halle liegen zahlreiche Messdaten aus der Messstation Großkugel vor“, erläuterte Münzel. Laut diesen Daten sei die lärmbedingte Krankheitsgefahr für Anwohnerinnen und Anwohner schon jetzt „nicht zumutbar“. Besonders gefährlich sei der Ultrafeinstaub, zu dem es im Rahmen der Planfeststellung noch kein Gutachten gebe.

Beim nächtlichen Betrieb müssten viel strengere Maßnahmen ergriffen werden, um unter die von der WHO empfohlene Grenze von 25 Dezibel Innenlärmpegel zu kommen. „Das bedeutet aktive Schallschutzmaßnahmen für diejenigen, die innerhalb und knapp außerhalb der Schutzzone wohnen, und eine gesetzlich festgelegte Nachtruhe von 22 bis 6 Uhr.“ Münzel plädierte dafür, auf den weiteren Ausbau des Airports zu verzichten.

Protestiert gegen Ausweitung der nächtlichen Arbeiten an der Landebahn Nord: der Leipziger Landtagsabgeordnete Daniel Gerber (Grüne).

Protestiert gegen Ausweitung der nächtlichen Arbeiten an der Landebahn Nord: der Leipziger Landtagsabgeordnete Daniel Gerber (Grüne).

Ganz so weit wollte Gerhard Liebscher nicht gehen. „Wir streben kein komplettes Nachtflugverbot an“, sagte der verkehrs- und wirtschaftspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Landtag. Dennoch würden die Ausbaupläne sehr kritisch gesehen. Die Belastungen in der Nacht müssten verringert statt vergrößert werden. „Der Gesundheitsschutz der Bevölkerung darf den wirtschaftlichen Interessen nicht untergeordnet werden“, forderte er. „Der Flughafen wird und kann nicht gegen eine gesamte Region agieren, sondern muss endlich auf die Betroffenen zugehen und Zugeständnisse machen.“ Es sei höchste Zeit, zum Beispiel die Start- und Landegebühren so festzulegen, dass es sich für die Airlines nicht mehr lohne, alte und laute Maschinen einzusetzen. „Ich habe auch mit DHL und der Flughafengesellschaft gesprochen. Dort konnte dafür kein Zeitplan genannt werden.“

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Geld für Fluglärmbeauftragten reserviert

Im sächsischen Doppelhaushalt für 2021/22 seien nun 100.000 Euro zur Bestellung eines Fluglärmbeauftragten vorgesehen, informierte Liebscher weiter. Wann diese, seit Jahren von Bürgerinitiativen geforderte Stelle besetzt wird, konnte er nicht sagen: „Das entscheidet das Verkehrsministerium.“

Von Jens Rometsch

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