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Unternehmen unter Druck

Wegen Dumpingpreisen aus China: Sachsen will Hilfen für Solarindustrie

Zwei Mitarbeiter begutachten in der Endkontrolle einige Solarmodule im Freiberger Werk der Meyer Burger Technology AG. Die gesamte Branche in Deutschland ist momentan unter Druck, weil China Solarmodule zu Niedrigpreisen in Europa anbietet.

Zwei Mitarbeiter begutachten in der Endkontrolle einige Solarmodule im Freiberger Werk der Meyer Burger Technology AG. Die gesamte Branche in Deutschland ist momentan unter Druck, weil China Solarmodule zu Niedrigpreisen in Europa anbietet.

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Dresden. Dresden und die niederländische Hafenstadt Rotterdam trennen knapp 800 Kilometer. Die wenigsten Rotterdamer dürfte interessieren, was sich in der sächsischen Landeshauptstadt tut. Umgekehrt ist es durchaus anders: Sachsens Energieminister Wolfram Günther (Grüne) hat momentan sehr genau im Blick, was im Rotterdamer Hafen vor sich geht. Denn im Hafen, da ist sich Günther sicher, lagert etwas, was in Sachsen eine ganze Branche gefährdet.

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Dazu muss man wissen, dass die Hafenstadt in den Niederlanden besonders wichtig für den Handel zwischen Europa und China ist. Hier wird umgeschlagen, was anschließend auf verschiedenen Transportwegen auf Westeuropa verteilt wird. Darunter sind vermehrt Solarmodule aus Fernost, die in direkte Konkurrenz mit der hiesigen Industrie treten.

„Das gefährdet unsere Solarindustrie“

„China flutet den europäischen Markt gerade mit Solarmodulen, die weit unter Herstellungskosten verscherbelt werden sollen“, sagt Günther. „Das ist Dumping. Das gefährdet unsere Solarindustrie.“ Im Hafen von Rotterdam lägen Module mit einer Kapazität von 85 Gigawatt. „Zum Vergleich: Der jährliche Zubau an Modulen in der EU lag 2022 insgesamt bei 57 Gigawatt.“ China will augenscheinlich seine Marktmacht ausspielen.

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Die Solarindustrie in Mitteldeutschland hat sich zuletzt wieder mühsam nach oben gearbeitet. Nach dem Boom Anfang des Jahrtausends hatten die Hersteller zu kämpfen. Der einstige Branchenliebling Solarworld meldete 2017 Insolvenz an, das betraf auch das Werk im mittelsächsischen Freiberg. Es dauerte Jahre, bis sich der Standort erholte. Inzwischen hat der Hersteller Meyer Burger eine neue Modulfertigung in der Stadt aufgebaut. 7000 Module pro Tag werden hier produziert. Doch Meyer Burger spürt den Druck aus China. Es gebe derzeit keine fairen Wettbewerbsbedingungen auf dem europäischen Solarmarkt, sagt eine Sprecherin.

Kahlschlag in der sächsischen Industrie befürchtet

Es gebe die Gefahr, dass ein Industriezweig zum zweiten Mal erheblichen Schaden nimmt, sagt Minister Günther: „Die sächsische, die mitteldeutsche Solarindustrie ist führend bei Technologie und Forschung. Jetzt ist sie auf dem Sprung zu wachsen, ins Massengeschäft einzusteigen, um die Energiewende auszustatten.“ Man müsse „extrem aufpassen“, dass diese Entwicklung jetzt nicht abgewürgt wird. „Der Kahlschlag der Solarindustrie in den 2010er-Jahren darf sich nicht wiederholen.“

Mittlerweile ist das Thema auch in der Bundespolitik angekommen. Die deutschen Ministerpräsidentinnen und -präsidenten haben bei ihren Beratungen am Donnerstag in Brüssel – auf Vorschlag Sachsens – einen entsprechenden Passus in ihr Abschlusspapier aufgenommen. Generell nehmen sie zur Kenntnis, dass „verschiedene Wirtschaftsmächte“ außerhalb Europas Subventionsprogramme für wichtige Industriezweige aufgesetzt haben: „Dies trifft in besonderem Maße die europäische Solarindustrie, welche nicht nur durch außereuropäische Subventionsprogramme, sondern aktuell auch durch extrem wettbewerbswidrige Praktiken chinesischer Hersteller in eine existenzgefährdende Situation geraten ist.“ Man benötige eine gemeinsame europäische Antwort darauf.

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Sachsen für vorübergehende Hilfen

Günther ist überzeugt, dass es eine Unterstützung für die Solarbranche braucht. „China flutet den Markt nur vorübergehend. Der Schaden für unsere Industrie wäre aber dauerhaft, weil die Gefahr besteht, dass Produktionskapazitäten abgebaut werden, dass Produktion woanders hin verlagert wird“, sagt er. „Vorübergehende Flutung heißt: Hilfe wäre ebenfalls nur vorübergehend nötig.“

Laut dem Energieminister sind bereits verschiedene Vorschläge im Gespräch: Dabei gehe es beispielsweise um den Aufkauf einheimischer Module, die für den energiepolitischen Wiederaufbau der Ukraine genutzt werden könnten. „Diskutiert wird auch die befristete Unterstützung der Unternehmen, damit sie ihre Belegschaft halten können, für den Fall, dass sie die Produktion runterfahren müssen.“

Industrie lobt Engagement der Landespolitik

Unterstützung hat Günther nicht nur vom sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU), sondern ebenso vom kleinen Koalitionspartner SPD: „Unsere Solarindustrie braucht dringend Unterstützung, damit sie hier in Deutschland, hier in Sachsen gehalten werden kann“, sagt Dirk Panter, Chef der SPD-Landtagsfraktion. „Es geht um gute Arbeitsplätze, es geht um die Zukunftsfähigkeit unseres Wirtschaftsstandortes.“ Der Bund müsse dem einen Riegel vorschieben und die Unternehmen „sofort unterstützen, bevor es zu spät ist“.

In der Industrie kommt dieses Engagement an: „Für die Unterstützung der sächsischen Landespolitik sind wir sehr dankbar und begrüßen die genannten Vorschläge, wie etwa die schnelle Einführung von Nachhaltigkeitskriterien“, sagt die Sprecherin von Meyer Burger. Man sei „zum Thema unfaire Bedingungen auf dem europäischen Solarmarkt bereits seit Längerem im engen Austausch mit der Politik in Sachsen, im Bund und mit der Europäischen Kommission“.

LVZ

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