„Wilde Spreewaldfrauen“ in coolem Zwirn
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Sarah Gwiszcz (v.l.n.r.) mit den Models Maria, Helen, Selina, Joanne und Anne, die in Lübbenau die „Wurlawy“ (Wilde Spreewaldfrauen) präsentieren.
© Quelle: Fotos (3): Winfried Mahr
Lübbenau. Ihre Vorfahren gingen noch wendisch, was in der Lausitz so viel heißt wie in aufwendiger niedersorbischer Tracht auszugehen. "Ich bin waschechte Wendin, aber komplette Trachten habe ich keine geerbt", gesteht Sarah Gwiszcz. Während ihre Urgroßtante in voller Tracht im Kahn durch den Spreewald stakte, hatte die eher punkige Gymnasiastin mit all den ortstypischen Stoffen, Hauben, Borten oder Spitzen "nicht allzu viel am Hut", wie sie zugibt. Das änderte sich während ihres Modedesign-Studiums in Berlin. Bei einer Exkursion in den Spreewald sollten sich die Studenten mit sorbisch-wendischen Trachten und Webtechniken befassen. "Erst da erkannte ich, welchen Schatz mir meine Vorfahren hinterlassen haben", sagt die selbstbewusste junge Frau mit blonden Rastalocken und schwarzem Pony."
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Model Helen präsentiert selbstbewusste junge Mode mit traditionellen Wurzeln.
© Quelle: Winfried Mahr
Verfall der Sitten befürchtet
Um den Schatz zu heben, gründete Sarah Gwiszcz vor fünf Jahren ihr eigenes Modelabel "Wurlawy", zu deutsch "wilde Spreewaldfrauen". Anfangs provozierte sie mit wendischen Trachten und mexikanischen Totenkopfmustern, traditionellen Hauben und Bikini-Oberteilen, sorgte damit auch auf der Berliner Fashion Week für Furore. Daheim kam das nicht bei allen gut an. Traditionalisten argwöhnten eine Ausschlachtung und Verfremdung jahrhundertealter Sitten und Gebräuche der Sorben. "Dabei will ich überhaupt nichts angreifen oder modernisieren. Ich mache keine Trachten, sondern aktuelle Mode, die von diesen Traditionen inspiriert ist", beharrt die 30-jährige Unternehmerin. "Die meisten haben nach klärenden Gesprächen verstanden, dass keine schlimme Absicht dahintersteckt". Im Gegenteil: "Ich achte und respektiere hiesige Sitten."
Für die Truhe viel zu schade
Mit der Zeit häufen sich Anfragen, sie eröffnete ein Ladenatelier in Lübbenau, reagiert auch auf Online-Bestellungen. Die Kunden kommen überwiegend aus Sachsen und Brandenburg. Aber auch aus anderen Teilen Deutschlands und dem Ausland landen immer mehr Anfragen bei der „wilden Spreewaldfrau“. Vor allem Frauen zwischen 30 und 60 Jahren sprechen ihre ungezwungenen Entwürfe an. Auch Hochzeitskleider hat sie jungen Damen schon viele auf den Leib geschneidert. “
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Dass sich die Spreewaldmode auch problemlos kombinieren lässt, zeigt Model Selina.
© Quelle: Winfried Mahr
Die sorbischen Volkstrachten sollen vor rund 500 Jahren als bäuerliche Kleidung entstanden sein. Vor allem zu festlichen Anlässen wurden kunstvolle Perlen-, Tüll- und Kreuzstickereien auf Bändern, Tüchern, Hauben und Schleifen entwickelt, die sich von Dorf zu Dorf in ihrer Symbolik unterschieden. Ab dem 19. Jahrhundert verloren die Trachten in vielen Regionen an Bedeutung. Diese „Truhentrachten“ werden heute nur noch von sorbischen Traditionsvereinen zu Volksfesten getragen.
Markenbewusste Botschafterin
Sarah Gwiszcz will vieles davon aufgreifen. Zudem lässt sie sich „von aktuellen Trends, vor allem aber von der Fauna und Flora meiner Heimat inspirieren“, wie sie sagt. So tauchen auf ihren Stoffen nicht nur diverse Blumen, sondern auch Libellen und Mücken als Deko auf. „Ich höre beim Entwerfen zuerst auf das, was meine Kunden wollen. Aber ich steuere auch immer etwas von dem bei, was ich selbst anziehen, worin ich mich wohlfühlen würde“, erklärt sie.
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Model Maria zeigt eine Kreation mit Stoffmustern aus der Spreewald-Region.
© Quelle: Winfried Mahr
Selbst im Lübbenauer Rathaus wird dieser modische Ansatz wohlwollend gesehen. „Der Spreewald mit seinen Traditionen kommt ja zuweilen etwas altbacken daher“, sagt der parteilose Bürgermeister Helmut Wenzel. Daher freue er sich über die Neuinterpretation einheimischer Trachten. Sarah Gwiszcz sei für Lübbenau und den Spreewald eine „Botschafterin, die sich ihrer Marke sehr bewusst ist“, so der Rathauschef.
Von der Mode zum Spreewald
Solche Wertschätzung freut die Jungunternehmerin. „Weil es mir genau darum geht: Für meine Heimat mit ihrer typisch sorbisch-wendischen Identität zu werben.“ Die ausladende Haube, im Wendischen „Lapa“ genannt, sei die auffallendste Referenz an ihre Herkunft. Wo dieser Kopfschmuck eher unüblich sei, könne er aber auch weggelassen oder ersetzt werden.
Auf Messen und am Rande von Modenschauen stellt Sarah Gwiszcz oft fest: „Die meisten wissen kaum etwas über die Lausitz und die Sorben. Über die Mode kommt man schnell miteinander ins Gespräch, wie es bei uns früher war und wie es heute ist.“ Gern auch mal wieder an ihrem Studienort – auf der Fashion Week in Berlin.
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Sarah Gwiszcz (links) hat seit fünf Jahren in Lübbenau ihr eigenes Label „Wurlawy“. Sie kreiert junge Mode mit traditionellen Wurzeln.
© Quelle: Winfried Mahr
Von Winfried Mahr
LVZ