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Schlagabtausch im Landtag

Trotz Protesten: Sachsen bekommt schärferes Polizeigesetz

Unter dem Motto „Polizeigesetz stoppen“ protestierten Kritiker im Vorfeld.

Unter dem Motto „Polizeigesetz stoppen“ protestierten Kritiker im Vorfeld.

Dresden. Sachsen hat ein neues Polizeigesetz: Im Landtag hat am Mittwochabend eine deutliche Mehrheit für den umstrittenen Entwurf der schwarz-roten Koalition gestimmt. 74 Abgeordnete stimmten für und 34 gegen den Entwurf, neun enthielten sich. Damit werden die Befugnisse der Polizei ab dem nächsten Jahr ausgeweitet. Dazu gehören unter anderem präventive Kontakt- und Aufenthaltsverbote, Gesichtserkennungen und Kennzeichenerfassungen über Videokameras sowie der Einsatz von Bodycams und eine Ausweitung der Telekommunikationsüberwachung.

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Wöller: Neues Gesetz überfällig

"Ein neues Polizeigesetz war längst nötig und überfällig", sagte Innenminister Roland Wöller (CDU). "Neue Zeiten brauchen neue Antworten, vor allem wenn es um Sicherheit geht, um dieses vitale Bedürfnis eines jeden Menschen." Das nun erneuerte Polizeirecht sei "unsere Antwort auf die veränderte Gefahrenlage". Die Inhalte waren jedoch höchst umstritten. Erst am Montag hatten in der Landeshauptstadt mehrere Tausend Menschen gegen eine Verschärfung des Polizeirechts demonstriert.

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Zur Begründung der neuen Polizeibefugnisse erklärte Wöller: „Wir müssen handeln, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist, und nicht erst danach, wenn Schäden entstanden sind.“ Von Willkür – wie Gegner des Polizeigesetzes kritisieren – könne keine Rede sein, so der Minister. Es ist die erste grundlegende Überarbeitung nach 20 Jahren.

Linke und Grüne wollen klagen

Zuvor hatte es eine sehr lebhafte, fünfstündige Debatte und auch eine Protestaktion mit Plakaten der Linken ("Freistaat statt Polizeistaat") im Landtag gegeben. Der Linke-Innenexperte Enrico Stange nannte das Gesetz unnötig, weit in die Grundrechte eingreifend und unverhältnismäßig. "Nicht das Vertrauen in die Polizei wird gestärkt, sondern der Rechtsstaat entscheidend geschwächt", sagte Stange.

Im Landtag protestierten Abgeordnete der Linke gegen die Einführung des neuen sächsischen Polizeigesetzes

Im Landtag protestierten Abgeordnete der Linke gegen die Einführung des neuen sächsischen Polizeigesetzes.

Ähnlich äußerte sich Valentin Lippmann, der innenpolitische Sprecher der Grünenfraktion, der von einem „Frontalangriff auf die Bürgerrechte“ sprach. „Wir lehnen den Gesetzentwurf aus tiefster Überzeugung, der Freiheit zuliebe, ab und werden nichts unversucht lassen, das Gesetz zu stoppen“, machte Lippmann klar. Linke und Grüne hatten schon im Vorfeld des Landtagsbeschlusses eine gemeinsame Verfassungsklage gegen das neue Polizeigesetz angekündigt.

CDU und SPD verteidigen ihren Kompromiss

Dagegen verteidigten Koalitionspolitiker die Entscheidung. Der CDU-Innenpolitiker Rico Anton warf den Kritikern vor, einen „Frontalangriff auf die Sicherheit unserer Bürger“ zu wollen. Für die SPD stellte der Innenpolitiker Albrecht Pallas fest: „Uns ging es darum, die Sicherheitsaspekte mit den Freiheitsaspekten zugleich in einem angemessenen Verhältnis zu halten. Das ist uns gelungen.“ Der AfD, deren über den Gesetzentwurf hinausgehenden Änderungsanträge am Mittwoch im Landtag abgelehnt wurden, und auch den fraktionslosen Abgeordneten der Blauen Partei geht das neue Polizeigesetz nicht weit genug. „Der große Wurf ist es nicht“, konstatierte der AfD-Innenpolitiker Sebastian Wippel.

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Entscheidung nach mehr als zwei Jahren Diskussion

Über den Gesetzentwurf war seit über zwei Jahren diskutiert worden. Die regierenden CDU und SPD hatten sich auf einen Kompromiss geeinigt, der nun mit monatelanger Verspätung beschlossen wurde. Demnach bleiben die von Polizei und Union geforderte Quellen-Telekommunikationsüberwachung - also das Auslesen von verschlüsselten Nachrichten etwa über Messengerdienste wie Whatsapp – und auch Online-Durchsuchungen untersagt. Ebenso kommt die anonymisierte Kennzeichnung von Polizeibeamten nicht, gegen die sich die Union ausgesprochen hatte.

Von Andreas Debski

LVZ

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