„Sachsens Unternehmer des Jahres“: Sonderpreis für Carl und Carla
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Richard Vetter (35) ist Mitgründer und Fuhrparkleiter bei Carl und Carla. Die Autovermietung aus Dresden feiert 2023 ihr zehnjähriges Bestehen.
© Quelle: SZ/Veit Hengst
Dresden. Arne Springer drückt schwarze Folie auf die Motorhaube. Ein Buchstabe nach dem anderen klebt sich an dem VW-Bus fest. Carl in Blau. Und Carla in Orange. In den nächsten vier Jahren werden sich diese beiden Namen an den weißen Transporter klammern und durch deutsche Städte düsen. „Die gehen nach Dortmund, Bielefeld, Chemnitz“, sagt der Kfz-Mechaniker vom gleichnamigen Dresdner Unternehmen Carl und Carla.
Ob der Carla-Kleinbus mit neun Sitzen oder der Carl-Transporter mit großer Ladefläche – für ein paar Stunden oder für zwei Wochen kann sich jede(r) das Fahrzeug digital mieten. Ab 29 Euro für einen halben Tag. So der Deal, der sich innerhalb von zehn Jahren von Dresden auf ein Dutzend Städte ausgebreitet hat. Und trotz Inflation, steigender Fahrzeug-, Personal und Benzinkosten hat sich der Mietpreis seit zehn Jahren nicht geändert. „Wir setzen auf eine Entschlackung der Verwaltung“, nennt Richard Vetter als Hauptgrund für die Preisstabilität. Sie hat dem 35-Jährigen beim Wettbewerb „Sachsens Unternehmer des Jahres“ gerade den Sonderpreis als bester Resilienzmanager beschert. Preisgeld: 60.000 Euro.
Am Anfang stand ein VW Bully
Entstanden ist die Carl-und-Carla-Idee vor mehr als zehn Jahren. Am Anfang stand ein VW Bully, den sich die vier Firmengründer Richard Vetter, Bastian Thiere, Gregor Wendt und Martin Wesner damals teilten. Fürs Festival, die Baumarkttour oder die Sommerreise. Der Schlüssel blieb im Auto stecken, damit jeder aus dem Freundeskreis schnell mal wegfahren konnte. Die Elektronik dahinter haben die vier Studenten selbst entwickelt. „Auf meinem Nokia hatte ich den Kontakt ‚Bus‘ stehen und hab’ ihn angerufen, um ihn zu entriegeln“, erzählt Vetter.
Die Idee schoss durch die Decke. Das unter dem Namen BSMRG GmbH gegründete Start-up wuchs rasant. Im Corona-Jahr 2021 hatten sich die Zahlen bei Mitarbeitern und Transportern schon verdoppelt. Das galt auch für den Umsatz. Mittlerweile ist das Unternehmen mit mehr als 1000 Bullys in 32 deutschen Städten unterwegs. Nicht überall betreibt das Dresdner Start-up den Service selbst, hier und da setzt es auf ein Franchise-Konzept. Der Umsatz liegt zusammengerechnet im zweistelligen Millionenbereich.
Der Preis – eine Gemeinschaftsinitiative
Der Wirtschaftspreis „Sachsens Unternehmer des Jahres“ ist eine Initiative von Sächsischer Zeitung, Freier Presse, Leipziger Volkszeitung und MDR sowie von Volkswagen Sachsen, der Schneider + Partner Beratergruppe, der LBBW, der Gesundheitskasse AOK Plus und dem Partnernetzwerk „So geht Sächsisch“.
Dabei verlief das Wachstum alles andere als linear: 2016 mussten die Gründer ihre Ziele überdenken. Damals beschränkte sich das Quartett noch darauf, Gebrauchtwagen zu vermieten. Ein teures Geschäftsmodell, denn die Wege wurden lang und länger, um den richtigen VW-Bus zu finden, der am Berg noch genug Power hatte. Also wurde auf Neuwagen umgesattelt: Heute fahren nur noch frisch produzierte VW-Busse des Kastenwagen-Typs 6.1 für Carl und Carla durch die Gegend.
Was eine Pandemie mit der Mobilität anstellt, erfuhren die Unternehmer im verflixten siebten Jahr. Als alles zum Stillstand kam, hatten sie gerade 15 Millionen Euro in neue VW-Busse investiert. Dabei brauchte zu dieser Zeit niemand einen Transporter, weil die Baumärkte geschlossen hatten und Umzüge abgesagt wurden. Das bedeutete drei Monate Kurzarbeit. „Man muss lernen, etwas zu riskieren“, resümiert Manager Vetter. Neben den üblichen Carls und Carlas gibt’s inzwischen auch den kräftigen Carlos. Ein echter Lieferwagen, wie man ihn von Handwerkern kennt. Er gehört zu einem der vielen Experimente des Unternehmens.
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Arne Springer (33) ist Mitarbeiter bei Carl und Carla. Hier foliert er neue VW Transporter mit dem Firmenlogo.
© Quelle: SZ/Veit Hengst
So zuckeln seit Neuestem auch vier E-Carls durch Dresden – sofern sie nicht gerade an einem Ladeplatz stehen, denn ihre Reichweite ist auf etwa 110 Kilometer begrenzt. Dass andere Carsharing-Unternehmen bis 2024 mindestens 80 Prozent ihres Fuhrparks auf Elektromobile umstellen wollen, lässt Vetter nur den Kopf schütteln. „Wir sind auf die Autohersteller angewiesen“, ruft er in Erinnerung. 2017 nahm Carl und Carla an einem Inkubator-Programm in der Gläsernen VW-Manufaktur teil, erhielt 15.000 Euro Unterstützung. Trotzdem blieb sich die Firma treu. „Wir hatten nie externe Investoren. So lernt man schneller sparen.“
In den ländlichen Raum wollen Vetter & Co. vorerst nicht expandieren. „Im Dorf kennen sich die Leute. Da herrscht noch das Geben und Nehmen“, sagt der Gründer, der in Brandenburg groß wurde. „Ganz klar: Wir brauchen die Anonymität der Großstadt.“ Bis 2024 wolle man in allen 40 deutschen Städten mit mehr als 200.000 Einwohnern vertreten sein. „Lieber ein Auto für 1000 Personen als 1000 neue Autos“, lautet Vetters Credo.
LVZ