Die ausgestorbene Ewige Stadt: Rom erneut im Osterlockdown

Leere auf dem Petersplatz: Die Pandemie sorgt dafür, dass der Vatikan und das Zentrum Roms wie ausgestorben wirken.

Leere auf dem Petersplatz: Die Pandemie sorgt dafür, dass der Vatikan und das Zentrum Roms wie ausgestorben wirken.

Rom. Die Absperrgitter, die die Besucher in geordneten Bahnen in Richtung der Kassen der vatikanischen Museen leiten sollen, sind noch da – akkurat aufgestellt, aber völlig unnütz. Die Museen mit den weltberühmten Stanzen des Raffael und der Sixtinischen Kapelle sind wieder geschlossen, seit Rom, die Hauptstadtregion Latium und auch ein großer Teil des restlichen Italien von der Regierung Mitte März wieder zur „roten Zone“, der höchste Gefahrenstufe, deklariert wurde. Vor dem Eingang der Museen stehen etwas verloren ein Museumswächter und ein „vigile“, ein Römer Stadtpolizist. Der „vigile“, ein freundlicher, älterer Herr, zuckt mit den Schultern: „Normalerweise stehen sich hier in dieser Jahreszeit tausende Menschen die Füße in den Bauch“, sagt er. „Jetzt ist weit und breit kein Tourist zu sehen.“

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Die Museen gehören zu den wichtigsten Finanzierungsquellen des Vatikans. Die Pandemie hat die Einnahmen einbrechen lassen und im vergangenen Jahr in der Vatikankasse zu einem Defizit von rund 50 Millionen Euro geführt. Um eine heilige Pleite zu verhindern und die bestehenden Arbeitsplätze im Kirchenstaat zu sichern, sah sich Papst Franziskus letzte Woche zu einer unpopulären Sparmaßnahme gezwungen: Er kürzte den Kardinälen, den Kurienchefs und zahlreichen anderen leitenden Angestellten der Vatikanstadt und des heiligen Stuhls die Gehälter. Laut Medienangaben sollen insgesamt etwa 4000 Vatikan-Angestellte von den Kürzungen betroffen sein.

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Staat bezahlt ein bescheidenes Kurzarbeitergeld

Dass auch zahlreiche Prälaten und Spitzenbeamte des Vatikans den Gürtel enger schnallen müssen, ist für den „barista“ (Barmann) Giuseppe Masili ein schwacher Trost. Das beliebte Caffè Leonina an der gleichnamigen Piazza zwischen dem Borgo-Viertel und dem Vatikan-Eingang Porta Anna, wo der 47-Jährige arbeitet, ist als eines der wenigen in der Stadt geöffnet – der Verkauf eines Espresso in einem Plastikbecher oder eines „cornetto“ über die Gasse ist auch im Lockdown erlaubt. Aber der Andrang der Kundschaft ist überschaubar: „Wir haben derzeit Tageseinnahmen von 100 bis 200 Euro – an normalen Ostern sind es 4000 bis 5000 Euro täglich“, sagt Giuseppe. Das Caffè Leonina beschäftigt 14 Mitarbeiter. Im Einsatz sind derzeit ein bis zwei. Der Staat bezahlt ein bescheidenes Kurzarbeitergeld.

Praktisch menschenleer ist auch die Via Conciliazione, die vom Tiber zum Petersplatz führt, und auch die prächtige, von den Säulen Berninis gesäumte Piazza vor der Petersbasilika selber ist verwaist – in den Tagen vor Ostern ein beinahe unwirkliches Bild. Rund um die Piazza liegen Bettler und Obdachlose in den Hauseingängen, ein traumatisierter afrikanischer Bootsflüchtling ruft unentwegt und monoton: „Das Meer ist ruhig, das Meer ist ruhig, halleluja!“ In der sonst herrschenden Stille hallt sein Ruf über den riesigen Petersplatz. Die Obdachlosen sind natürlich nicht nur während des Lockdowns hier, Papst Franziskus hat für sie hinter den Bernini-Kolonnaden vor ein paar Jahren eigens Dusch- und Toilettenanlagen einrichten lassen. Aber normalerweise nimmt man die Ärmsten der Armen in den Touristen- und Pilgermassen kaum wahr. Die Pandemie hat sie sichtbar gemacht, in der ganzen Stadt.

In den Wohnquartieren merkt man wenig von der roten Zone

Nicht überall in Rom ist es so gespenstig menschenleer wie beim Vatikan und im historischen Zentrum: In den Wohnquartieren merkt man wenig von der roten Zone. Die Lebensmittelläden, Apotheken und „tabacchi“ sind geöffnet, die Straßen belebt, in den Stoßzeiten am Morgen und um Feierabend kommt es zuweilen auch zu einem Stau. Das Leben nimmt beinahe seinen gewohnten Gang. Die Leere im historischen Stadtzentrum liegt daran, dass dort kaum noch Römerinnen und Römer wohnen: Sie sind durch astronomische Wohnungspreise und Wuchermieten in den letzten Jahren an die Ränder der Stadt vertrieben worden. Die Pandemie hat auch diese demographische Verarmung auf brutale Art sichtbar gemacht.

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Die Abwesenheit der Touristen und Pilger, die Leere und die Stille haben natürlich auch ihren ganz besonderen Reiz. Der Finanzbeamte Massimo Malusardi hat am Palmsonntag die Gelegenheit benutzt, vom Balduina-Quartier mit dem Bus ins Zentrum zu fahren, um mit seiner Frau Elvira und den beiden schulpflichtigen Söhnen zwischen dem Pantheon, der Piazza Navona und dem kürzlich wieder eröffneten Augustus-Mausoleum einen ausgedehnten Spaziergang zu unternehmen. „Alle diese wunderbaren Monumente und Palazzi einmal nur für sich zu haben, ist schon einzigartig: Wir fühlen uns ein wenig wie die Könige von Rom“, betont Massimo. Aber das sei auch das einzig Gute am Lockdown: „Ich bin im Homeoffice, habe etliche Kilos zugelegt – und die ‚ragazzi‘ haben Fernunterricht. Die Isolation im Alltag macht uns allen zu schaffen.“

Römerinnen und Römer halten sich diszipliniert an Covid-Vorschriften

Trotz der „sofferenza“, des Leidens, das die Restriktionen verursachen, stellt der Familienvater die harte Linie von Ministerpräsident Mario Draghi nicht grundsätzlich in Frage. Im Gegenteil: „Meiner Meinung nach könnten die Schließungen ruhig noch rigoroser sein, damit das Virus schneller besiegt wird“, sagt Malusardi. Wie diszipliniert sich insbesondere die Römerinnen und Römer an die Covid-Vorschriften halten, zeigt auch die geringe Zahl der Übertretungen: Am letzten Wochenende (Freitagabend bis Sonntagabend) wurden in der Drei-Millionen-Einwohner-Stadt am Tiber bei verstärkter Kontrolltätigkeit gerade einmal 90 Bußen und Anzeigen ausgesprochen. Aber natürlich wünscht sich auch Massimo Malusardi, „dass dieser schlimme Albtraum so bald wie möglich vorüber sein wird“.

Ein baldiges Ende der Restriktionen erhofft sich auch die Schweizergarde. Der tägliche 24-Stunden-Dienst als Leib- und Palastwache des Papstes sei vom Lockdown zwar nicht groß betroffen – „aber die Publikumsanlässe und der tägliche Kontakt mit den Gläubigen fehlen uns sehr“, betont Gardeoffizier Urs Breitenmoser. Die Osterfeierlichkeiten des Papstes wurden seuchenbedingt auch in diesem Jahr heruntergefahren, die Zahl der Teilnehmer an den traditionellen Zeremonien und Messen wie schon im vergangenen Jahr auf das Minimum beschränkt. „Das feierliche Osterpikett auf dem vollen Petersplatz ist für alle Gardisten ein großes Erlebnis – aber unsere neuen Rekruten kennen das nur noch vom Hörensagen“, bedauert Breitenmoser. Nach einigen positiven Covid-Abstrichen Ende Oktober/Anfang November sei die Schweizergarde immerhin wieder „Covid-free“.

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Messe statt vor zehntausenden Gläubigen auf dem Petersplatz nun fast allein in der Petersbasilika

Zum Auftakt der Karwoche hat Papst Franziskus am Palmsonntag die erste Messe im Rahmen der Osterfeierlichkeiten gehalten. Sie fand, wie schon im vergangenen Jahr in der ersten Welle der Pandemie, nicht auf dem Petersplatz vor zehntausenden Gläubigen und Pilgern statt, sondern wieder in der Petersbasilika. Praktisch unter Ausschluss des Publikums: Einlass in die größte Kirche der Christenheit fanden wegen der Corona-Präventionsmaßnahmen nur wenige Gläubige und Konzelebranten. Auch die Chrisam-Messe von Gründonnerstag wird ins Innere der Basilika verlegt, die traditionelle Fußwaschung fällt ganz aus. Die Kreuzweg-Zeremonie am Karfreitagabend, die normalerweise vor der imposanten Kulisse des mit Fackeln beleuchteten antiken Kolosseums stattfindet, wird in abgespeckter Form vor der Peterskirche gefeiert. Und auch den Ostersegen Urbi et Orbi werden die meisten Römer am Ostersonntag wieder am TV statt auf dem Petersplatz verfolgen.

Wann Rom und das übrige Italien endlich wieder ins normale Leben zurückkehren werden, weiß derzeit niemand. Die Region Latium wurde zwar wegen der günstigen Entwicklung der Fallzahlen an diesem Dienstag für ein paar wenige Tage von rot auf orange zurückgestuft – aber für die Osterfeiertage hat die Regierung von Mario Draghi wieder im ganzen Land einen strengen Lockdown verhängt: Über 100.000 Covid-Tote in Italien seit Beginn der Pandemie vor einem Jahr sind eine deutliche Warnung, 900 neue Infektionen täglich allein in Rom und die steigende Belegung in den Intensivstationen ebenfalls. „Es wird wohl Herbst werden, bis sich hier – vielleicht – wieder Menschenschlangen bilden werden“, sagte der „vigile“ am Eingang der vatikanischen Museen.

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