Glückwunsch, Fahrrad
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Im Laufschritt auf großer Fahrt: Mit der Draisine wurden die Menschen im 19. Jahrhundert plötzlich wieder mobil.
© Quelle: dpa
Mannheim. Man hätte schon viel eher drauf kommen können. Aber wieder mal machte erst die Not erfinderisch – und im frühen 19. Jahrhundert war die Not in Europa groß: Die Asche des Vulkans Tambora hing wie eine tödliche Glocke über der Erde, schirmte das Sonnenlicht ab und provozierte Kälte, Missernten, Hungersnöte. Es fehlte an allem, auch an Futter für die Tiere, und so wurde das allgegenwärtige Verkehrsmittel Pferd plötzlich zum Luxusgut.
Zu Fuß gehen schien dem Mannheimer Erfinder Karl von Drais aber auch keine Alternative. Also tüftelte er so lange herum, bis er die Draisine kreiert hatte: ein hölzernes Laufrad, mit dem er am 12. Juni 1817 zur ersten öffentlichen Fahrt startete. Auf einem unbequemen hölzernen Sitz thronte der 32-Jährige, stieß sich mit den Füßen ab und brachte es mit dem 22 Kilogramm schweren Gefährt immerhin auf ein Tempo von 15 Kilometern pro Stunde. Die Vorführung machte mächtig Furore, schon bald kamen die ersten Mutigen und bestellten eine Draisine.
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Von den Geschwindigkeiten, die 200 Jahre später auf Zweirädern möglich sind, hätte von Drais indes nicht im Mindesten zu träumen gewagt: Im September 2016 stieg der Kanadier Todd Reichert im US-Bundesstaat Nevada auf sein längliches, eiförmiges Spezialrad und schaffte damit das Rekordtempo von 144,17 Kilometern pro Stunde. Auch die Verkaufszahlen allein in Deutschland hätten dem wackeren Mannheimer vermutlich die Tränen in die Augen getrieben. Jedes Jahr werden laut Zweirad-Industrie-Verband rund vier Millionen Räder verkauft, die Gesamtbranche inklusive Tourismus steht für einen Jahresumsatz von rund 16 Milliarden Euro. Auf den Straßen zwischen Flensburg und Passau sind geschätzte 73 Millionen Radfahrer unterwegs, davon mittlerweile drei Millionen mit E-Bikes. Die werden immer beliebter, die Hersteller kalkulieren, dass bald jeder dritte Käufer ein Modell mit Hilfsmotor wählen wird.
Der Mann, der all das überhaupt erst möglich machte, hatte nicht viel von seiner Idee. Ein paar Exemplare seiner Draisine konnte er verkaufen, dann traten aber schon die ersten Nachahmer auf den Plan und boten ihre Modelle zu einem günstigeren Preis an – am Ende starb Karl von Drais 1851 als armer Mann.
Von Stefanie Gollasch