„Tankstellenmord“ von Idar-Oberstein: Streit um psychiatrisches Gutachten vor Gericht
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Der Angeklagte sitzt im Landgericht. Der Mann soll im vergangenen Jahr in Idar-Oberstein den Mitarbeiter einer Tankstelle erschossen haben, nachdem dieser ihn auf die coronabedingte Maskenpflicht hingewiesen hatte. (Archiv)
© Quelle: Boris Roessler/dpa
Bad Kreuznach. Mit einer Auseinandersetzung um ein psychiatrisches Gutachten und die Schuldfähigkeit des Angeklagten ist der Prozess um den tödlichen Schuss auf einen Tankstellen-Mitarbeiter im Streit um die Corona-Maskenpflicht am Montag fortgesetzt worden. Das Landgericht Bad Kreuznach wies zunächst den Befangenheitsantrag der Verteidigung gegen den psychiatrischen Gutachter zurück. Der Gutachter hatte dem 50 Jahre alten Angeklagten trotz dessen Alkoholisierung bei der Tat eine volle Schuldfähigkeit attestiert.
Der Befangenheitsantrag sei unbegründet, die Verteidigung habe darin Aussagen des Sachverständigen verkürzt wiedergegeben, erklärte das Gericht. Es sei keine Voreingenommenheit des Experten feststellbar.
Verteidigung im „Tankstellenmord“-Prozess beantragt neue Sachverständige
Die Verteidigung beantragte anschließend, ein weiteres Sachverständigengutachten zur Schuldfähigkeit einzuholen - und schlug dafür eine Expertin aus München vor. Dem bisherigen Gutachter warf der Verteidiger in der Begründung des Antrags „mangelnde Sachkunde“ und Voreingenommenheit vor.
Dabei geht es unter anderem um den Vorwurf, dass die Auswirkungen des Suizides des Vaters des Angeklagten, der sich rund eineinhalb Jahre vor der Tat an der Tankstelle ereignet hatte, auf die Steuerungsfähigkeit des 50-Jährigen und eine mögliche Anpassungsstörung in dem bisherigen Gutachten nicht hinreichend berücksichtigt worden seien. Der Vater hatte bei seiner Selbsttötung auch auf die Mutter des Angeklagten geschossen und sie dabei schwer verletzt. Der Angeklagte konnte seine Mutter nach eigener Aussage wegen der Corona-Auflagen nicht im Krankenhaus besuchen.
Staatsanwaltschaft hält neues Gutachten für unnötig
Die Staatsanwaltschaft forderte das Gericht auf, den Antrag abzulehnen. Ein weiteres Gutachten sei nicht nötig, und die von der Verteidigung vorgeschlagene Sachverständige zudem keine Forensikerin. Der bisherige Gutachter sei dem Gericht dagegen seit Jahren bekannt, „seine Sachkenntnis steht außer Frage“, sagte die Staatsanwältin. Er komme bei der Beurteilung der Frage, welche Auswirkungen der Suizid, der Angriff des Vaters auf die Mutter und die Corona-Maßnahmen auf den Angeklagten hatten, lediglich nicht zu dem von der Verteidigung gewünschten Ergebnis, aber das ändere nichts an der Qualität des Sachverständigen. Das beantragte zusätzliche Gutachten bringe das Verfahren nicht weiter und „dient nur der Prozessverschleppung“, sagte sie.
Der Verteidiger wies diesen Vorwurf als „an den Haaren herbeigezogen“ zurück. Den kritisierten Sachverständigen bezeichnete er als „Haus- und Hofgutachter“ des Landgerichts. Es sei sinnvoll, auch einmal andere Experten ihre Sicht der Dinge schildern zu lassen. Das Gericht vertagte sich bis 15.30 Uhr, um über den Antrag zu beraten.
Die Tat am 18. September 2021 an einer Tankstelle in Idar-Oberstein (Landkreis Birkenfeld) hatte bundesweit für Aufsehen und Entsetzen gesorgt. Der 50 Jahre alte Deutsche hat vor Gericht den tödlichen Schuss auf den 20 Jahre alten Kassierer eingeräumt und gesagt, er könne sich die Tat bis heute nicht erklären. Ihm wird Mord vorgeworfen.
RND/dpa