Für spielsüchtigen Rentner ist die Pandemie der Weg aus der Krise
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Das Spiel mit der Sucht: Ein Mann daddelt an Automaten.
© Quelle: Unsplash/impulsQ GmbH/obs
Für den Rentner aus Rostock, die „Ostsee Zeitung“ (OZ) nennt ihn mit geändertem Namen Peter Müller, scheint die Corona-Krise zumindest in finanzieller Hinsicht ein Glücksfall zu sein. Der Lockdown hat den 66-Jährigen zwangsweise von seiner Spielsucht befreit – weil alle Spielhallen geschlossen sind, erzählt er der Zeitung seine Geschichte.
200 bis 300 Euro habe der Mann jeden Monat in Automaten verdaddelt. „Ich habe in den 80er-Jahren angefangen, auf einem Fährschiff“, sagt der Rostocker, der von rund 900 Euro Rente lebt, der „OZ“. Als nach der Wende die ersten Spielhallen öffneten, die es in der DDR nicht gab, wurde er schnell zum Stammgast. Und dann begann eine typische Spielerkarriere: Die Ehe zerbrach, Geldnot wurde ein ständiger Begleiter, so Müller.
Er will nie wieder eine Spielhalle betreten
Zumindest kam es nicht zum völligen Absturz. Dennoch: „Wenn ich das ganze Geld gespart hätte, könnte ich heute in einer Eigentumswohnung leben“, wird der ehemalige Hochbaufacharbeiter, der wegen einer Erwerbsunfähigkeit vorzeitig in Rente ging, zitiert. Nun habe ihn Corona geheilt und sein Entschluss stehe fest, auch nach dem Lockdown nie wieder eine Spielhalle zu betreten.
Cathleen Mehl von der Rostocker Suchtberatungsstelle der Volkssolidarität ist skeptisch. Sie hat in letzter Zeit öfter solche Geschichten gehört. Und tatsächlich sei die Zwangspause für die Betroffenen gut, sagt sie der „OZ“. Doch sie weiß aus 25 Jahren Erfahrung: „Es wird schwierig, wenn die Spielhallen wieder öffnen.“ Der Auslöser für die Sucht sei ja nach wie vor da.
Die Expertin teilt die Spielsüchtigen in drei Gruppen ein: Da wären zum einen die Älteren, die nur an Automaten zocken. Dann die Leute mittleren Alters, die sowohl am Automaten als auch im Internet spielen. Zu der dritten Gruppe der Süchtigen zählen meist sportaffine Männer unter 30 Jahren, die sich mit Sportwetten finanziell ruinierten. Erst vor ein paar Tagen saß ein junger Mann in ihrem Büro, so berichtet sie der „OZ“, der Kredite über 60.000 Euro aufgenommen hatte, um seine Sucht zu finanzieren.
Sorge über den neuen Glücksspielvertrag
Wenn die Betroffenen bei Cathleen Mehl erst einmal in der Beratungsstelle landen, haben sie meist eine lange Suchtkarriere mit allen Nebenwirkungen hinter sich. Die Expertin äußerte in der „OZ“ ihre Sorge über den neuen Glücksspielstaatsvertrag, der Internetkasinos und Sportwetten legalisieren soll. Der könnte wie eine Art staatliches Gütesiegel wirken, das die Hemmschwelle für gefährdete Personen weiter senkt. Die Anbieter bereiten sich indes mit großangelegten Werbekampagnen auf das Milliardengeschäft vor – Oliver Kahn oder der Popsänger H P Baxter von „Scooter“ sollen Lust aufs Glücksspiel machen. Für die Rostockerin bedeutet es, dass in Zukunft viel Arbeit auf sie zukommen wird.
RND