Schlank sein ist nach wie vor im Trend

Bikinifigur für alle! Ein Sommer zwischen Bodyshaming und Bodypositivity

Leichtigkeit und Lebensfreude am Strand: Das hat nichts mit dem Körpergewicht zu tun.

Leichtigkeit und Lebensfreude am Strand: Das hat nichts mit dem Körpergewicht zu tun.

Was früher Filme, Werbung, Zeitschriften waren, das sind heute Instagram und Tiktok. Zumindest, wenn es um die Beeinflussung von Menschen, vor allem jungen Menschen, bei Schönheitsidealen geht, sagt Nico Fichtler. „Das ist sehr präsent bei jungen Menschen, da entwickeln sich schon viele Komplexe.“ Fichtler ist Personal Trainer und heute kommen 70 Prozent seiner Kundinnen und Kunden, um abzunehmen.

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Permanent werden Nutzerinnen und Nutzer in den sozialen Netzwerken konfrontiert von Frauen mit ihren flachen Bäuchen, von Männern mit ihren Sixpacks: Vermeintlich wunderschöne Menschen, die ausgelassen feiern, am Strand tanzen, Cocktails schlürfen und eine Lockerheit, eine Zufriedenheit, eine Lebensfreude ausstrahlen. Seit Jahren gibt es Kritik an den medial kreierten Schönheitsidealen. Doch auch wenn einige Frauenzeitschriften dazu übergegangen sind, regelmäßig Plus-Size-Models abzubilden, wenn allerorts Bodypositivity propagiert wird, die Einstellung, den eigenen Körper mit all seinen Macken und Formen positiv anzunehmen: Das Körperbewusstsein ist bei vielen noch längst nicht angekommen.

Spanische Regierung mit Kampagne: „Alle Körper sind Strandkörper“

Die spanische Regierung nimmt sich des Themas nun offiziell an. „Der Sommer gehört auch uns“ heißt eine Kampagne, die Menschen – vor allem üppige Frauen – dazu bewegen soll, an den Strand zu gehen. Auf dem Plakat, das eher nach 1990er-Jahre aussieht, sind fünf Frauen zu sehen, eine davon oben ohne nach einer Brustamputation. „Alle Körper sind Strandkörper“, sagte Sozialministerin Ione Belarra bei der Vorstellung. „Alle Körper haben ihre Berechtigung. Wir haben das Recht, das Leben so zu genießen, wie wir sind, ohne Schuld oder Scham.“

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Spanien geht damit auch gegen die Diskriminierung am Strand vor. Noch vor wenigen Jahren gab es Poster in den U‑Bahnen des Landes zu sehen, die mit dem Spruch „Bist du bereit für den Sommer?“ für die Bikinifigur warben – dahinter steckte eine Fitnesskette. Nun also soll die Botschaft ausgesendet werden: Wer bestimmt eigentlich, was eine Bikinifigur ist? Und wer hat das Recht, den Körper anderer kritisch zu bewerten – mit Worten oder Blicken?

Verzicht auf den Strand: Die Folgen von Bodyshaming

Allerdings sitzen viele Komplexe tief, wie Personal Trainer Fichtler weiß. Vor allem, wenn es gen Sommer geht, melden sich Menschen bei ihm, erzählt er. „Viele fühlen sich unwohl in ihrem Körper.“ Während zu Jahresbeginn vor allem die Anmeldungen in den Fitnessstudios boomen, melden sich seine Kundinnen und Kunden teilweise erst im Mai oder Juni – unter anderem in der Hoffnung, vor dem Sommerurlaub noch ein paar Kilos zu verlieren, den Körper noch etwas zu definieren.

Es gibt Frauen und Männer, die seit Jahren nicht mehr am Strand, am See oder im Schwimmbad waren – weil sie sich für ihren Körper schämen. Zum einen, weil sie von anderen hören, dass sie dick, ihr Körper nicht ästhetisch, sie nicht hübsch seien. Und sie es dann irgendwann selbst glauben. Bodyshaming nennt sich das. Gerade Menschen, die Fotos von sich in sozialen Medien teilen, bekommen Kommentare zu Figur, zu Aussehen, zu Gewicht. Zum anderen, weil sie sich selbst ungerne im Spiegel sehen.

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Unwohlsein mit dem eigenen Körper: Wenn das Schönheitsideal zur Last wird

Jenny D. beispielsweise, die einen Urlaub in Ägypten bucht, mit Poolanlage im Hotel. Doch den Pool hat sie den Urlaub über nicht genutzt, erzählt sie auf Twitter. „Ich fühle mich so unwohl in meinem Körper, dass ich so wenig wie möglich reingehe.“ Sarah K. war in ihrer Jugend einige Jahre nicht am See oder im Freibad, sie wollte nicht, dass jemand, der oder die sie kennt, sie sehen kann „mit ihren schwabbeligen Oberschenkeln und den Dellen am Bauch“. So empfand sie das zumindest.

Maike B. teilt über Social Media mit: „Da ist man im Urlaub und könnte sich den ganzen Tag an den Strand legen, fühlt sich aber so unwohl in seinem Körper, dass man sich das nicht traut. Geschweige denn es genießen könnte, wenn man den Mut findet.“ Aber längst nicht nur Frauen geht es so – und nicht nur übergewichtigen Frauen. Marcel R. sagt etwa: „Eigentlich sollte man auf andere Meinungen scheißen, aber fremde Meinungen beeinflussen unser Selbstwertgefühl. Dadurch fühlt man sich im Körper unwohl. Wenn du definiert gebaut bist, kriegst du größtenteils Respekt.“

Schlank sein: früher ein Schönheitsideal, heute ein Merkmal für Gesundheit

Ist schön zu sein auch 2022 noch ein Ziel, das sich die Menschen setzen? Ja, sagt Nico Fichtler. Auch wenn es Kampagnen wie jene nun in Spanien gibt, ist schlank zu sein nach wie vor im Trend. „Das Bewusstsein hat sich deutlich gewandelt, das Wissen um Gesundheit ist auch viel größer heute“, sagt er, der seit 2008 Menschen trainiert. Anstatt den Fokus auf Schönheit zu legen, wird das Streben danach, schlank zu sein, nun mit Gesundheit und Vitalität begründet. „Gesunde Ernährung spielt eine größere Rolle, wird positiv bewertet“, sagt Fichtler. Der nach wie vor boomende Markt mit Eiweiß- und Diätprodukten in Supermärkten, Drogerien und Apotheken zeige, dass es eher einen stärkeren Wunsch nach Schlankheit gibt als noch vor einigen Jahren.

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Auch in Zeitschriften hat sich wenig verändert. Nebst Plus-Size-Models auf dem Titel gibt es weiterhin Diättipps und Tipps, schöner zu werden. In Filmen dominieren sie ebenfalls, die superschlanken Frauen, die durchtrainierten Männer.

Gewicht sagt nichts über die Gesundheit aus

Dass Schlankheit und Gesundheit sich gegenseitig bedingen, ist längst widerlegt. Vor einigen Jahren fand die University of California in Los Angeles in einer großangelegten Studie heraus, dass mehr als die Hälfte der als übergewichtig geltenden Menschen (jene mit einem Body-Mass-Index, BMI, über 25) völlig gesund waren, Blutdruck, Blutzucker, Cholesterin, Körperfett – alles im Rahmen. Gleichzeitig fanden sich auch Millionen Menschen mit einem BMI im Idealbereich, deren Daten zeigten, dass sie krank waren. Pauschal von Schlankheit auf körperliche Gesundheit zu schließen ist also falsch.

Auch wenn es vereinzelt Kritik am spanischen Projekt „Der Sommer gehört auch uns“ gibt, ist die große Mehrheit in den sozialen Medien begeistert. Der Account Antifa Feminista macht dabei noch einmal deutlich: „Äußerungen über Körper können sehr viel Schaden anrichten. Wenn du nichts Nettes zu sagen hast, schweig.“ Ähnlich positionierte sich auch eine Spanierin, die ein Bild von sich im Badeanzug am Strand postete. „Mein Körper fragt nicht nach deiner Meinung. Unsere Körper verdienen allen Respekt der Welt.“

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