Finnland, Schweden, Dänemark, Norwegen, Island: warum das Glück im Norden zu Hause ist
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Traumhafter Ausblick auf den Lofoten-Inseln.
© Quelle: picture alliance / Bildagentur-o
Berlin. Und der Gewinner heißt: Nordeuropa. Wie jedes Jahr, wenn der World Happiness Report der Vereinten Nationen vorgestellt wird.
Dieses Jahr haben die Finnen ihre Nasen im seit 2012 jährlich erstellten Ranking der weltweit glücklichsten Nationen vorn. So war es auch im vergangenen Jahr. Davor waren es die Dänen. Immer zuverlässig unter den Top Ten sind ebenfalls die nordeuropäischen Nachbarn Norwegen, Schweden und Island.
Das Glück ist anscheinend im Norden Europas zu Hause – ausgerechnet dort, wo die Sommer kurz sowie die Winter lang und dunkel sind. Warum ist das so?
Der Weltglücksbericht der Vereinten Nationen ist kein gefühliges Geschwurbel. Er wird von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verschiedener internationaler Forschungseinrichtungen auf Basis von Umfragen des renommierten Instituts Gallup veröffentlicht. Die Daten schließen jeweils die vergangenen drei Jahre ein.
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Schlüssel zum Glück
Die Forschenden haben für das Glücksempfinden sechs Schlüsselfaktoren herausgefiltert: soziale Unterstützung, Einkommen, Gesundheit, Freiheit, Großzügigkeit und die Abwesenheit von Korruption. Glücklicher sind die Menschen dem Bericht zufolge generell in Ländern, in denen Glück und Wohlbefinden möglichst gleichmäßig in der Bevölkerung verteilt sind.
Professor Stephan Michael Schröder, Leiter des Instituts für Skandinavistik/Fennistik der Universität Köln, ist nicht sehr glücklich darüber, dass die UN ihr Ranking Happiness Report genannt hat. „Das Ergebnis hat ja nicht so viel mit dem Glück als Emotion zu tun, sondern resultiert zum Teil aus subjektiven Befindlichkeiten und teils aus objektiven Daten.“
Schröder spricht von Zufriedenheit, die vielen Nordeuropäern innewohnt. „Sie fühlen sich sicher, die Verwaltung arbeitet sehr professionell und digital, die Menschen haben Vertrauen zueinander“, sagt der Skandinavien-Experte. Das langjährige Wohlfahrtsstaatssystem gebe es zwar nicht mehr in dem Maße wie im vergangenen Jahrhundert. Es wirke jedoch nach.
Glück treibt Wirtschaft an
Das UN-Ranking spiegele deshalb auch das Selbstverständnis wider, das viele Menschen im Norden in sich tragen. Sie würden ihre Länder modern und positiv regiert sehen. Dazu zählten schon viel länger als im Rest Europas Chancengerechtigkeit, Gleichstellung oder vorbildliche Kinderbetreuung. „Viele“, so Schröder, „möchten in keinem anderen Staat leben.“
Maike van den Boom ist Glücksforscherin und lebt seit vier Jahren in der schwedischen Hauptstadt Stockholm. Sie hat die 13 glücklichsten Länder der Erde bereist und darüber geschrieben. Die 52-jährige gebürtige Heidelbergerin beobachtet jedoch auch aufmerksam die Arbeitswelt in Skandinavien. Ihr Fazit: „Die Kernwerte des Glücks sind die des Nordens. Sie sind der Motor für nachhaltigen wirtschaftlichen sowie gesellschaftlichen Fortschritt.“
Gelassenheit, Mut, Vertrauen
Van den Boom zählt dazu Gelassenheit, Mut, hohes Vertrauen in Mitmenschen und ein eher geringer ausgeprägtes Sicherheitsbedürfnis. „In Deutschland vertrauen 30 Prozent ihren Mitmenschen, in Dänemark sind es 70 Prozent.“ Sie führt das auf eine Art Wikinger-Mentalität zurück, den Zusammenhalt. „Dabei“, so van den Boom, „geht es nicht darum, der oder die Beste zu sein, sondern gemeinsam die beste Lösung zu finden.“
Einen Grund sieht sie im Bildungsbereich, der weniger akademisiert sei als beispielsweise in Deutschland. „Wissen ist in Skandinavien wichtig, noch wichtiger jedoch ist das Verstehen. Lehrer sehen sich nicht als diejenigen, um die beste Leistung aus einem Schüler herauszuholen“, hat die Neu-Schwedin beobachtet. „Sie sind eher ein Freund, der hilft, die Persönlichkeit des Schülers zu entwickeln.“
Bundeskanzler fasziniert vom Bruttonationalglück
Der Politikwissenschaftler und Trainer für Positive Psychologie, Christian Thiele, nennt vier Punkte, die in Nordeuropa hervorstechen. „Der Wohlfahrtsstaat funktioniert, es existiert eine starke soziale Verbindung der Bürgerinnen und Bürger, die Kluft zwischen glücklichen und weniger glücklichen Menschen ist gering, öffentlicher Dienst und Rechtsstaat geben Sicherheit.“
Thiele glaubt, dass sich eine Politik, die etwa leichten Zugang zu Bildung oder einer gesunden Umwelt gewährleistet, auch dem Glück verschreibt. „Bhutan hat als erstes Land der Erde damit angefangen, das Bruttonationalglück zu messen, Großbritannien und Neuseeland ziehen bereits in einigen Ministerien nach. Es wäre gut, wenn überall ein wenig mehr Glückspolitik betrieben würde.“
Zufall oder nicht? Vor wenigen Tagen erst traf Bundeskanzler Olaf Scholz Bhutans Ministerpräsidenten Lotay Tshering. „Bei der Messung von Wohlstand spielt Bhutan eine Vorreiterrolle“, sagte der SPD-Politiker danach. „Bhutans Idee, das Glücksgefühl seiner Bürgerinnen und Bürger einzubeziehen, ist faszinierend.“
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Bundeskanzler Olaf Scholz (r., SPD) und Lotay Tshering, Premierminister des Königreichs Bhutan, kommen zu einer Pressekonferenz nach ihrem Gespräch im Bundeskanzleramt.
© Quelle: Bernd von Jutrczenka/dpa
Hohe Suizidrate in Finnland
Schwer erklärlich ist hingegen für Glücksforscher und Psychologen, dass ausgerechnet in den Glücksländern des Nordens die Suizidraten relativ hoch sind. 2019 gab es in Finnland 15,3 und in Schweden 14,7 Fälle pro 100.000 Einwohner – in Deutschland 12,3.
„Die Forschung hat hier noch viele Lücken“, meint Psychologe Thiele. „Man kann aber vermuten, dass dort, wo sehr viele im Mittelwert glückliche Menschen leben, die eigene Unzufriedenheit deprimierender wahrgenommen wird als anderswo.“ Faktoren seien sicherlich dabei auch der Zugang zu Schusswaffen und der Alkoholkonsum. Letzterer sei in Finnland ebenfalls hoch.