Messerattacke in Regionalzug

SH-Innenministerin mahnt: „Noch ist vieles unklar“ – Verdächtiger bereits mehrfach straffällig

Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) spricht im Innen- und Rechtsausschuss des Kieler Landtages zu den Ermittlungen nach einer Messerattacke im Zug zwischen Kiel und Hamburg.

Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) spricht im Innen- und Rechtsausschuss des Kieler Landtages zu den Ermittlungen nach einer Messerattacke im Zug zwischen Kiel und Hamburg.

Kiel. Nach dem tödlichen Messerangriff in einem Zug bei Brokstedt hat Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) vor vorschnellen politischen Forderungen gewarnt. „Aufgrund des sehr dynamischen Tatverlaufs ist vieles unklar“, sagte Sütterlin-Waack am Donnerstag in Kiel. Ergebnisse einer Vernehmung des mutmaßlichen Täters gebe es noch nicht, so dass die Hintergründe noch unklar seien und man nichts zum Motiv sagen könne. „Auch ich habe viele Fragen“, sagte die Ministerin.

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Der mutmaßliche Täter, gegen den am Donnerstagnachmittag Haftbefehl erlassen wurde, galt nach Angaben der Staatsanwaltschaft nicht als Intensivtäter. Der 33-Jährige habe drei Vorstrafen gehabt, sagte Itzehoes Leitender Oberstaatsanwalt Carsten Ohlrogge. Zuvor hatte er in einer Sondersitzung des Innenausschusses bereits berichtet, dass der Mann unter anderem wegen einer gefährlichen Körperverletzung verurteilt worden war. Auffällig geworden war er aber in Nordrhein-Westfalen und Hamburg, in Schleswig-Holstein gab es den Ermittlern zufolge keine Verfahren gegen den Verdächtigen.

Laut dem Düsseldorfer Flüchtlingsministerium war der Verdächtige von Januar 2015 bis Ende 2020 in NRW gemeldet. Nach dpa-Informationen wurde er in dieser Zeit mehrfach wegen verschiedener Straftaten auffällig. Laut Sicherheitskreisen ging es unter anderem um Verfahren wegen Bedrohung, Körperverletzung, Sachbeschädigung, Ladendiebstahls und sexueller Belästigung. Mehrere Medien hatten zuvor berichtet. Laut „Bild“ spielten sich die Taten zwischen 2015 und 2020 in Euskirchen, Bonn, Bad Münstereifel und Köln ab.

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Verdächtiger bereits wegen Messertat in Hamburg verurteilt

Wegen einer anderen Messertat saß der Mann in Hamburg ein Jahr in Untersuchungshaft. Er sei am 18. August 2022 vom Amtsgericht Hamburg-St. Georg zu einem Jahr und einer Woche wegen gefährlicher Körperverletzung und Diebstahls verurteilt worden, teilte Gerichtssprecher Kai Wantzen am Donnerstag mit. Dem nicht rechtskräftigen Urteil zufolge hatte der heute 33-Jährige am 18. Januar 2022 einen Mann vor einer Hamburger Obdachlosenunterkunft mit einem Messer angegriffen und verletzt. Beide hätten in einer Schlange zur Essensausgabe gestanden und seien in Streit geraten.

Gegen das Urteil legte der 33-Jährige Berufung ein. Das Landgericht habe zunächst Nachermittlungen veranlasst, außerdem habe es terminliche Schwierigkeiten mit einem Sachverständigen gegeben. Deswegen habe ein Termin für einen neuen Prozess nicht angesetzt werden können. Weil die Dauer der Untersuchungshaft die Strafe des Amtsgerichts zu überschreiten drohte, habe das Landgericht den Haftbefehl am 19. Januar aufgehoben. Da nur der Verurteilte Berufung gegen das Urteil eingelegt hatte, hätte das Landgericht keine längere Haftstrafe aussprechen dürfen, erklärte Wantzen.

Faeser fordert nach tödlichem Messerangriff in Regionalzug schnelle Aufklärung
Bundesministerin für Inneres und Heimat Nancy Faeser.

Die Tat müsse laut Innenministerin Nancy Faeser „schnell aufgeklärt werden“. Besonderen Dank sprach sie am Donnerstag den Einsatzkräften vor Ort aus.

Bereits Ende 2021, also wenige Wochen vor der Tat vor der Obdachlosenunterkunft, sei der 33-Jährige in Hamburg erstmals polizeilich in Erscheinung getreten, sagte der Sprecher der Innenbehörde, Daniel Schaefer. Es sei dabei um Körperverletzung gegangen.

Mutmaßlicher Angreifer aus Regionalzug war nicht ausreisepflichtig

Nach Angaben des NRW-Flüchtlingsministeriums war der Mann am 24. Dezember 2014 in die Bundesrepublik eingereist. Als staatenloser Palästinenser wurde ihm der sogenannte subsidiäre Schutzstatus zuerkannt. Das heißt, der Mann konnte Gründe vorbringen, warum man ihn nicht abschieben sollte. Das kann zum Beispiel drohende Folter im Herkunftsland sein. Am 29. Januar 2015 wurde er laut Ministerium in Bad Münstereifel gemeldet. Im Mai 2017 zog er demnach nach Euskirchen um. „Am 1.12.2020 erfolgte die Abmeldung nach unbekannt“, so das Ministerium. Mitte August 2021 sei die Zuständigkeit dann offiziell auf die Ausländerbehörde in Kiel übergegangen.

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Der 33-Jährige war noch kurz vor der Tat am Mittwoch in der Kieler Ausländerbehörde. Er habe eine Aufenthaltskarte beantragt, sagte Sütterlin-Waack. Von dort sei er zum Einwohnermeldeamt geschickt worden. Aus welchem Land der staatenlose Palästinenser damals im Jahr 2014 einreiste, konnten die Ermittler auch am Donnerstag nicht sagen. Nach Angaben des Kieler Integrationsministeriums sei sein Aufenthalt in Deutschland erlaubt gewesen, sagte eine Sprecherin am Donnerstag in Kiel.

Nach der Messerattacke im Zug von Kiel nach Hamburg hatte Andreas Bitzer, Leiter der Walther-Lehmkuhl-Schule, schon ein schlechtes Gefühl. Daraus wurde traurige Gewissheit. Eine seiner Schülerinnen wurde getötet.

Nach Messerattacke im Regionalzug: Schule in Neumünster trauert um getötete 17-jährige Schülerin

Trauer und Entsetzen an der Walther-Lehmkuhl-Schule in Neumünster: Eines der Opfer der tödlichen Messerattacke im Zug von Kiel nach Hamburg ging hier zur Schule. Schulleiter Andreas Bitzer und sein Team haben die Klasse des Mädchens (17) aufgefangen. Die ganze Schule steht unter Schock.

Bei dem Angriff am Mittwoch wurden eine 17-Jährige und ein 19 Jahre alter Mann tödlich verletzt. „Die beiden jungen Leute kannten sich“, sagte die Ministerin. Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU) teilte am Donnerstag mit, dass die beiden Todesopfer eine Schule in Neumünster besuchten. Prien kündigte an, am Freitag in Neumünster zu sein, um mit Schulleitung, Lehrkräften und den Mitschülerinnen und Mitschülern zu sprechen.

„Diese schreckliche und sinnlose Tat gegen so junge Menschen macht mich fassungslos und traurig“, so die Ministerin. „Meine Gedanken sind bei den Opfern, den Verletzten und besonders bei den Familien, Freunden und Mitschülern der beiden getöteten Jugendlichen. Ihnen gilt mein ganzes Mitgefühl.“ Freunde und Mitschüler bräuchten jetzt sofort besondere Unterstützung, um das Geschehene zu verarbeiten.

Augenzeuge schildert Messerangriff im Regionalzug

Ein Angreifer in einem Regionalzug zwischen Kiel und Hamburg tötete am Mittwoch zwei Menschen.

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Faeser und Günther gedenken Opfer der Messerattacke

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) haben am Bahnhof Brokstedt der Opfer des tödlichen Messerangriffs gedacht. Gemeinsam mit Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) und Brokstedts Bürgermeister Clemens Preine legten sie am Wartehäuschen auf dem Bahnsteig weiße Rosen nieder. Im Anschluss wollten sie mit Polizisten, Feuerwehrleuten und Rettungssanitätern sprechen, die an dem Einsatz am Mittwoch beteiligt waren. Es sei ihr wichtig, „den Menschen danken zu können, die hier waren und so schnell geholfen haben“, sagte Faeser.

Neuen Erkenntnissen zufolge wurden bei dem Angriff fünf Menschen und der Täter selbst verletzt. Zunächst war von sieben Verletzten die Rede gewesen. Drei Menschen seien noch im Krankenhaus, zwei davon wurden operiert, sagte Sütterlin-Waack. Zwei weitere Verletzte seien bereits wieder aus dem Krankenhaus entlassen worden. Der Täter selbst wurde leicht verletzt. Er sollte noch am Donnerstag einem Haftrichter in Itzehoe vorgeführt werden.

RND/dpa

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