Sächsische Schweiz: Natur wird sich erst in Jahrhunderten erholt haben
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Hanspeter Mayr, Sprecher der Nationalparkverwaltung Sächsische Schweiz, prüft den Boden. Er ist überrascht, wie schnell sich die Natur nach einem Brand erholt hat.
© Quelle: Daniel Schäfer/dpa
Rathen. Die Farbe der Hoffnung ist grün. Das gilt in besonderem Maße für Waldbrandgebiete wie die im Elbsandsteingebirge. Während die Glutnester im hinteren Teil der Sächsischen Schweiz noch immer auflodern und tagtäglich von Löschhubschraubern ins Visier genommen werden, ist das Feuer unterhalb der Bastei in Rathen gelöscht. Noch immer riecht es hier verbrannt. Doch eine Erkenntnis haben die Forstleute auf früheren Brandflächen gemacht. Schon nach vier Wochen kamen die ersten grünen Blätter wieder zum Vorschein und brachten Farbe in die geschwärzte Landschaft.
Als Hanspeter Mayr, Sprecher der Nationalparkverwaltung Sächsische Schweiz, dieser Tage unterhalb der Bastei auf Erkundung ging, geriet er nach eigenem Bekunden geradezu in eine Euphorie. An dieser Stelle hatte es im August 2018 gebrannt, etwa 400 Feuerwehrleute waren in dem steilen Gelände im Einsatz, mussten mitunter von der Bergwacht gesichert werden. Auf Löschhubschrauber hatte man damals verzichtet. Zu groß war die Gefahr, dass ein großer Schwapp von oben Glutnester noch weiter auseinandersprengen könnte. Vier Jahre später ist der Brandort wieder grün. Pappeln stehen über zwei Meter hoch, Birken bis zu 1,6 Meter.
„Armee“ der Bäume
Nationalparkwärter Marko Hänsel hat seither den Aufwuchs regelmäßig mit Fotos dokumentiert. „Was jetzt kommt, ist Naturwald“, sagt der Experte. Man müsse sich nur diesen Wald anschauen, um zu wissen, wie sich das später einmal im jetzigen Brandgebiet am Großen Winterberg nahe der deutsch-tschechischen Grenze entwickeln werde. Tatsächlich setzt sich auch im Wald am Ende der Stärkere durch. „Die Pflanzen, die hier wieder wachsen, müssen es aus eigener Kraft schaffen“, sagt auch Hanspeter Mayr. Der Wald regeneriere sich von selbst, man brauche nur Geduld. Hänsel schätzt die Zeitspanne, in der Wald wieder seinen ursprünglichen Zustand erreicht, auf 300 Jahre.
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Marko Hänsel, Nationalparkwärter vom Nationalpark Sächsische Schweiz, steht in einem Bereich eines Waldstücks nahe der Bastei mit einem Laptop in den Händen. Er notiert auffälliges in diesem Areal, da dieses bereits mehrmals von Bränden beschädigt wurde.
© Quelle: Daniel Schäfer/dpa
Hänsel ist wie der Förster und Buchautor Peter Wohlleben davon überzeugt, dass die Bäume untereinander in Verbindung stehen und in gewissem Sinne kommunizieren. Sie würden im Wald nicht als einzelne Soldaten stehen, sondern als eine Armee im Verbund. Außerdem hätten sie regelrechte Strategien entwickelt, um ihre Samen zu transportieren oder transportierten zu lassen - etwa durch Insekten. Oft hätten Samen eine schmackhafte Fruchtschale und seien damit für potenzielle „Boten“ attraktiv. Auch die verbrannte Erde selbst hat es in sich. Der Humus wird bei einem Feuer praktisch mineralisiert, die Mineralien dienen als Dünger für künftiges Wachstum.
Ideen für Schutzmaßnahmen
Mayr geht davon aus, dass die jüngsten Brände am Konzept des Nationalparks nichts ändern werden. Dessen Ruhezone ist für den Menschen tabu, dort greift er nicht ein. Als sicher gilt aber, dass man sich künftig auch hier besser gegen Brände wappnen will. Schon lange vor den Bränden gab es ein Konzept, an sieben Stellen im Park unterirdische Zisternen mit einem Reservoir an Löschwasser anzulegen. Einen solchen Speicher gibt es bereits am Zeughaus. Für die neuen Tanks seien bereits 522.000 Euro eingeplant, hieß es. Außerdem gebe es den Plan, an den Rettungswegen Brandschneisen anzulegen und mit Laubbäumen zu bepflanzen.
Öffentlich wird bereits darüber diskutiert, ob nun das ganze Totholz als „Brandlast“ aus den Wäldern entfernt werden soll. Mayr kann sich das schon wegen der Kostendimension nicht vorstellen. Er widerspricht auch der Auffassung, der Nationalpark habe in der Vergangenheit dafür zu wenig getan. Man habe schon vor dem großen Borkenkäfer-Befall Waldpflege betrieben, jedes Jahr 30.000 Festmeter Fichte aus dem Wald geräumt. „Da gab es massive Proteste, warum wir so intensiv in den Nationalpark eingreifen. Die Leute in Hinterhermsdorf konnten schon keine Holz-Lkw mehr sehen, die Straßen waren sehr belastet, es gab Beschwerden.“
Der Naturpark Sächsische Schweiz
Seit 1990 schützt der Nationalpark Sächsische Schweiz (93,5 km²) einen repräsentativen, relativ naturnahen Ausschnitt des rechtselbischen Elbsandsteingebirges. Menschliche Einwirkungen sollen minimiert und auf Landnutzung verzichtet werden. Bis 2030 sollen alle lenkenden Maßnahmen eingestellt werden, um eine naturnahe Artenvielfalt zu gewährleisten. Gemeinsam mit dem in der Tschechischen Republik unmittelbar angrenzenden Nationalpark Böhmische Schweiz soll eine grenzüberschreitende, über 170 km² große Naturlandschaft entwickelt werden. Drei Millionen Menschen kommen jährlich zur aktiven Erholung in den Nationalpark.
„Wir müssen uns nicht vorwerfen lassen, wir hätten das Thema insgesamt vernachlässigt. Die Menge an Totholz haben wir nicht aktiv herbeigeführt, sie ist Ergebnis der Trockenheit von 2018 bis 2020“, sagt Mayr und ordnet das als Folge des Klimawandels ein. Danach habe der Borkenkäfer leichtes Spiel gehabt und sich gut vermehren können. Der Fichtenwald sei auf 2000 Hektar und damit etwa auf einem Viertel der Nationalparkfläche abgestorben. Das tote Holz sei der Nährstoff für die nächste Waldgeneration und auch Lebensraum für Insekten. „Das ist der klassische Kreislauf der Natur.“
Von Jörg Schurig/dpa
LVZ