Erdbebenkatastrophe: Nahm die Türkei Warnungen von Experten nicht ernst genug?
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Rettungskräfte suchen nach Menschen in den Trümmern eines zerstörten Gebäudes in Adana in der Türkei.
© Quelle: Khalil Hamra/AP/dpa
Berlin. Nach den schweren Erdbeben in der türkisch-syrischen Grenzregion hat sich die deutsche Bauexpertin Lamia Messari-Becker für eine bessere Katastrophenvorsorge in Europa ausgesprochen. Unterdessen kritisiert ein führender türkischer Ingenieurgeologe mangelhafte Vorbereitungen seines Landes auf eine Katastrophe wie die am Montag. Bei den schweren Erdbeben in der türkisch-syrischen Grenzregion sind mindestens 4400 Menschen gestorben.
Europa brauche dringend eine länderübergreifende Strategie, weiter angepasste erdbebensichere Bauvorschriften und Nachrüstungen im Gebäudebestand, sagte Bauingenieurin Messari-Becker, Professorin für Gebäudetechnologie und Bauphysik an der Uni Siegen, der Deutschen Presse-Agentur. „Die Dynamik der Plattentektonik in der Gegend war bekannt.“ Dort kämen einige Platten zusammen, zum Beispiel die Anatolische und Arabische Platte. „Anerkannt ist, dass sich viele Platten bewegen und enorme Spannungen aufbauen. Überschreiten diese Spannungen die Gesteinsfestigkeit, entladen sie sich ruckartig. Die Einschätzungen zu Erdbebenrisiken in der Türkei wurden 2013 sogar nach oben korrigiert. Es war daher leider nur eine Frage der Zeit, wann sich solche Erdbeben ereignen.“
Was die Schäden angehe, komme es wesentlich auf die Verletzlichkeit betroffener Zonen und Städte an, die Untergrundbeschaffenheit, die Fundamentierung und Bauweise der Gebäude, die Bebauungsdichte, die Katastrophenvorsorge und Ad-hoc Rettungsmaßnahmen, sagte Messari-Becker.
Vor laufenden Kameras: Zweites Erdbeben lässt Wohngebäude einstürzen
Moment der Panik in Malatya. Die Stadt in der osttürkischen Region Anatolien ist am Montagmittag erneut von einem schweren Beben erschüttert worden.
© Quelle: Reuters
„Das ist inakzeptabel“
Unterdessen kritisierte Huseyin Alan, der Vorsitzende der türkischen Kammer für Ingenieurgeologie, dass die Regierung Warnungen von Experten nicht ernst genug genommen habe. „Keines der Ämter, weder das Präsidialamt noch die lokalen Verwaltungen, haben unseren Bericht zur Kenntnis genommen, in dem wir auf die Notwendigkeit von Bodenuntersuchungen vor dem Bau von Gebäuden hingewiesen haben“, sagte er dem Nachrichtenmagazin „Spiegel“. „Der Flughafen Hatay zum Beispiel liegt auf einer Demarkationslinie – das ist inakzeptabel.“
Nach der schwersten Erdbebenkatastrophen der letzten Jahrzehnte sind in der Südtürkei und Nordsyrien mehrere Tausend Tote zu befürchten. Die Zahl der Opfer wurde am Montagabend mit mehr als 2500 angegeben. Das tatsächliche Ausmaß war aber zunächst nicht absehbar, da wohl noch Hunderte verschüttet waren. Mehr als 13.500 Menschen in der Türkei und in Syrien wurden nach bisherigen Informationen verletzt.
RND/dpa/seb