Antragsflut für neues Wohngeld – Sachsens Sozialämter völlig überlastet
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Der Antrag für das Wohngeld umfasst acht Seiten – ist das Formular abgegeben, kann es einige Monate bis zu einer Entscheidung dauern.
© Quelle: Robert Michael/dpa
Leipzig. Die Sozialämter in Sachsen kommen mit der Bearbeitung von Wohngeld-Anträgen nicht hinterher. Aufgrund einer zu Jahresbeginn in Kraft getretenen Reform haben sich die Fallzahlen etwa verdreifacht, hat eine LVZ-Umfrage in den Kommunen ergeben. Trotz erheblicher Personalaufstockungen gibt es aktuell einen Rückstau – deshalb müssen Hilfsbedürftige monatelang auf ihre Unterstützung warten.
Der Geschäftsführer des Sächsischen Städte- und Gemeindetages, Mischa Woitscheck, spricht angesichts der Antragsflut von deutlich gestiegenen Personal- und Sachkosten bei den 31 Wohngeldstellen: „Wir schätzen diese jährlichen Mehraufwendungen auf 20 bis 30 Millionen Euro.“ Auch die Sozialdezernentin von Nordsachsen, Heike Schmidt, sagt: „Die Umsetzung der Wohngeldreform des Bundes bedeutet für die kommunale Ebene eine enorme Kraftanstrengung.“
Stadt Leipzig hat 30 zusätzliche Stellen geschaffen
Wohngeld wird als Zuschuss an Haushalte gezahlt, deren Einkommen knapp oberhalb der Grundsicherung liegt. Mit der Reform haben seit Jahresbeginn mehr Menschen einen Anspruch auf Hilfe. Auch der Betrag steigt: von durchschnittlich 180 Euro pro Monat auf etwa 370 Euro. Hinzu kommt eine neue Heizkostenkomponente von zwei Euro je Quadratmeter. Wer bereits Wohngeld bezieht, muss keinen gesonderten Antrag für die höheren Leistungen einreichen.
Die Zahlungen werden vom Bund übernommen. Die Landkreise und Städte tragen jedoch die Bearbeitungskosten. Der Freistaat hat den Kommunen ein – zunächst bis Ende 2024 befristetes – Entlastungspaket zugesichert.
Allein Leipzig hat 30 zusätzliche Stellen geschaffen, für die Personal- und Sachkosten von jährlich 2,3 Millionen Euro veranschlagt werden. Dresden plant eine Aufstockung um 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, im Vergleich zum Herbst hat die Wohngeldstelle bereits 36 Beschäftigte mehr. Die Entwicklung ist überall ähnlich: So hat Nordsachsen sein zuständiges Amt um acht Stellen erweitert, Mittelsachsen um sechs und der Landkreis Leipzig um 14.
Tausende unbearbeitete Wohngeld-Anträge stapeln sich
Dennoch ächzen die Wohngeldstellen unter dem Ansturm. „Das Prozedere ist für viele Antragsteller zu kompliziert, umfangreich und bürokratisch. Zudem müssen die Bürger so viele Unterlagen einreichen, dass oft zwei bis drei Nachforderungen notwendig sind“, erklärt eine Sprecherin des Landkreises Leipzig. Hier haben sich schon 2400 unbearbeitete Fälle angesammelt und wird mit einer Wartezeit von acht Monaten gerechnet. Üblich waren in Sachsen bislang etwa vier Wochen. „Das Geld wird rückwirkend gezahlt“, wird deshalb klargestellt.
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Auch andernorts türmen sich die Aktenberge. Beispielsweise sind in Dresden 7860 der seit Jahresbeginn 8160 eingereichten Fälle noch offen. In Leipzig gingen in den ersten beiden Monaten rund 9000 Anträge ein, von denen jeder Einzelne durchschnittlich 94 Tage benötigen wird – „das könnte sich noch verlängern“, heißt es aus dem Sozialamt. Die LVZ-Umfrage ergab, dass die Kommunen mit Bearbeitungszeiten von mindestens drei bis fünf Monaten rechnen.
Viele Ämter haben ihre Bürger-Öffnungszeiten reduziert
Eine Konsequenz ist, dass etliche Ämter ihre Sprechzeiten reduzieren. „Bitte verzichten Sie vorerst auf persönliche, telefonische und E-Mail-Nachfragen zum Bearbeitungsstand“, heißt es etwa in Dresden. Auch der Landkreis Meißen räumt ein: „Um die Vielzahl der Anträge so schnell wie möglich prüfen zu können, arbeiten die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter ausschließlich im Back-Office und stehen aktuell nicht für telefonische Nachfragen oder persönliche Vorsprachen zur Verfügung.“
Anträge sollen möglichst per Online-Formular gestellt werden
Um die Bearbeitung zu vereinfachen, bieten inzwischen 21 der 31 Wohngeldstellen neben dem Papierformular einen Online-Antrag an – „das empfehlen wir“, wird in Leipzig geraten. Den Digitalservice gibt es unter anderem auch in Dresden, Grimma, Döbeln und Delitzsch sowie in Mittelsachsen, Bautzen und Nordsachsen. Der Antrag steht über die Internetseite der Stadt oder des Landkreises und über www.amt24.sachsen.de zur Verfügung (unter „Aktuelles“). Sachsens Digital-Staatssekretär Thomas Popp sieht darin einen „echten Meilenstein bei der Digitalisierung der Verwaltung“.