Kampf gegen häusliche Gewalt in Frankreich – von Minister, dem selbst Vergewaltigung vorgeworfen wurde

Gegen häusliche Gewalt sollen in Frankreich nun weitere Maßnahmen getroffen werden. (Symbolbild)

Gegen häusliche Gewalt sollen in Frankreich nun weitere Maßnahmen getroffen werden. (Symbolbild)

Paris. Jeder Versuch von Chahinez Boutaa, ihrem Ehemann und Peiniger zu entkommen, misslang – und auch der Staat half ihr nicht. Nachdem Mounir Boutaa im Juni 2020 wegen häuslicher Gewalt zu einer Freiheitsstrafe von 19 Monaten, davon neun auf Bewährung, verurteilt worden war und eigentlich nicht in Kontakt mit seiner Frau treten durfte, tat er dies ab seiner Haftentlassung dennoch. Im März dieses Jahres erstattete Chahinez Boutaa nach einer brutalen Misshandlung durch ihn erneut Anzeige. Und doch passte er sie am 4. Mai vor ihrem Haus in Mérignac bei Bordeaux, wo sie mit den drei gemeinsamen Kindern lebte, ab. Er schoss ihr in die Beine, bis sie zusammenbrach, übergoss sie mit einer brennbaren Flüssigkeit und zündete sie an. Die 31-jährige Algerierin verbrannte auf offener Straße. Er habe „seine Frau ein bisschen anzünden” wollen, um sie zu bestrafen, sagte Mounir Boutaa später aus.

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Eine Untersuchung deckte in der Folge etliche Nachlässigkeiten und Fehler bei der Koordinierung der zuständigen Stellen auf. Demnach hätte der grausame Tod der jungen Frau verhindert werden können, hätten die Behörden angemessen reagiert. Auch wurde bekannt, dass der Polizeibeamte, der ihre Klage aufnahm, selbst wegen häuslicher Gewalt zu einer achtmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt worden war und es laut Bericht „ernsthafte Zweifel an seiner Sorgfältigkeit” gab. Frauenschutzvereine klagten die „Tatenlosigkeit des Staates” an.

2020 wurden 102 weibliche und 23 männliche Opfer gezählt

In Frankreich stirbt ungefähr an jedem dritten Tag eine Person durch die Hand des (Ex-)Partners oder der (Ex-)Partnerin – 2020 wurden 102 weibliche und 23 männliche Opfer gezählt. In 18 Prozent der Fälle war dem Mord eine Anzeige vorausgegangen. Zwar handelt es sich um den tiefsten Stand seit 15 Jahren, trotzdem kündigte Innenminister Gérald Darmanin nun neue Maßnahmen im Kampf gegen häusliche Gewalt an.

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Künftig gelten Anzeigen in diesem Bereich als prioritär, sagte er der Zeitung „Le Parisien”: „Das heißt, sie werden vor allen anderen Anzeigen behandelt: vor den Einbrüchen, den Drogen, den Raubüberfallen.” Im vergangenen Jahr habe es landesweit mehr als 400.000 Einsätze wegen häuslicher Gewalt, in den überwiegenden Fällen gegen Frauen, gegeben – also 45 pro Stunde. Es vergehe kein Tag, ohne dass die Einsatzkräfte Frauen oder Kinder befreien müssten, so Darmanin.

In jedem Kommissariat soll es künftig einen Spezialisten geben

In jedem Kommissariat und jeder Brigade soll es künftig eine Spezialistin oder einen Spezialisten für den Bereich geben. Anzeigen können auch online erstattet werden und eine neue Handy-Applikation kommt im September. Außerdem soll das entsprechende Personal aufgestockt und der Beruf attraktiver gemacht werden, um der hohen Zahl an Verfahren – 2020 waren es 193.000 – zu begegnen.

Zwar gibt sich Darmanin nun als entschlossener Vorkämpfer zum Schutz von Frauen in Gefahr – Feministinnen halten den 38-Jährigen aber für unglaubwürdig in dieser Rolle. 2018 beschuldigte ihn eine Frau, er habe einige Jahre zuvor als Gemeinderat der Stadt Tourcoing sexuelle Dienste von ihr verlangt, damit sie im Gegenzug eine Sozialwohnung und einen Job in der Gemeinde bekam. Auch eine andere Frau zeigte ihn wegen Vergewaltigung an, nachdem sie ihn um Hilfe bei der Streichung einer vorherigen Verurteilung aus ihrem Strafregister gebeten hatte. Vorermittlungen waren eingestellt worden, doch für Frauenrechtlerinnen bleibt Darmanin die falsche Person, um Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen.

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