Entsetzen nach illegalem Karnevalsumzug in Thüringer Corona-Hotspot
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Eine Karnevalströte liegt am Straßenrand im Zentrum von Jüchsen.
© Quelle: Michael Reichel/dpa
Jüchsen. Ein illegaler Umzug von Karnevalisten im thüringischen Landkreis Schmalkalden-Meiningen sorgt für Empörung. „In den aktuell so schwierigen Corona-Zeiten ist dies einfach verantwortungslos und rückt den organisierten Karneval in ein völlig falsches Licht“, erklärte der Landesverband Thüringer Karnevalvereine am Montag. Am Sonntag hatte erst die Polizei dem Treiben ein Ende gesetzt, nachdem bis zu 90 Teilnehmer bei einem Umzug im Ortsteil Jüchsen der Gemeinde Grabfeld zusammengekommen waren.
Auch Landrätin Peggy Greiser (parteilos) war entsetzt. „Es ist angesichts der aktuellen ernsten Lage absolut verantwortungslos und nicht zu tolerieren, was in Jüchsen passiert ist“, äußerte sie. „In den Krankenhäusern kämpfen Ärzte und Pfleger um unzählige Menschenleben, daheim bangen viele um ihre wirtschaftliche Existenzen und hier wird munter Karneval gefeiert.“ Es sei eine organisierte illegale Veranstaltung gewesen, bei der teilweise Mindestabstände nicht eingehalten und keine Mund-Nasen-Bedeckungen getragen worden seien.
Karnevalsverband weist Aufforderungen von Querdenkern zurück
Scharfe Kritik gab es am Montag auch vom Bund Deutscher Karneval (BDK). Mit einem solch „unsolidarischen Verhalten“ würden „angebliche Karnevalisten“ nicht nur die Gesundheit anderer gefährden, sondern auch dem Brauchtum und dem Ruf von Fasching, Fastnacht und Karneval insgesamt Schaden zufügen, teilte der BDK im saarländischen Bexbach mit. Der Bund betonte, in der Corona-Pandemie müssten sich alle in Vereinen organisierten Karnevalisten und auch privat zusammenkommende Narren an die Schutzregeln halten.
Zudem wies der Verband Aufforderungen von Querdenkern und ähnlichen Gruppen zurück, am Fastnachtssonntag oder Rosenmontag Protestveranstaltungen und Rathauserstürmungen zu organisieren, um gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie zu demonstrieren. „Wir verweisen mit Nachdruck darauf, dass es zwischen Idiotie und Narrheit einen ganz wesentlichen Unterschied gibt und dass sich ein Bundesverband wie der BDK von niemandem instrumentalisieren lässt. Schon gar nicht von solchen, deren Gesinnung und Gedankengut er auf keinen Fall teilt“, sagte Fess. Der BDK zählt mehr als 2,6 Millionen Mitglieder in gut 5300 Vereinen und Zünften bundesweit.
Landrätin kündigt hartes Durchgreifen an
Wie ein Polizeisprecher sagte, weist Jüchsen den höchsten Wochenwert an Corona-Infektionen je 100 000 Einwohnern in Thüringen auf und gelte demnach als Hotspot. Nach Angaben des Polizeisprechers hatten sich die Teilnehmer des Umzugs über Soziale Netzwerke verabredet. Auch Pferde und teils geschmückte Fahrzeuge seien an dem Umzug beteiligt gewesen.
Wie das Landratsamt mitteilte, wurden drei Strafanzeigen wegen Beleidigung und Widerstand gegen Polizeibeamte erstattet. Landrätin Greiser kündigte an, die Identitäten der Beteiligten sollten festgestellt und die Verstöße gegen die Corona-Schutzverordnung geahndet werden. Auch für den Fall möglicher Nachahmungstaten in anderen Orten seien empfindliche Strafen zu erwarten.
Freiheitsstrafen von bis bis zu drei Jahren drohen
Der Mitteldeutsche Rundfunk berichtete unterdessen, Jüchsens Ortsteilbürgermeisterin Beate Heßler habe den Polizeieinsatz als unverhältnismäßig bezeichnet. Hätten die Beamten die Teilnehmer gewähren lassen, wäre die Sache nach drei Minuten vorbei gewesen, zitierte der Sender die Ortsteilbürgermeisterin. Durch das große Polizeigroßaufgebot werde die Sache viel zu sehr aufgebauscht. Heßler habe erklärt, sie könne nicht einschätzen, ob die Teilnehmer des Umzuges Masken trugen oder die Abstände gewahrt hätten.
Die Polizei machte deutlich, dass es bei einem illegalen Karnevalsumzug nicht um eine Dummheit geht. Aus strafrechtlicher Sicht könne der Tatbestand der Nötigung erfüllt sein, der mit einer Freiheitsstrafe von bis bis zu drei Jahren geahndet werden könnte. Eine Gefährdung des Straßenverkehrs durch einen solchen Umzug und die Teilnehmer könne für einen festgestellten Täter bis zu fünf Jahre Freiheitsstraße oder Geldstrafe und die Beschlagnahme des Führerscheins nach sich ziehen.
RND/dpa