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Corona-Massentest in Südtirol: Wie eine Provinz die Wintersaison retten will

Menschen stehen vor einer Corona-Schnelltestanlage in Bozen.

Menschen stehen vor einer Corona-Schnelltestanlage in Bozen.

Bozen. In Bozen und den übrigen 115 Gemeinden der autonomen italienischen Provinz Südtirol sah es am Wochenende ein wenig so aus, als fänden Wahlen statt: Von Freitagmorgen bis Sonntagabend bildeten sich vor den Schulhäusern und Turnhallen lange Schlangen, die Wartenden hatten ihre Ausweispapiere in der Hand. Doch das Ziel der Südtiroler waren diesmal nicht die Wahlurnen, sondern die über 600 Teststellen, die die Landesregierung zusammen mit über 11.000 Ärzten, Pflegern und Freiwilligen in der ganzen Provinz eingerichtet hatte. Südtirols Behörden hatten die Bevölkerung aufgerufen, sich einem freiwilligen und kostenlosen Massentest zu unterziehen.

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Bis Sonntag um 16 Uhr hatten dem Aufruf über 320.000 Personen Folge geleistet und sich einem einem Antigen-Schnelltest unterzogen. Das sind 64 Prozent der rund 500.000 Einwohner der Provinz. Der Andrang war am Nachmittag weiterhin ungebrochen groß, sodass das Ziel der Behörden, mindestens zwei Drittel der Bevölkerung – also 350.000 Personen – zu testen, in greifbarer Nähe schien. Mit dem Massentest sollten insbesondere die mit dem Coronavirus infizierten Personen ausfindig gemacht werden, die keine Symptome aufweisen und deshalb von ihrer Ansteckung nichts ahnen. Sie gelten in den Augen der meisten Experten als wichtige Verbreitungsquelle des Virus.

Krankenhäuser an der Grenze ihrer Kapazitäten angelangt

Beim Massentest wurde bis 16 Uhr bei 3040 Personen das Virus nachgewiesen, also bei rund 0,9 Prozent der Getesteten. Die Betroffenen wurden innerhalb von wenigen Stunden per E-Mail informiert und müssen sich für zehn Tage in Quarantäne begeben. „Wenn wir diese positiv Getesteten nicht gefunden hätten, würden sie das Virus weiter streuen“, betonte Pflegedirektorin Marianne Siller vom Südtiroler Sanitätsbetrieb. Dank der Unterbrechung der Infektionsketten hofft die Landesregierung, den Anfang November verhängten Lockdown deutlich verkürzen zu können.

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Die autonome Provinz Südtirol ist von der Covid-19-Pandemie stark betroffen: Schon vor dem Massentest waren nach offiziellen Angaben 11.675 Personen mit dem Virus infiziert, 462 sind seit Beginn der Pandemie verstorben. Die Krankenhäuser sind an der Grenze ihrer Kapazitäten angelangt. Landeshauptmann Arno Kompatscher hat deshalb schon Anfang November seine Provinz zur „roten Zone“ erklärt und einen relativ harten Teil-Lockdown verfügt – obwohl das Südtirol damals nach Auffassung der Zentralregierung in Rom noch als „gelbe Zone“ durchgegangen wäre.

Die Strategie von Kompatscher ist klar: Lieber im November massiv und unkonventionell auf die steigenden Fallzahlen reagieren und dafür im Gegenzug im Dezember das Weihnachtsgeschäft und danach die Skisaison retten. „Ein Winter im Lockdown wäre nicht nur gesundheitlich und wirtschaftlich ein Desaster, sondern auch menschlich, sozial und kulturell“, betont der Landeshauptmann. Um das zu vermeiden, müsse die Regierung von der Bevölkerung einige zusätzliche Opfer verlangen, auch nach dem Massentest: Kompatscher fordert weiterhin Disziplin beim Einhalten der Vorsichtsmaßnahmen, namentlich bezüglich der Einhaltung der Abstandsregeln und der Maskenpflicht.

Skigebiete und Sporthotels sollen spätestens bis Weihnachten wieder öffnen

Das erklärte Ziel der Betreiber der bisher für das breite Publikum geschlossenen Skigebiete und Sporthotels ist es, die Saison spätestens bis Weihnachten eröffnen zu können. Ob dies möglich sein wird, hängt nicht zuletzt von den Entscheidungen der Regierung in Rom ab. Und aus der Hauptstadt kommen auch kritische Stimmen zum Massentest: Weil mit dem verwendeten Antigen-Test bis zu 30 Prozent der Infizierten unentdeckt blieben, sprechen Virologen von „Geldverschwendung“. Die negativ getesteten Personen würden sich in einer trügerischen Scheinsicherheit wähnen; im Übrigen sei das Resultat des Massentests nicht mehr als eine „Momentaufnahme“.

Kompatscher räumte gegenüber der österreichischen „Kleinen Zeitung“ ein, dass der Massentest „kein Allheilmittel und auch nicht die Lösung des Problems“ sei. Dennoch könne die Aktion helfen, den Lockdown zu verkürzen. Außerdem werde der Massentest „keine Einmalaktion“ bleiben: Weitere Screenings in Gemeinden, Bezirken sowie bei Risikogruppen sollen folgen.

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