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Schluss mit Homeoffice: Apple-Mitarbeiter sollen zurück ins Büro – und protestieren

Apple-Geschäftsführer Tim Cook.

Apple-Geschäftsführer Tim Cook.

Cupertino. Es ist eine Nachricht, die so gar nicht ins Bild eines modernen Tech-Unternehmens aus Kalifornien passen will: Die Beschäftigten des Apple-Konzerns sollen nach anderthalb Jahren Homeoffice ins Büro zurückkehren – für mindestens drei Tage die Woche. Für das Unternehmen ist der Schritt logisch: Die Impfkampagne gegen das Coronavirus kommt in den USA gut voran – die meisten Beschäftigten des Konzerns dürften im Herbst gegen das Virus geschützt sein. Doch unter Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern regt sich Protest.

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Wie die Portale Vox.com und The Verge übereinstimmend berichten, haben einige Apple-Beschäftigte einen Brief unterzeichnet und an die Chefetage des Konzerns adressiert. Darin fordern sie, dass das Unternehmen seinen Mitarbeitern auch künftig erlaubt, in Vollzeit von zu Hause aus zu arbeiten. Der Brief wurde laut dem Portal am Montagmorgen in einem internen Slack-Kanal von Apple-Beschäftigten gepostet, in dem über Remote-Arbeit diskutiert wird. Der Kanal hat laut den Berichten mehr als 6000 Mitglieder und steht allen Apple-Beschäftigten offen. Vox.com hat den Brief in voller Länge veröffentlicht.

Die Forderungen der Beschäftigten in dem Brief gehen deutlich über die Wünsche des Konzerns hinaus. Geht es nach dem Unternehmen, dürften Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zwar auch nach der Pandemie zwei Tage die Woche von Zuhause aus arbeiten, nämlich mittwochs und freitags – die restlichen drei Werktage müssen sie aber ins Unternehmen zurückkehren. Die Regeln gelten ab Herbst, Tim Cook höchstpersönlich hatte bereits im Juni eine Mail an seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verschickt.

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Angst vor Corona-Mutationen

In ihrem Brief werden die Beschäftigten deutlich: „Wir sind (...) besorgt, dass [die Entscheidung] viele unserer Kollegen dazu veranlasst, ihre Zukunft bei Apple infrage zu stellen. Etwa 68 Prozent der Teilnehmer unserer Umfrage stimmten eher oder stark zu, dass der Mangel an Standortflexibilität wahrscheinlich dazu führen würde, dass sie Apple verlassen würden; das sind über 1100 Mitglieder unserer Apple-Familie.“

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter glauben zudem, dass die Rückkehr ins Büro viel zu früh komme. „Da die Covid-19-Zahlen weltweit wieder ansteigen, sich Impfstoffe gegen die Delta-Variante als weniger wirksam erweisen und die langfristigen Auswirkungen einer Infektion noch nicht gut untersucht sind, ist es zu früh, Beschäftigte zu zwingen, ins Büro zurückzukehren“, heißt es in dem Brief.

Die Verfasserinnen und Verfasser machen dann einige Gegenvorschläge zur aktuellen Praxis, die zunächst auf ein Jahr befristet ausprobiert werden sollen. Die Pläne sollen allen Beschäftigten entgegenkommen, „die besser von zu Hause aus arbeiten – oder die sich im Büro nicht wohlfühlen, weil die Pandemie noch nicht unter Kontrolle ist“. Aber auch denjenigen, „deren Wohnsituation mit dem Pendeln in ein Apple-Büro nicht vereinbar oder unvereinbar geworden ist“, sollen davon profitieren, wie es in dem Brief heißt.

Apple verschiebt Präsenzpflicht um einen Monat

Der Plan: Der Standardarbeitsplatz für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter solle künftig das heimische Büro sein – in der Firma selbst sollen alle aber weiterhin einen zugewiesenen Schreibtisch haben. In jedem Fall benötige die Heimarbeit zuvor die Zustimmung des direkten Vorgesetzten. Zudem solle es Arbeitspläne geben, die die Heim- und Büroarbeit organisieren.

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„Gemeinsam stellen [die Maßnahmen] sicher, (...) viele unserer Kollegen, die den Wunsch nach Standortflexibilität in ihren aktuellen Rollen geäußert haben, zu halten“, enden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihren Brief. „Wir hoffen, Sie stimmen zu, dass die Risiken dieser angepassten Richtlinien minimal sind, während ihr potenzieller Nutzen enorm ist, und freuen uns auf Ihre Meinung.“

Das Unternehmen reagierte zunächst nicht direkt auf den Brief, auch auf eine Anfrage des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) wollte das Unternehmen am Dienstag nicht antworten. Wie jedoch Bloomberg berichtet, hat der Konzern die eigentlich für September geplante Präsenzpflicht nun um einen Monat nach hinten geschoben, nämlich in den Oktober. Grund dafür sei mitunter die deutlich ansteckendere Delta-Variante, die unter den Beschäftigten offenbar für Besorgnis sorgt.

Vor Corona galt strengste Anwesenheitspflicht

Der Brief der Apple-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist nicht der erste seiner Art. Bereits im Juni hatten US-Medien von einem ersten Schreiben an die Apple-Chefetage berichtet. „Die Richtlinie von Apple (...) und die damit verbundene Kommunikation haben bereits einige unserer Kollegen gezwungen, zu kündigen“, zitiert The Verge aus dem Schreiben. Viele hätten das Gefühl, sich jetzt zwischen ihrer Familie und dem eigenen Wohlbefinden und ihrem Job bei Apple entscheiden zu müssen.

Apple reagierte damals auf den Brief – hielt jedoch an seinen Plänen fest. „Wir glauben, dass die persönliche Zusammenarbeit für unsere Kultur und unsere Zukunft von entscheidender Bedeutung ist“, zitiert The Verge Deirdre O’Brien, den Senior Vice President of Retail and People bei Apple, aus einer Videokonferenz. „Wenn wir uns einen Moment Zeit nehmen, um über unsere unglaublichen Produkteinführungen im letzten Jahr nachzudenken, wurden die Produkte und die Umsetzung der Produkteinführung auf der Grundlage jahrelanger Arbeit aufgebaut, die wir alle gemeinsam vor Ort gemacht haben.“

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Bei all dem Unmut der Beschäftigen gehört aber auch eines zur Wahrheit: Die neuen Homeofficeregeln bei Apple sind eigentlich keine Verschärfung des Status quo – sondern eher eine Lockerung. Bis zum Ausbruch der Pandemie galt beim Tech-Riesen aus Cupertino strengste Anwesenheitspflicht im Büro, nur in seltenen Fällen gab es Ausnahmen. Ab Herbst ist es Beschäftigten erlaubt, zweimal die Woche von zu Hause zu arbeiten – das sind immerhin zwei Tage die Woche mehr als früher.

Deutlich konservativer als die Konkurrenz

Tatsächlich sind die strengen Regeln des Konzerns auch in gewisser Weise plausibel: Anders als andere US-Tech-Giganten wie etwa Google oder Facebook bietet Apple nicht nur Onlineservices an, sondern in erster Linie physische Produkte – nämlich Smartphones und Computer. Diese werden unter strengster Geheimhaltung entwickelt, was sich mit einer Arbeit im Homeoffice möglicherweise beißt.

Klar ist aber auch: Mit seinen Regelungen ist der Konzern deutlich konservativer als die Konkurrenz. Twitter beispielsweise hatte bereits im Mai 2020 seinen Beschäftigten versprochen, auch nach dem Ende der Corona-Krise uneingeschränkt im Homeoffice arbeiten zu dürfen. „Wenn unsere Beschäftigten in einer Rolle und Lage sind, die es ihnen erlauben, von zu Hause aus zu arbeiten, und sie für immer damit weitermachen wollen, werden wir das möglich machen“, erklärte das Unternehmen.

Auch bei Facebook ist das so: Seit dem 15. Juni kann jeder Facebook-Mitarbeiter und jede -Mitarbeiterin beantragen, von zu Hause aus zu arbeiten. Wenn Beschäftigte in eine kostengünstigere Region umziehen, würden ihre Gehälter entsprechend angepasst, teilte das Unternehmen aus Menlo Park seinerzeit mit. Des Weiteren würden die Mitarbeitenden ermutigt, zumindest zeitweise im Büro zu erscheinen, um die Teambildung zu fördern. Beschäftigte, die wegen ihres Jobs ins Büro zurückkehren müssen, sollen wenigstens die Hälfte der Zeit dort anwesend sein, teilte Facebook mit.

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Microsoft erklärte im Herbst 2020, das Unternehmen werde seinen Beschäftigten auch nach der Pandemie dauerhaftes Homeoffice anbieten. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können demnach selbst entscheiden, ob sie künftig dauerhaft von zu Hause arbeiten wollen. In diesem Fall geben sie ihren Arbeitsplatz im Unternehmen dauerhaft ab, können dort aber noch flexible Arbeitsplätze nutzen. Auch gebe es die Möglichkeit, teilweise zu Hause und teilweise im Büro zu arbeiten.

Auch bei Google protestieren Beschäftigte

Bei Google hingegen scheint die Lage ähnlich ungemütlich wie bei Apple. Ab September sollen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ins Büro zurückkehren, berichtet der „Business Insider“. Offenbar soll es den Beschäftigten – genau wie bei Apple – ermöglicht werden, zweimal die Woche aus dem Homeoffice zu arbeiten. Nicht jedem passe das. Viele seien während der Pandemie aus dem überteuerten Silicon Valley weggezogen, berichtet das Magazin. Einige von ihnen drohen dem Unternehmen nun mit Kündigungen, sollten sie nicht weiterhin aus dem Homeoffice arbeiten dürfen.

Sundar Pichai, Chef der Google-Mutter Alphabet, hält das persönliche Treffen offenbar weiterhin für unabdingbar. Auch während der Pandemie investierte das Unternehmen deshalb große Summen in den Ausbau der Büroräume und erweiterte den Campus in San José.

Die Sache mit den Büroräumen könnte letztendlich auch für Apple der Grund sein, weiter intensiv auf Anwesenheitspflicht zu pochen. Erst 2017 hatte das Unternehmen seinen monströsen Apple-Park in Cupertino eingeweiht. Der 130.000 Quadratmeter große, kreisrunde Gebäudekomplex bietet Platz für 12.000 Angestellte und hat laut Medienberichten rund 5 Milliarden Euro gekostet. Es wäre doch zu schade, wenn der in Zukunft einfach leer stehen würde.

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