Neu-Delhi ruft den Notstand aus
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Schulkinder in Neu-Delhi versuchen sich vor dem Smog zu schützen.
© Quelle: Imago
Neu-Delhi. Man kann ihm nicht entkommen. Der Smog, der sich wie eine Glocke schwer über die indische Megametropole Neu-Delhi gelegt hat, ist einfach überall. Er kriecht durch Türritzen und Fensterspalte und taucht das sonst so bunte Treiben auf den Straßen Neu-Delhis in tiefes Grau. Die Luftverschmutzung in der 17-Millionen-Metropole hat sich in den letzten Tagen deutlich verschlimmert. Ohne Atemmaske ist es schier unmöglich, überhaupt noch die Wohnung zu verlassen.
Die Feinstaub-Konzentration lag nach Angaben von Delhis Regierungschef Arvind Kejriwal im November beim 47- beziehungsweise 75-fachen der Höchstwerte, die laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Jahresdurchschnitt für die Gesundheit noch unbedenklich sind. Die Konzentration des gesundheitsschädlichen Feinstaubs PM10 lag am Mittwoch bei 900 Mikrogramm pro Kubikmeter.
Laut WHO sind Werte bis 50 unbedenklich. Alles darüber gilt als gesundheitsgefährdend. Die Werte sind alarmierend – vor allem, wenn man berücksichtigt, dass eine Studie der Universität Berkeley zu dem Schluss kam, dass die Messstationen die wahre Luftverschmutzung gar nicht abbilden, da sie in der Regel abseits von Straßen aufgestellt wurden. Im Verkehr sollen die Werte laut der Studie noch achtmal höher sein.
Zum Schutz der Kinder vor der gefährlich hohen Luftverschmutzung sind dort alle Schulen bis zum kommenden Sonntag geschlossen worden. Die Behörden Neu-Delhis kündigten Notmaßnahmen, mit denen die dramatisch hohe Luftverschmutzung bekämpft werden soll. Auf unbestimmte Zeit würden alle Bauarbeiten gestoppt, und nur Lastwagen mit unentbehrlichen Gütern dürften in der Stadt fahren, erklärte Kejriwal am Donnerstag.
Um den Autoverkehr zu reduzieren, würden die Parkgebühren erhöht. In der kommenden Woche soll darüber hinaus jedes zweite Auto aus dem Verkehr gezogen werden: An einem Tag dürfen diejenigen mit geraden Nummern auf den Kennzeichen fahren, am nächsten Tag Autos mit ungeraden Nummern, wie Verkehrsminister Kailash Gahlot verkündete. Diese Maßnahme war im vergangenen Jahr erstmals ergriffen worden. Wie dicht der Verkehr und der Nebel derzeit mitunter ist, zeit das Video eines BBC-Korrespondenten, der vor wenigen Tagen seinen Weg zur Arbeit filmte.
Und auch der offizielle Besuch von Prinz Charles und seiner Frau Camilla wurde durch den Smog behindert. Den Besuch einer Schule sagte das Paar spontan ab. Am India Gate gedachte das Paar der Kriegstoten im dichten Nebel.
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Gedenken im Nebel: Prinz Charles und seine Frau Camilla stehen vor dem im India Gate in Neu-Delhi.
© Quelle: AP
Neu-Delhi gilt als die Metropole mit der schlechtesten Luft weltweit. Forscher haben herausgefunden, dass die schlechte Luft den Indern im Schnitt drei Lebensjahre klaut. Ein entscheidender Faktor für den Smog ist der ständig zunehmende Verkehr auf Indiens Straßen.
Aber auch der Baumboom in der Hauptstadt, der keine Grenzen mehr kennt. Überall entstehen neue Satellitenstädte, gefühlt täglichen werden irgendwo neue Wolkenkratzer in die Höhe gezogen. Tonnenweise Staub und Asbest werden dadurch aufgewirbelt und setzen sich in den Lungen der Menschen fest und am Rande der Megacity feuern in diesen Tagen die Bauern ihre Ernterückstände ab.
Von Nora Lysk / dpa / RND