93-Jährige stirbt unterernährt und ausgetrocknet: Sohn erhält Bewährungsstrafe

Hannover, Amtsgericht - Verfahren wegen Aussetzung sowie gefährlicher Körperverletzung durch Unterlassen ;

(Foto: Christian Behrens)

Der Angeklagte im Amtsgericht Hannover.

Hannover. Der Richter zitierte erst einmal Kommentare aus dem Internet: Der gehöre weggesperrt, man solle ihn verhungern lassen, hieß es da. Aber: Das gehe zwar bei Facebook, aber „nicht in diesem Gerichtssaal“, sagte der Vorsitzende Richter am Amtsgericht Hannover, Laurin Osterwold, am Dienstag. Er räumte ein, der Fall sei emotional und schwer in Worte zu fassen. Am Ende wurde der 74-Jährige, dessen von ihm betreute demenzkranke Mutter mit 93 Jahren unterernährt starb, zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt. Trotz der Internet-Kommentare sei die Strafe hart, betonte der Richter. Denn der Mann sei mit der Pflege vor allem überfordert gewesen.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Verurteilt wurde der Mann wegen gefährlicher Körperverletzung durch Unterlassen und Aussetzung, allerdings in minder schweren Fällen. „Die anstrengende Leistung der Betreuung kann zu Überforderung führen“, betonte der Richter. „Die Pflege älter Menschen ist aufwendig.“ Der Verurteilte habe durchaus versucht, seine Mutter zu versorgen, dies aber zum Schluss nicht mehr geschafft.

Seniorin wog nur 26 Kilogramm

Der 74-Jährige war gerichtlich bestellter Betreuer der demenzkranken Frau. Im Dezember 2016 holte er seine Mutter aus einer Seniorenresidenz in Hannover, wo sie aus seiner Sicht schlecht versorgt war, in ihre eigene Wohnung. Dort lebte sie bis zu ihrem Tod. Eine Versorgung durch einen Pflegedienst gab es nicht, der Sohn lebte in Hamburg und kam nur zeitweise nach Hannover. Im Juni 2017 starb die Frau, stark ausgetrocknet. Die Seniorin wog zum Zeitpunkt ihres Todes nur noch 26 Kilogramm. Ein halbes Jahr zuvor hatte sie noch 38,2 Kilogramm gewogen.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Für den 74-Jährigen spreche aber sein ausführliches Geständnis, seine Betroffenheit, auch bereue er, dass er seiner Mutter nicht die Pflege habe zukommen lassen, die sie gebraucht hätte, sagte der Richter. Auch sei sie nach vier Monaten noch in körperlich gutem Zustand gewesen: „Das ist ein Arbeitseinsatz, da können Sie stolz auf sich sein.“ Zwei Wochen vor ihrem Tod habe sich ihr Zustand deutlich verschlechtert, Notfallkontakte habe es aber nicht gegeben. Dennoch habe der Mann nicht vorsätzlich gehandelt; er habe tatsächlich sein Bestes versucht, aber das Beste wäre gewesen, einen ambulanter Pflegedienst einzuschalten: „Das hätten Sie machen müssen.“

„Ich kann nichts mehr dazu sagen“

Die Staatsanwältin hatte zuvor die Strafe von einem Jahr und vier Monaten auf Bewährung gefordert - wegen gefährlicher Körperverletzung durch Unterlassen und Aussetzung in minder schweren Fällen. Der Mann habe seine Mutter in einer hilflosen Lage im Stich gelassen, obwohl er ihre Lage eigentlich habe verbessern wollen. Der Verteidiger sprach sich für eine Bewährungsstrafe von nicht über einem Jahr aus.

Der Verurteilte selbst schien sich in seinem langen Schlusswort eine Last von der Seele reden zu wollen: Er sei nach wie vor erschüttert, habe große Fehler gemacht, er schlafe schlecht und sei „fix und fertig“. Er betonte schließlich: „Ich kann nichts mehr dazu sagen, ich könnte heulen.“

RND/dpa

Mehr aus Panorama

 
 
 
 
 
Anzeige
Anzeige
Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Outbrain UK Ltd, der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.

 

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.

Verwandte Themen

Letzte Meldungen

 
 
 
 
 
 
 
 
 

Spiele entdecken