Missbrauchsskandal im Münchner Erzbistum: Ratzinger war „als Beschuldigter eingetragen“
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Angela Miechielsen, Staatsanwältin als Gruppenleiterin, und Hans Kornprobst, leitender Oberstaatsanwalt, nehmen an einer Pressekonferenz zum Abschluss der Ermittlungen gegen Kirchenverantwortliche im Missbrauchsskandal teil.
© Quelle: Sven Hoppe/dpa
München. Die Staatsanwaltschaft München I hat den inzwischen verstorbenen Papst Benedikt XVI. zeitweise als Beschuldigten in ihrem Ermittlungsverfahren nach dem Gutachten zu sexuellem Missbrauch in dem katholischen Erzbistum München und Freising geführt. Die Ermittlungen gegen ihn wegen des Verdachts der Beihilfe zu Missbrauchstaten wurden aber eingestellt, wie die Behörde am Dienstag mitteilte.
„Drei (damals) noch lebende kirchliche Personalverantwortliche“ seien während der Ermittlungen „als Beschuldigte eingetragen“ worden. Neben dem emeritierten Papst Benedikt, der als Kardinal Joseph Ratzinger von 1977 bis 1982 Erzbischof von München und Freising war, waren das noch sein Nachfolger Kardinal Friedrich Wetter sowie der ehemalige Generalvikar Gerhard Gruber.
Inzwischen sind alle Verfahren eingestellt
Alle Verfahren seien allerdings nach und nach eingestellt worden. Die Ermittlungen „ergaben jeweils keinen hinreichenden Verdacht strafbaren Handelns der Personalverantwortlichen“, teilte die Ermittlungsbehörde mit.
Am Dienstag hat sich die Staatsanwaltschaft München I zum Abschluss der Ermittlungen im Missbrauchsskandal des Erzbistums München und Freising geäußert. „Insgesamt haben wir 800 Verdachtsfälle strafrechtlich überprüft“, sagte Hans Kornprobst, leitender Oberstaatsanwalt, bei einer Pressekonferenz am Dienstag. Die Staatsanwaltschaft I sei sowohl gegen Kleriker als auch sonstige Beschäftigte der Kirche vorgegangen. „Die Fälle betrafen überwiegend den Vorwurf sexualbezogener Handlungen, zum Teil aber auch den Verdacht auf Körperverletzungen.“
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Die Staatsanwaltschaft habe alle seit 2018 in Auftrag gegebenen Gutachten und Unterlagen untersucht. Die Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW), die das Gutachten im Auftrag des Bistums verfasste, hatte der Staatsanwaltschaft bereits im August 2021 die Unterlagen zur Verfügung gestellt. „Sie betreffen ausschließlich noch lebende kirchliche Verantwortungsträger und wurden stark anonymisiert übermittelt“, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Anne Leiding, vor rund einem Jahr.
Keine strafrelevanten Erkenntnisse
„Ich bin überzeugt davon, dass die Arbeiten der Kanzlei, die Erstellung der Gutachten, die Auswertung dieser zahlreichen Sachverhaltsschilderungen für die kircheninterne Aufarbeitung und gesellschaftliche Debatte von sehr großer Bedeutung sind“, betonte Kornprobst bei der Pressekonferenz am Dienstag. „Für die Strafverfolgung waren diese Daten jedoch von sehr geringem Nutzen. Sie führten nicht zu neuen Strafverfahren, geschweige denn zu einer Verurteilung.“
Diese Entwicklung sei jedoch nicht überraschend, so der leitende Oberstaatsanwalt. Auch die beauftragte Kanzlei hatte bei Veröffentlichung des Gutachtens bereits bekannt gegeben, dass nicht mit weiteren Strafverfahren zu rechnen sei. Die Mehrzahl der im Gutachten geschilderten Vorfälle bezog sich auf einen Zeitraum von 1949 bis 2019 und liege somit sehr lange zurück. „So lang zurückliegende Taten sind zweifelsohne verjährt“, teilte Kornprobst mit.
Im Zusammenhang mit dem Gutachten zu sexuellem Missbrauch in der Erzdiözese München und Freising hatte die Staatsanwaltschaft in mehr als 40 Fällen Ermittlungen gegen Kirchenverantwortliche aufgenommen. Im Februar wurden auch Räumlichkeiten des Erzbistums München und Freising durchsucht.
Das Missbrauchsgutachten hatte vor allem wegen der Rolle von Kardinal Joseph Ratzinger, des früheren Erzbischofs von München und späteren Papstes Benedikt XVI., Schlagzeilen gemacht. Kritiker werfen dem inzwischen gestorbenen Ratzinger vor, als Erzbischof und später als Präfekt der Glaubenskongregation in Rom nicht entschieden gegen Missbrauchstäter in der Kirche vorgegangen zu sein und den Schutz der Institution Kirche über den Opferschutz gestellt zu haben.
RND mit dpa