Sachsen-CDU schaltet auf Angriff
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Foto: André Kempner
Leipzig. Es ist eine Geste, in die sich einiges hineininterpretieren lässt: Zum Abschluss der dreitägigen CDU-Fraktionsklausur, die seit Mittwoch in der Leipziger Kongreßhalle am Zoo stattgefunden hat, übernimmt Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) die Patenschaft für ein Bienenvolk des Zoos. Die Insekten sind nicht nur bedroht, sondern auch schwarz-gelb und verfügen über einen Stachel, der ausgefahren wird, wenn sie in die Enge getrieben werden. Die Leipziger CDU-Landtagsabgeordneten verlängern parallel – nicht weniger symbolträchtig – die Patenschaft für einen Schwarzen Brüllaffen.
Krisentreffen mit Wirtschaftsministerium wegen Straßenbau-Förderung
Tatsächlich hat die Union mit ihren 59 Landtagsabgeordneten und sieben Ministern bei ihrer Leipziger Sitzung in den Angriffsmodus geschaltet. Denn das Ziel lautet: Zur Landtagswahl am 1. September 2019 sollen es gut 30 Prozent werden und Kretschmer soll Regierungschef bleiben. Während aber der Ministerpräsident laut der jüngsten LVZ-Umfrage als Sympathieträger gilt, stagniert die Partei bei unter 30 Prozent. Deshalb wird nun auch nicht mehr der Koalitionspartner SPD geschont. Das war vor Wochenfrist schon bei der Landärztequote so – und wird nun bei der Klausur insbesondere beim Thema Straßenbau offensichtlich. „Wir müssen feststellen, dass leider in der Vorplanung, in der Organisation des Wirtschaftsministeriums einige Dinge nicht optimal gelaufen sind. Das sorgt für erheblichen Unmut auf kommunaler Ebene und in der CDU-Fraktion. Die Folgen müssen wir jetzt irgendwie korrigieren“, sagt Fraktionschef Christian Hartmann nach den Beratungen. Dabei versucht sich der 45-Jährige noch in Diplomatie. Die Abgeordneten seien „richtig sauer“ auf Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD), heißt es, da bislang keine Zuwendungsbescheide an die Kommunen erfolgten.
„Wir müssen ehrlich sagen, dass wir das, was gerade passiert, nicht im Wesentlichen ändern können“, macht Hartmann seinerseits klar, „aber mit Blick auf die Zukunft müssen wir die Förderverfahren und Praktiken anpassen. Und wir müssen jetzt dafür sorgen, dass das Geld sehr schnell bei den Kommunen für Maßnahmen ankommt.“ In der kommenden Woche soll es deshalb ein Krisentreffen von CDU-Fraktion und SPD-Wirtschaftsministerium geben. Vorab macht Hartmann für die Unionsfraktion klar: „Wir sind uns einig, dass die derzeitige Prioritätensetzung seitens des Wirtschaftsministeriums bei der Mittelzuweisung von Maßnahmen an den örtlichen Notwendigkeiten vorbeigeht.“
Daneben ist bei der Unionsklausur auch der Stachel in Richtung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ausgefahren worden. Die CDU-Fraktion wird ein Gutachten in Auftrag geben, das erörtern soll, inwiefern der Auftrag des öffentlichen Rundfunks in der heutigen multimedialen Welt „noch zeitgemäß umgesetzt“ wird. „Solange es keine Anpassung der Auftragsbeschreibung an die heutige Medienbedürfnisse und Mediennutzung gibt, kann das Finanzierungsmodell nicht beschlossen werden“, erteilt Hartmann der avisierten Gebührenerhöhung eine klare Absage. Große Zustimmung hat in der Diskussion auch ein Änderungsantrag von Leipziger CDU-Abgeordneten gefunden, der sich gegen „unangemessen hohe Rückstellungen für Betriebsrenten“ richtet. Laut der MDR-Bilanz hätten sich die Aufwendungen für die Altersvorsorge seit 2010 etwa verfünffacht – das sei „kein verträgliches Maß“ mehr, heißt es aus Fraktionskreisen.
In dem zehn Punkte umfassenden Positionspapier, das die CDU-Fraktion in Leipzig beschlossen hat, geht es außerdem um die beiden zentralen Themen ländlicher Raum und starker Staat sowie um die EU-Strukturförderung, die beibehalten werden müsse, und um Entlastungen für Kommunen.
Bildungspolitik und Kriminalität sind laut Umfrage wichtigste Themen
Auf der Klausurtagung ist außerdem eine eigens bei den Insa-Meinungsforschern in Auftrag gegebene Umfrage debattiert worden. „Es ging darum zu erfahren, um welche Aufgaben die Politik sich nach Meinung der Sachsen kümmern soll“, erklärt Hartmann. Demnach wird der Schul- und Bildungspolitik die größte Bedeutung zugemessen: 75 Prozent der 1028 Befragten sprachen sich für ein stärkeres Engagement in diesem Bereich aus. Dabei votierten – auch mit Blick auf den Volksantrag für längeres gemeinsames Lernen – 43 Prozent für das bisherige Schulsystem und 36 Prozent für eine neue Gliederung. Auf den Plätzen der wichtigsten Themen folgen Kriminalität (69 Prozent), Bürokratieabbau (66 Prozent), medizinische Versorgung (65 Prozent) und die Gestaltung des ländlichen Raums (56 Prozent).
Insgesamt wird der Union in nahezu allen der 12 abgefragten Bereiche die größte Problemlösungskompetenz zugeschrieben. Eine Ausnahme bildet der Bereich „wirksame Umwelt-/Energiepolitik“, in dem die Grünen deutlich vorn liegen. Beim Thema „konsequente Umsetzung des Asylrechts“ sind CDU und AfD mit jeweils 23 Prozent gleichauf, wobei dies neben der Kriminalitätsbekämpfung das einzige Terrain ist, auf dem die AfD sachpolitisch punkten kann. In neun von 12 Problemfeldern – wie Wirtschaft, Verkehr, Schule und Arbeitsplätze – kommt die AfD-Kompetenz laut der Insa-Umfrage nicht über einstellige Werte hinaus.
Von Andreas Debski