Trotz neuer Millionenhilfe: Kommunen in Sachsen haben Finanzprobleme
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Dresden hat eine Haushaltssperre verhängt. Auch andere Kommunen zählen jeden Euro. Ein neues Hilfspaket der sächsischen Landesregierung wird die Probleme voraussichtlich auch nicht komplett lindern können (Symbolbild).
© Quelle: Federico Gambarini/dpa
Dresden. Die Landeshauptstadt Dresden zog am Montag die Notbremse: Weil das Geld knapp wird, verhängte das Rathaus eine Haushaltssperre. Ausgenommen davon sind nur Pflichtaufgaben, die die Stadt laut Gesetz tätigen muss. Ansonsten versucht Dresden, das Geld in den nächsten Monaten tunlichst zusammenzuhalten.
Dresden ist nicht die einzige Kommune in Sachsen, die sich mit finanziellen Sorgen herumschlägt. Die Landkreise, kreisfreien Städte und übrigen Kommunen werden seit Monaten nicht müde, Hilfen einzufordern. Aktuell sind sie mit einer ganzen Reihe von Herausforderungen konfrontiert: Die Inflation treibt die Preise in die Höhe, der russische Krieg in der Ukraine hat die Energiekosten verteuert, der neue Tarifvertrag im öffentlichen Dienst hat steigende Personalausgaben zur Folge. Und da sind die Kosten für die Unterbringung von Geflüchteten und Asylbewerbern noch gar nicht berücksichtigt, die beispielsweise die Stadt Leipzig vor Herausforderungen stellen.
Verhandlungen standen kurz vor dem Scheitern
Eine Haushaltssperre ist in Leipzig trotzdem aktuell nicht zu erwarten. Der Leipziger Stadtrat hat den aktuellen Doppelhaushalt 2023/24 erst im Februar beschlossen. Doch die Genehmigung durch die Landesdirektion steht aus. Die Behörde hegt dem Vernehmen nach anscheinend Zweifel, dass die in dem Etat unterstellte finanzielle Leistungsfähigkeit der Stadt von Dauer ist. Jährlich will die Stadt demnach 2,3 Milliarden Euro umsetzen. Für dieses Jahr rechnet sie mit fast einer halben Milliarde Euro Gewerbesteuereinnahmen, allein ein Drittel davon aus der Automobilindustrie. Das dürfte in Sachsen eine Ausnahme sein.
Die Landesregierung reagiert nun auf die Bitten des Großteils an Kommunen. Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hatte vor Wochen angekündigt, der Freistaat werde sie nicht alleine lassen. Die Verhandlungen über Finanzhilfen verliefen aber zäher als mancher erwartet hatte. Zwischendurch standen die Gespräche kurz vorm Scheitern, Finanzminister Hartmut Vorjohann (CDU) soll sich hartleibig gezeigt haben. Der nun gefundene Kompromiss verheißt den Kommunen in diesem und nächsten Jahr weitere 180 Millionen Euro.
Kommunen äußern sich zurückhaltend
So wird zum einen der sächsische Anteil der Asylhilfen, die der Bund den Ländern zugesagt hat, vollständig an die kommunale Ebene gehen – insgesamt sind das 47 Millionen Euro. Zum anderen wird der Freistaat 133 Millionen Euro, die den Gemeinden, Landkreisen und Städten erst 2025 zugutekommen sollten, bereits 2023/24 zur Verfügung stellen. Dieses Paket schaffe „Planungssicherheit für die Landkreise und Kommunen bis Ende kommenden Jahres“, sagte Finanzminister Vorjohann.
Die Kommunen äußern sich zurückhaltender. Schon jetzt ist klar, dass die 180 Millionen Euro bei Weitem nicht ausreichen werden: Die prognostizierten Defizite der Landkreise würden bei über 200 Millionen Euro liegen, sagte der Präsident des Landkreistags, Henry Graichen (CDU). Die Kreise erhielten aber aus dem neuen Hilfspaket nur 130 Millionen Euro. Am Jahresende werde „ein Fehlbetrag“ übrig bleiben. Mehr sei in den Verhandlungen mit dem Freistaat aber nicht möglich gewesen. „Die Situation wird so sein, dass wir damit umgehen müssen“, sagte Graichen. Auch der Präsident des Sächsischen Städte- und Gemeindetags Bert Wendsche (parteilos) sprach lediglich von einer „Übergangslösung“.
Linke: Hilfen sind Reparaturkitt
Das größte Problem hat die kommunale Ebene dabei nicht mit dem Freistaat. Die Pflichtaufgaben sind es, die ihr Kopfzerbrechen bereiten. Über 60 Prozent der kommunalen Haushalte sind aktuell durch Sozialleistungen gebunden. Die werden zu einem wesentlichen Teil von der Bundespolitik vorgegeben, müssen aber von den Kommunen gezahlt werden, selbst wenn die Gegenfinanzierung durch den Bund nicht vollständig gedeckt ist. Sachsens Landesregierung hat immerhin in den Verhandlungen zum Hilfspaket zugesichert, in dieser Wahlperiode den Kommunen keine neuen finanziellen oder organisatorischen Belastungen aufzubürden.
„Die Probleme der Kommunen sind groß, und sie sind strukturell“, sagte SPD-Fraktionschef Dirk Panter. Den Kompromiss von Finanzminister Vorjohann bewertet er kühl: „Dieses Problem löst die Einigung nicht. Deshalb haben wir nun im nächsten Schritt die Aufgabe, eine langfristige Lösung zu finden.“ Grünen-Fraktionschefin Franziska Schubert gab zu Protokoll, dass sie mit Vorjohanns „zögerlichem Agieren“ nicht glücklich gewesen sei. Der jetzige Weg sei aber „richtig und sollte zügig umgesetzt werden“.
Die Opposition kann Schubert damit vermutlich nicht überzeugen. Der Landtagsabgeordnete Mirko Schultz (Linke) zog ein bitteres Fazit: „133 Millionen Euro für 13 Landkreise und kreisfreie Städte sind Reparaturkitt, der nicht für große Finanzlöcher reicht.“ Er schlug den Bogen zu Dresdens finanzieller Lage: „Indem die Staatsregierung die Landkreise und Gemeinden so lange hängen ließ“, habe sie Haushaltssperren wie in der Landeshauptstadt riskiert.