Schicksal der vermissten Cleo bewegt Australien – und beschäftigt sogar das Parlament
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Der Fall der vermissten vierjährigen Cleo Smith beschäftigt Australien.
© Quelle: Western Australia Police Force
Sydney. Das Foto der kleinen Cleo Smith hat sich ins kollektive Gedächtnis der Australierinnen und Australier eingebrannt. Tagtäglich flimmert das Gesicht der Vierjährigen derzeit über die Bildschirme. Jeder noch so kleine Fortschritt in der Suche nach dem kleinen Mädchen wird berichtet.
Für Hinweise, die zur Lösung des Falles führen könnten, hat die Polizei inzwischen eine Million australische Dollar, umgerechnet fast 650.000 Euro, ausgeschrieben. Selbst das australische Parlament in Canberra hat den Fall bereits thematisiert. Innenministerin Karen Andrews plädierte im Repräsentantenhaus dafür, den Behörden mehr Handlungsspielraum bei Verbrechen gegen Kinder einzuräumen.
Für diesen Vorschlag erhielt sie auch Unterstützung vonseiten der Opposition. Labor-Chef Anthony Albanese betonte ebenfalls, dass in solchen Fällen die Befugnisse der Polizei ausgeweitet werden müssten. „Zusammen mit dem Rest des Parlaments und dem Rest Australiens wollen wir alle, dass die junge Cleo sicher gefunden wird“, sagte er vor den anderen Parlamentsabgeordneten. Welche Befugnisse dies genau betrifft, wurde jedoch nicht öffentlich erläutert.
Hinweise auf Entführung
Die Vierjährige wird seit Mitte Oktober vermisst. Sie war mit ihrer Familie beim Zelten in einem eher abgelegenen Campingplatz rund 50 Kilometer nördlich von Carnarvon an der westaustralischen Küste gewesen. Ihre Eltern hatten sie zuletzt gegen 1.30 Uhr nachts gesehen, als sie aufwachte und nach einem Glas Wasser fragte. Als ihre Mutter gegen 6 Uhr morgens wieder nach ihr schaute, war sie verschwunden. Auch ihr Schlafsack fehlte.
Zunächst hoffte man noch, das kleine Mädchen sei nur auf Erkundungstour gegangen und habe sich verlaufen, doch als eine intensive Suchaktion sie nicht aufspürte, verdichteten sich die Hinweise auf eine mögliche Entführung. Beispielsweise war der Reißverschluss des Zeltes so hoch gezogen worden, dass die Vierjährige gar nicht so weit nach oben hätte reichen können.
Hohe Belohnung ausgeschrieben
Inzwischen ist die Suche nach dem Kind auch auf andere australische Bundesstaaten ausgeweitet worden. Im Visier der Ermittlerinnen und Ermittler steht derzeit ein Auto, das um 3 Uhr morgens mit hoher Geschwindigkeit vom Zeltplatz weggefahren sein soll. Um noch mehr Hinweise aus der Bevölkerung zu bekommen, ist inzwischen eine Belohnung über eine Million australische Dollar für Hinweise, die zur Lösung des Falles beitragen, ausgeschrieben worden.
Der hohe Geldbetrag hat laut australischer Medienberichte inzwischen etliche Kopfgeldjägerinnen und -jäger in die abgelegene Region in Westaustralien gelockt. Der zuständige Polizeikommissar Col Blanch warnte jedoch im Interview mit dem australischen Sender Channel Nine vor übereiligen Aktionen. „Ich denke, die Leute – sei es wegen des Geldes oder einfach nur, um das Richtige zu tun und Cleo zu finden – versuchen herauszufinden, was passiert ist“, sagte er. Er bitte nur darum, dass sich niemand dabei in Gefahr begebe.
Die Polizei wertet derzeit nach wie vor Überwachungskameras in der Region aus. Gleichzeitig wurde auch das Haus von Cleos Familie in Carnarvon untersucht. Dies sei „Standardpraxis“ und bedeute nicht, dass die Eltern der Vierjährigen Verdächtige seien, wie die Polizei betonte.
Mehrere prominente Vermisstenfälle
Der Fall lässt in der australischen Bevölkerung Erinnerungen an andere prominente Vermisstenfälle hochkommen. 2014 beispielsweise verschwand der damals dreijährige William Tyrrell. Als Spiderman verkleidet war der kleine Junge gemeinsam mit seiner Schwester um das Haus seiner Pflegegroßmutter gelaufen. Die Großmutter und Williams Pflegemutter saßen vor dem Haus in der Sonne. Gegen 10.25 Uhr sah seine Familie ihn zum letzten Mal um das Haus rennen. Fünf Minuten verstrichen, bis die Mutter losging und ihn im Garten suchte. Obwohl die Familie die Polizei innerhalb von nur 30 Minuten einschaltete und in den Folgetagen hunderte Freiwillige alle Wälder und Seen in der Umgebung durchkämmten, konnte der Junge bis heute nicht wieder aufgefunden werden. Auch in Williams Fall geht die Polizei inzwischen von einer Entführung aus.
Ein weiterer Fall ist inzwischen über 50 Jahre her: 1966 verließen die neunjährige Jane Beaumont, ihre siebenjährige Schwester Arnna und der vierjährige Bruder Grant gemeinsam das Haus, um einen Tag am Strand zu verbringen. Doch am Abend kamen die drei Geschwister nicht wie gewohnt mit dem Bus nach Hause. Sie blieben verschwunden und trotz etlicher Aussagen von Zeugen, die die Kinder mit einem blonden, gebräunten Mann mit dünnem Gesicht und athletischer Figur am Strand gesehen haben wollen, wurde weder ein Täter noch die Kinder selbst je gefunden. Die Polizei versucht bis heute, das Verschwinden der Kinder aufzuklären. Auch im Fall der Beaumont-Kinder ist sich die Polizei inzwischen sicher, dass ein Verbrechen vorliegt. Doch trotz etlicher verdächtiger Personen wurde nie jemand für die Entführung und den wahrscheinlichen Mord an den Kindern verurteilt.