„Massive Polizeipräsenz wirkte eskalierend“: Polizist sieht Einsatz kritisch
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Albrecht Pallas (SPD) sieht die Polizeitaktik am sogenannten „Tag X“ in Leipzig kritisch.
© Quelle: LVZ
Leipzig. Am Tag nach den Ausschreitungen mit Verletzten und Festgenommenen im Leipziger Süden äußert sich die sächsische Politik unterschiedlich zum Geschehen. Polizist und Landtagsabgeordneter Albrecht Pallas (SPD) hinterfragt die Taktik seiner Kollegen.
Der Innenexperte war am Samstag selbst in Leipzig und stellte einen Tag später fest: „Offensichtlich wählte die Polizeiführung eine provozierende Herangehensweise, z.B. mit dem Aufgebot aller Wasserwerfer, unnötiger Härte beim Abdrängen von umstehenden Menschen oder der elfstündigen Einkesselung von Menschen. Die Massivität der Polizeipräsenz hatte eine eskalierende Wirkung“.
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Am Alexis-Schumann-Platz stellt sich am Samstag die Polizei mit einem massiven Aufgebot den Demonstranten gegenüber.
© Quelle: Eyad Abou Kasem
Gleichzeitig verurteilte Pallas, der selbst Polizist ist, die Gewaltausbrüche einiger Demo-Teilnehmer als „inakzeptabel“. Über die Einsatztaktik am „Tag X“ wolle er im Innenausschuss des Landtages und mit dem Innenminister sprechen.
Innenminister Schuster: „Vorgehen war richtig“
Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) zeigte sich am Sonntag in seinem Statement zufrieden mit der Arbeit der Polizeikräfte am sogenannten „Tag X“. „Ich bin froh, dass unsere Polizei gemeinsam mit der Stadt Leipzig so vorbereitet war. Stadtfest, Sachsenpokal oder das Live-Konzert, alles wurde ermöglicht. Auch die nicht verbotenen Versammlungen konnten lageangemessen stattfinden. Bei einer Versammlung kam es trotz aller Kooperationsbemühungen der Polizei leider zu massiven Angriffen mit Flaschen, Steinen, Pyrotechnik und sogar einem Molotowcocktail auf die eingesetzten Beamten. Dies bestätigt, dass das Vorgehen von Polizei und Stadt sowie Staatsanwaltschaft und Gerichten richtig war.“
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Versammlungslagen gehörten zum politischen Diskurs, „aber wir wollen kein Leipzig, wo Versammlungen als Gelegenheit für Gewalt und Zerstörung genutzt werden“.
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Armin Schuster (CDU), Innenminister von Sachsen.
© Quelle: Robert Michael/ dpa
Noch am Samstag hatte sich Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) gemeinsam mit Ministerpräsident Michael Kretschmer im Lagezentrum ein Bild von der Situation gemacht. Er betonte vor der Demonstration am Alexis-Schumann-Platz, dass die Polizei an dem sogenannten „Tag X“ deeskalierend wirken würde.
Linke fordert Sonder-Innenausschuss des Landtags
Indes kündigte die Linksfraktion im Landtag an, eine Sondersitzung des Innenausschusses zum 3. Juni in Leipzig zu beantragen. „Es steht nämlich der Eindruck im Raum, dass von vornherein nicht beabsichtigt war, die ordentlich angemeldete Demonstration, die sich gegen Versammlungsverbote wandte, loslaufen zu lassen“, so Innenpolitikerin Kerstin Köditz in einer Mitteilung am Sonntag. „Nach der Beschränkung und Beendigung der an sich friedlichen Versammlung kam es zur Eskalation.“ Dass zahlreiche Personen in einem Polizeikessel über Stunden festgesetzt worden waren, nannte sie „weder verhältnismäßig“ noch einen „Beitrag zur Deeskalation“.
CDU-Generalsekretär übt Kritik an der Kritik
Alexander Dierks, Generalsekretär der sächsischen CDU, lobte das Vorgehen der Polizei und äußerte Unverständnis über die Kritik an ihrem Vorgehen. „Die Strategie der Deeskalation, die die Beamten verfolgt haben, war richtig. Die reflexartige Kritik einiger Akteure wiederum ist unangebracht. Zumal die jüngsten Aufrufe von Linksextremen im Internet an Militanz kaum zu überbieten waren. Die Polizistinnen und Polizisten haben ihren Job in einem schwierigen und herausfordernden Umfeld hervorragend gemacht.“
Grüne: Mehrstündige Polizeimaßnahme hinterfragen
Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Landtag, machte sich am Samstag selbst ein Bild vom Geschehen in Leipzig. „Es ist offenkundig, dass eine nicht unerhebliche Zahl an Menschen am Samstag gezielt Gewalt gesucht und ausgeübt haben – sowohl im Zusammenhang mit Versammlungen als auch in der Nacht. Derartige Gewaltexzesse sind durch nichts zu rechtfertigen“, sagte er am Sonntag.
Dennoch müssten auch die Maßnahmen der Sicherheitsbehörden aufgearbeitet werden. „Insbesondere die fast zwölfstündige Dauer der Identitätsfeststellung von einer hohen dreistelligen Zahl an Menschen, darunter Minderjährige, ist deutlich zu hinterfragen.”
Leipziger SPD: „Neue Qualität des Umgangs“
Irena Rudolph-Kokot, Co-Vorsitzende der SPD Leipzig, warf der Polizei vor, den Stadtteil Connewitz unter einen Generalverdacht gestellt zu haben. „Was mich besonders ärgert, ist die wiederholte und in der polizeilichen Machtdemonstration massive Stigmatisierung von einem Stadtteil: Connewitz. Nach Auseinandersetzungen von kleinen Gruppen mit der Polizei wurde da ein gesamter Stadtteil mittels Wasserwerfer, Räumpanzer, Polizeiwagen und Polizeibeamtinnen und -beamten quasi eingekesselt, sodass niemand rauskam. Das traf vor allem Unbeteiligte und war mindestens unverhältnismäßig. Das ist eine neue Qualität des Umgangs. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass man hier Ziel und Bilder bewusst wählte.”
LVZ