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Das Trauma der Parkland-Schüler: Suizide nach Jahrestag von Schulmassaker

Die Parkland-Schüler sorgten mit ihren lauten und klugen Protesten für schärfere Waffengesetze protestiert – doch sie leiden noch unter dem Massaker an ihrer Schule.

Die Parkland-Schüler sorgten mit ihren lauten und klugen Protesten für schärfere Waffengesetze protestiert – doch sie leiden noch unter dem Massaker an ihrer Schule.

Parkland. Sydney Aiello war ein lebensfreudiger amerikanischer Teenager, der Typ, den man aus Highschool-Komödien kennt. Sie war begeisterungsfähig und unternehmungslustig, lachte viel mit ihren Freundinnen und tanzte als Cheerleaderin für das Footballteam. Doch am 14. Februar 2018 veränderte sich alles. Es war der Tag, an dem Nikolas Cruz mit einem Sturmgewehr durch Aiellos Schule, die Marjorie Stoneman Douglas High School von Parkland, ging und 17 ihrer Mitschüler ermordete.

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Aiello saß im Klassenzimmer neben dem, in dem Cruz sein grausames Handwerk verrichtete. Auf dem Weg ins Freie musste die damals 18-Jährige über Leichen steigen. Nach diesem Tag war nichts mehr wie vorher. Aiello wurde ängstlich und zurückgezogen. Sie schaffte ihren Highschool-Abschluss gerade so. Am College war sie isoliert und kam mit den Anforderungen nicht zurecht. Sie traute sich kaum in die Klassenzimmer.

Parkland-Schülerin bringt sich um – vermutlich wegen posttraumatischer Belastungsstörung

In der vergangenen Woche nahm sich Aiello das Leben. Die Gründe wurden bislang nicht offiziell bestätigt. Doch es ist davon auszugehen, dass der Suizid mit ihrer unbehandelten posttraumatischen Belastungsstörung zusammenhängt. Es war eine bittere Nachricht für die Gemeinde in Südflorida, die gerade den Jahrestag der Tragödie hinter sich gebracht hatte. Doch Parkland hatte keine Zeit, den Tod von Aiello zu verdauen. Nur zwei Tage nach ihr nahm sich ein Mitschüler, der 16 Jahre alte Calvin Desir, das Leben.

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Die Suizide waren ein Schock für die USA. Die Parkland-Schüler galten als Helden: Sie hatten sich für schärfere Waffengesetze eingesetzt, hatten Märsche organisiert, waren in Talkshows aufgetreten und wurden vom „Time Magazine“ unter die wichtigsten Personen des Jahres 2018 gewählt. Barack Obama persönlich schrieb die Laudatio, in der er die Schüler für ihren Willen lobte, sich einzumischen.

Experte: Langfristiges Trauma wird oft unterschätzt

Die Selbstmorde machen klar, dass die Schüler trotz allen nach außen getragenen Selbstbewusstseins leiden. Ein Schüler, der Aiello gut kannte, sagte dem TV-Sender CNN, dass ihn die Selbstmorde nicht überrascht hätten. „Wir haben auf so etwas nur gewartet. Ich habe von so vielen hier gehört, dass sie sich mit Selbstmordgedanken tragen.“

Experten sagen, dass das langfristige Trauma nach solchen Ereignissen oft unterschätzt werde. „Gewisse Grundannahmen, die einem Sicherheit in der Welt verschaffen, sind einfach erschüttert“, sagt David Schonfeld, Direktor des nationalen Zentrums für Schulkrisen. So berichteten Angehörige von Schülern der Stoneman Douglas School, dass die Zeugen ihre Interessen verloren hätten und sich einigelten. In diesem Zustand seien sie oft auch für Therapie nicht empfänglich. „Wir haben hier in Parkland hervorragende Angebote eingerichtet“, sagte Cindy Arenberg Seltzer, die ein Beratungszentrum leitet. „Aber es kontaktiert uns kaum jemand.“

Experte: Timing der Parkland-Suizide ist kein Zufall

Das Timing der Vorfälle ist laut den Experten kein Zufall. So sagt Billie Morgan, Leiter einer Krisenhotline in Florida, dass die Jahresfrist oft die kritischste Zeit ist. „Am Anfang regnet es Hilfsangebote, doch das stirbt dann ab. Plötzlich setzt für viele ein Gefühl der Verlassenheit ein.“ Hinzu komme ein Gefühl der Verzweiflung, weil die Symptome nach einem Jahr nicht besser werden. Das Ganze werde verstärkt durch Schuldgefühle, weil man überlebt habe.

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Seltzer sieht die Selbstmorde als Warnschuss, der die Gesellschaft aufgerüttelt hat: „Es gibt jetzt ein Bewusstsein für das Problem.“ Diejenigen, die sich in Parkland und an anderen Orten mit den Folgen von Schulmassakern herumschlügen, fühlten sich vielleicht nicht mehr so isoliert. Und fänden hoffentlich den Mut, Hilfe zu suchen.

Haben Sie Suizidgedanken? Dann wenden Sie sich bitte an folgende Rufnummern:

Telefon-Hotline (kostenfrei, 24 h), auch Auskunft über lokale Hilfsdienste:

0800 – 111 0 111 (ev.)

0800 – 111 0 222 (rk.)

0800 – 111 0 333 (für Kinder / Jugendliche)

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Email: unter www.telefonseelsorge.de

Von Sebastian Moll/RND

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