So geht es den Überlebenden der Naturkatastrophe

Fünf Wochen nach der Eruption: ungewisse Zukunft für Überlebende in Tonga

Fünf Wochen ist es her, dass der Unterseevulkan ausbrach.

Fünf Wochen ist es her, dass der Unterseevulkan ausbrach.

Wellington. Die ersten beiden Explosionen waren schon erschreckend genug. Doch der dritte Knall war so kolossal, dass alle instinktiv losrannten. Die Reaktion erwies sich als richtig – fast das ganze Dorf konnte sich gerade noch rechtzeitig in Sicherheit bringen. Doch der Schock sitzt tief, vor allem bei den Kindern. Noch heute, gut fünf Wochen nach der Katastrophe, rennen sie oft los oder gehen in Deckung, wenn sie ein lautes Geräusch hören.

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Die kleine Insel Mango liegt besonders nah an dem Ort im Pazifik, an dem am 15. Januar der Vulkan Hunga Tonga-Hunga Ha‘apai ausbrach. Die Eruption war so heftig, dass sie sogar im Tausende Kilometer entfernten Alaska noch zu hören war. Satellitenbilder von der gigantischen Rauchwolke gingen um die Welt. Auf Mango regnete es Asche, auch kleine Steine fielen vom Himmel herab. Dann wurde die Insel von einem Tsunami überflutet.

Überlebende leben in einem Gemeindesaal

Die 62 Überlebenden wurden später nach Nuku‘alofa, der Hauptstadt des Inselstaates Tonga, gebracht. Dort leben sie seitdem alle gemeinsam im Gemeindesaal einer Kirche. Die meiste Zeit galt für sie ein Lockdown, weil im Rahmen der internationalen Hilfseinsätze auch das Coronavirus nach Tonga gekommen war. Zwei der Geretteten sprechen mit der Nachrichtenagentur AP darüber, was sie erlebt haben – und wie es nun für sie weitergehen könnte.

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Mango sei der schönste Ort, den er kenne, sagt der 52-jährige Sione Vailea. Nur 14 Familien hätten auf der kleinen Insel gelebt, alle nah beieinander in einem einzigen Dorf. Jede Familie habe ein kleines, offenes Boot besessen. Jeden morgen seien sie damit, sofern das Wetter es erlaubt habe, rausgefahren, um zu fischen. Was sie nicht selbst hätten essen können, hätten sie in der Hauptstadt verkauft und auf diese Art Geld für andere Nahrungsmittel und Gebrauchsgüter verdient.

Der nur etwas mehr als 30 Kilometer von Mango entfernte Hunga Tonga-Hunga Ha‘apai war zuletzt im Jahr 2014 ausgebrochen. Damals war im Meer eine neue Insel entstanden, für kurze Zeit gab es einige Beeinträchtigungen für den Flugverkehr in der Region. Doch die jüngste Eruption an jenem Samstagabend im Januar stellte die vorherige weit in den Schatten.

Erst war da der Knall

Als die Menschen auf Mango den dritten Knall hörten, verließen sie ihre Häuser in dem tief liegenden Dorf in Richtung eines Hügels. „Es gab keine direkten Anzeichen dafür, dass es einen Tsunami geben würde. Aber unser Bauchgefühl sagte uns, dass wir nach oben mussten. Denn wir konnten nicht wissen, was gerade passierte“, sagt Vailea. Auf dem Hügel angekommen, sei ihm aufgefallen, dass eine Familie gefehlt habe.

Ein anderer Überlebender, der 72-jährige Sulaki Kafoika, beschreibt, wie die Inselbewohner von dem Hügel aus die vollständige Zerstörung ihres Dorfes mit ansehen mussten. Die Wellen seien gegen die Häuser geschlagen, beim Brechen hätten sie über die Dächer hinaus geragt, sagt er. Nie zuvor in seinem Leben habe er so etwas erlebt.

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Als Vailea noch einmal ein Stück den Hügel herunter ging, um nach der fehlenden Familie zu schauen, kamen ihm die Frau und drei Kinder eines 65-jährigen Mannes entgegen. Der Mann selbst war von den Fluten mitgerissen worden. „Er war das erste Opfer des Tsunamis“, sagt Vailea.

Die Naturkatastrophe forderte Todesopfer

Zwei weitere Menschen kamen später auf anderen Inseln des Landes ums Leben. Eine vierte Person starb nach Angaben der Behörden an den Folgen eines von der Katastrophe ausgelösten Traumas. Der Tsunami überquerte noch den gesamten Pazifik und verursachte schließlich im südamerikanischen Peru eine Ölpest und zwei weitere Todesopfer.

Auf der Insel Mango setzte kurz nach der Katastrophe die Dunkelheit ein. Die Menschen blieben die ganze Nacht auf dem Hügel. Alle Telefon- und Internetverbindungen waren unterbrochen. Als der Morgen kam, gingen sie herunter. Sie fanden die Leiche des ertrunkenen Mannes und gruben ihm ein provisorisches Grab. Nicht nur die Häuser waren zerstört, sondern auch alle Boote. Zudem waren die meisten Nahrungsvorräte weggeschwemmt worden.

Lediglich zwei kleine Beutel mit Reis hätten sie im Dorf noch gefunden, sagt Vailea. Diesen hätten sie gekocht und den Kindern gegeben. Die Erwachsenen hätten zwei Tage lang gar nichts gegessen. Erst am Dienstagmorgen sei ein Boot von einer Nachbarinsel angekommen – und die „Nachbarn“ hätten vorsorglich etwas Maniok und Kochbananen mitgebracht. „An einem normalen Tag würde man es nicht als gutes Essen bezeichnen. Aber an diesem Dienstag war es etwas ganz Besonderes“, sagt der 52-Jährige.

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Einen Tag später wurden alle Bewohner von Mango zunächst auf die Insel Nomuka gebracht und von dort dann in die Hauptstadt. Bis zum vergangenen Sonntag waren sie wegen des Coronavirus-Ausbruchs in Quarantäne, was für die Überlebenden eine zusätzliche Belastung war. Was sie aber vor allem plagt, ist die Ungewissheit. Denn noch haben die Behörden des Landes nicht entschieden, ob ein Wiederaufbau auf Mango infrage kommt.

Laut Vailea sind sich auch nicht alle sicher, ob sie überhaupt zurückkehren wollen. Einige würden es inzwischen vorziehen, in Nuku'alofa oder anderswo einen Neustart zu wagen, sagt er. Auch der 72-jährige Kafoika ist noch unschlüssig. Er habe auf der Insel Mango all die schönen Dinge in seinem Leben erlebt, betont er. Aber zugleich mache er sich Sorgen, dass der Vulkan ein weiteres Mal ausbrechen könnte.

RND/AP

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