Enge Mitarbeiter des Ahrweiler-Landrats: Er war bei Flut „nicht mehr er selbst“
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Landrat Jürgen Pföhler (CDU): Die Staatsanwaltschaft Koblenz hat ein Ermittlungsverfahren gegen den Landrat des von der Flutkatastrophe besonders betroffenen Landkreises Ahrweiler eingeleitet.
© Quelle: Thomas Frey/dpa
Mainz. Der frühere Landrat des Kreises Ahrweiler, Jürgen Pföhler, war nach den Schilderungen zweier enger Mitarbeiter bei der Flutkatastrophe völlig anders als sonst. „Es hat - glaub ich - jeder mitbekommen, dass der Landrat nicht mehr er selbst war“, sagte der damalige Leiter des Impfzentrums, Fabian Schneider, am Freitag im Untersuchungsausschuss Flutkatastrophe im Landtag in Mainz.
Ein anderer enger Mitarbeiter erlebte Pföhler am Abend der Flutkatastrophe (14. Juli) als „unheimlich persönlich betroffen“ und „fahrig“. „Ich habe den Mann nicht wiedererkannt“, sagte er. Pföhler habe sonst in allen Krisen, wie etwa bei Corona, „eigentlich immer die richtigen Entscheidungen getroffen“.
Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Landrat
Gegen den Landrat ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen womöglich zu später Warnungen und Evakuierungen. Pföhler wird am kommenden Freitag (8. Juli) im Untersuchungsausschuss erwartet.
Überlastet und überfordert: So schilderten drei Mitglieder des Krisenstabs zuvor, wie sie sich am Abend der Sturzflut an der Ahr gefühlt haben. Die Angehörigen der Technischen Einsatzleitung des Kreises berichteten von Kommunikations- und Kapazitätsproblemen, die die Arbeit des Krisenstabs bei der Katastrophe vor knapp einem Jahr erheblich behindert hätten.
Verbindungen waren weitgehend zusammengebrochen
Es sei kaum möglich gewesen, von den Feuerwehren aus den verschiedenen Orten etwas über die jeweilige Situation zu erfahren, da die Verbindungen weitgehend zusammengebrochen gewesen seien, sagte ein ehrenamtlicher Mitarbeiter des Technischen Hilfswerks (THW), der am Abend Dienst in der Einsatzleitung hatte: „Ich kann keine Lage führen, wenn ich keine Rückmeldungen habe“.
Mehr als 750 Menschen waren bei der Sturzflut nach extremem Starkregen am 14. und 15. Juli 2021 im Ahrtal verletzt und Tausende Häuser verwüstet worden. 134 Menschen kamen ums Leben. Der Untersuchungsausschuss will herausfinden, wie es zu der Katastrophe kommen konnte.
Forscher bekräftigen Warnungen vor häufigerem Extremwetter
Knapp ein Jahr nach den verheerenden Hochwassern durch starke Regenfälle in Teilen Westdeutschlands bekräftigen zudem Forscher Warnungen vor häufigerem Extremwetter durch den Klimawandel. „Ich werde immer gefragt: Kann das überall passieren? Und meiner Meinung nach können wir immer wieder überrascht werden und sind nirgendwo gefeit“, sagte Fred Hattermann, Leiter der Forschung zu Hydroklimatischen Risiken am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) bei einem virtuellen Expertengespräch am Freitag. „Man kann es eingrenzen, aber nicht vollkommen.“
Angesichts der Entwicklung der vergangenen Jahre sei davon auszugehen: „Nach der Flut ist vor der Flut“, mahnte der Vize-Leiter der Abteilung Klimaresilienz. Um das zu vermeiden, müsse man mit großer Entschlossenheit versuchen, den Klimawandel einzuschränken. Die Intensivierung des Wasserkreislaufes sei schon lange als wahrscheinliche Folge des Klimawandels betrachtet worden – und das zeige sich in den letzten Jahren sehr deutlich. Im Gegensatz zu größeren Flusshochwassern zeige sich allerdings zuletzt auch eine klare Häufung von regional zwar begrenzten, aber sehr intensiven Hochwassern, erklärte Hattermann.
Großer Teil der Infrastruktur nicht mehr ausreichend geschützt
Damit sei ein großer Teil der Infrastruktur inzwischen nicht mehr ausreichend geschützt, mahnte er. „Die beste Anpassung, die wir schnell machen können, ist eine gute Vorhersage und dann entsprechend hören auf die Warnungen.“ Meldeketten via SMS und persönlich seien für die Sicherheit im Ernstfall extrem wichtig. Besonders müssten auch kritische Infrastrukturen geschützt werden.
Starkregenereignisse werden mit zunehmender globaler Erwärmung häufiger und intensiver.
Sonia Seneviratne, Professorin an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich
Sonia Seneviratne, Professorin an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich, sagte mit Blick auf die Katastrophe im letzten Jahr: „Starkregenereignisse werden mit zunehmender globaler Erwärmung häufiger und intensiver.“ Seneviratne leitete ein entsprechendes Kapitel zu Extremwetterereignissen im aktuellen Bericht des Weltklimarates IPCC. Das Starkregenereignis, das zur Ahrtalflut geführt habe, sei durch menschliche Emissionen sowohl wahrscheinlicher gemacht worden als auch heftiger, stellte sie klar.
Mit Blick auf extreme Trockenheit, wie sie besonders in den letzten Jahren viele Regionen in Deutschland vor allem in den Frühjahrs- und Sommermonaten belastet, sagte Hattermann: „Trockenheit schließt überhaupt nicht aus, dass wir starke Niederschläge haben.“ Tagelange Landregen würden seltener – hingegen komme es häufiger zu starken Gewitter-Niederschlägen, die oft nicht tief in den Boden eindrängen. „Wir müssen mit beidem rechnen – Trockenheit und Starkregen.“
RND/dpa