Sicherungsverwahrung für Silvio S. wird neu geprüft

Abschließendes Urteil: Muss Kindermörder Silvio S. im Anschluss an die Haft in Sicherheitsverwahrung?

Abschließendes Urteil: Muss Kindermörder Silvio S. im Anschluss an die Haft in Sicherheitsverwahrung?

Leipzig. Der Bundesgerichtshof in Leipzig hat das Urteil des Landgerichts Potsdam aus dem Jahr 2016 gegen den zweifachen Kindermörder Silvio S. in Teilen aufgehoben. Neu entschieden werden muss damit über die Frage, ob gegen den 34-Jährigen Sicherungsverwahrung verhängt wird. Die Potsdamer Richter hatten damals die von der Ermittlungsbehörde geforderte Sicherungsverwahrung verweigert.

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Silvio S. muss sich jetzt erneut eine Gerichtsverhandlung in Brandenburg stellen und damit rechnen, dass Sicherungsverwahrung gegen ihn verhängt wird. Damit würde er wahrscheinlich nie wieder in Freiheit kommen.

Die Bundesrichter befanden, dass die rasche Folge der schweren Straftaten nicht genügend gewürdigt worden sei. Die detailreiche Planung der Morde und das völlige Fehlen von menschlichem Mitgefühl seien ebenfalls in dem Urteil des Landgerichts unterbelichtet.

Vor fast genau zwei Jahren entführte der Wachschutzangestellte Silvio S. aus Kaltenborn (Teltow Fläming) in Potsdam den Erstklässler Elias (6), missbrauchte und tötete ihn. Im Oktober 2016 ermordete er das aus Berlin entführte Flüchtlingskind Mohamed (4).

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Sexuelle Motive des Mörders nicht genügend berücksichtigt

In der Verhandlungen führte die Bundesstaatsanwaltschaft am Mittwoch aus, in dem Urteil des Landgerichts seien die sexuellen Motive und Handlungen des Mörders von Elias (6) und Mohamed (4) nicht genügend berücksichtigt worden. Die wiesen allerdings deutlich darauf hin, dass Silvio S. im Jahr 2015 aus einem Hang heraus gehandelt habe und deshalb nach seiner Strafhaft in Sicherungsverwahrung genommen werden müsse.

Der Vertreter der Bundesanwaltschaft bezeichnete es als „geradezu befremdlich, dass beim Landgericht sich das Bild eines Hangtäters nicht einstellte“. Der Anklagevertreter verwies dabei auf die akribische Vorbereitung des Täters auf die beiden Tötungsdelikte. So habe Silvio S. Kinderspielzeug gekauft, Fesseln und Knebel, habe sich Notizzettel mit Handlungsanweisungen gemacht, sei in einschlägigen Internetforen aktiv gewesen und habe die Missbrauchstaten an den Kindern mit seinem Handy gefilmt. Das Urteil des Landgerichts sei angesichts dieser Fülle von Tatsachen nicht zu verstehen.

Verteidiger: Sicherheitsverwahrung nur Ultima Ratio

Silvio S. wurde am Mittwoch von seinem Anwalt Mathias Noll vertreten. Er selbst war nicht vor Ort. Noll stellte heraus, Sicherungsverwahrung sei nur die Ultima Ratio des Rechtsstaats in Fällen, in denen sich Gefahren nicht in anderer Weise abwenden ließen. In dem vorliegenden Fall jedoch sei dies nicht geboten. Lebenslange Haft verbunden mit der Feststellung des Landgerichts, dass die Schuld des Täters besonders schwer wiege, könne theoretisch auch tatsächlich das ganze Leben andauern, so Noll.

Zu der Verhandlung im großen Saal des Verwaltungsgerichts in Leipzig war auch die Familie des getöteten Kindes Mohamed gekommen. Die Mutter des aus Berlin entführten und in Brandenburg umgebrachten Vierjährigen forderte, Silvio S. solle bis zu seinem Lebensende in Haft bleiben – garantiert durch die Maßregel Sicherungsverwahrung. Die Mutter des toten Potsdamer Erstklässlers Elias (6) war durch eine Anwältin vertreten.

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Landgericht stellte keine „Gefährlichkeit für die Allgemeinheit“ fest

Nach bisherigem Stand, also ohne Sicherheitsverwahrung, könnte Silvio S. nach 23 bis 25 Jahren Haft wieder frei kommen. Solch eine Haftdauer ist bei einer Verurteilung mit dem Zusatz „ besondere Schwere der Schuld“, wie vom Gericht verhängt, üblich. Eine vorzeitige Entlassung nach 15 Jahren wie bei „einfachen“ Morden ist im Fall Silvio S. ausgeschlossen. Das hatte der Bundesgerichtshof bereits im April 2017 entschieden und damit den Revisionsantrag der Verteidiger von Silvio S. abgewiesen.

In dem erstinstanzlichen Urteil hatte das Landgericht Potsdam im Juli 2016 eine Sicherungsverwahrung für Silvio S. abgelehnt, weil es in dem Kindsmörder keinen „Hangtäter“ sah. Eine „Gefährlichkeit für die Allgemeinheit“ könne „nicht festgestellt werden“. Bei Silvio S. sei trotz aller begangenen Grausamkeiten kein „verfestigter und eingeschliffener Zustand“ zu erkennen, der „ihn zukünftig immer neue Straftaten begehen lässt“, wie es in dem Urteil heißt. Der Täter erwecke nicht den Eindruck, untherapierbar zu sein. Diese Einschätzung hatte auf Seiten der Angehörigen der Toten Kinder Empörung und Unverständnis hervorgerufen.

Gefühllosigkeit „kein überdauerndes unkorrigierbares Konstrukt“

In seiner Beurteilung der Persönlichkeit des Täters stützt sich das Landgericht in dem 2016er Urteil auf ein Gutachten des renommierten Psychiaters Mathias Lammel, der sich außer Stande sah vorauszusagen, mit welcher Wahrscheinlichkeit Silvio S. nach einer langen Haft erneut ähnliche Straftaten begehen werde. Laut Lammel hat Silvio S. zwar eine „vermeidend-selbstunsichere Persönlichkeitsstörung“, er sei aber nicht ernsthaft geisteskrank. Pädophil ist der Kindermörder trotz der „menschenverachtenden“ Taten nach Auffassung des Gutachters nicht. Der „Weg zu den Taten“ sei „kein pathologischer“ gewesen.

Silvio S. hat sich laut Gutachter Lammel Kinder deshalb als Opfer ausgewählt, weil zu erwarten gewesen sei, dass sie ihm am wenigsten Widerstand und Ablehnung entgegen bringen würden. Die „Empathielosigkeit“, also das Fehlen menschlichen Mitfühlens, das die Taten erkennen ließen, fänden in Silvio S.’ Vorleben keine Entsprechung. So fänden sich laut Landgerichts-Urteil keine Hinweise auf das „Quälen und/oder Töten von Tieren“. Seine Gefühllosigkeit sei „kein überdauerndes unkorrigierbares Konstrukt“.

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Sicherungsverwahrung als allerletzte Maßnahme

Die prognostische Wahrscheinlichkeit, dass ein verurteilter Straftäter nach der Haftentlassung wieder ähnliche Taten begeht, ist aber Voraussetzung für die Verhängung von Sicherungsverwahrung. Schließlich ist das rechtliche Mittel vom Gesetzgeber nur als allerletzte Notmaßnahme vorgesehen, um die Allgemeinheit vor extrem gefährlichen Menschen zu beschützen. Als solche ist Sicherungsverwahrung auch keine Strafe sondern eine Maßnahme der Gefahrenabwehr - im Grunde gehört sie eher zum Polizeirecht. Es handelt sich tatsächlich im Wortsinn um eine Verwahrung aus Sicherheitsgründen. Das Bundesverfassungsgericht hat - in Umsetzung europäischer Rechtsprechung - der Verhängung von Sicherungsverwahrung enge Grenzen gesetzt. Konnte bis 2011 Sicherungswahrung nachträglich verhängt werden, gibt es diese Möglichkeit jetzt nicht mehr. Deshalb muss im Fall Silvio S. jetzt entschieden werden, ob Silvio S. auch nach 20, 25 Jahren vermutlich noch als gemeingefährlich anzusehen sein wird.

Silvio S. plante seine Taten penibel

Die Taten hatten Entsetzen und Empörung ausgelöst, weil der einzelgängerische, menschenscheue Täter sie minutiös geplant hatte. So hatte er im Internet Spielzeug, Kinderkleidung, aber auch Sado-Maso-Knebelzubehör gekauft, um die Kinder anzulocken und dann zu überwältigen. Auf Pädophilenbörsen im Internet hatte er sich angemeldet, außerdem hat er nach Überzeugung des Gerichts Betäubungsmittel eingesetzt. Die chaotische Situation in Berlin-Moabit auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise ausnutzend, hatte sich Silvio S. zielgerichtet ein unbeaufsichtigtes Migrantenkind ausgesucht. Bei der Verdeckung seiner Taten ging Silvio S. ebenfalls akribisch vor. Die Leiche des kleinen Elias versteckte er in einem von Ihm gepachteten Kleingarten in Luckenwalde (Teltow-Fläming) unter Teichfolie und einer Sandschicht und in einem Paket verschnürt. Den Hinweis auf den Täter hatte dessen Mutter gegeben, als sie in der Märkischen Allgemeinen Zeitung (MAZ) ihren Sohn auf einem polizeilichen Suchbild erkannte.

Das Landgericht hatte die Kälte des Täters als strafverschärfend gewertet. Silvio S. sei nach seinen Taten „ungerührt zur Tagesordnung“ übergegangen, habe sich nach der Ermordung Mohameds erst einmal in der benachbarten Küche seiner Wohnung im elterlichen Haus Essen warm gemacht. Von „menschenverachtender Gesinnung und Kaltblütigkeit“ sprechen die Richter.

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Von RND/MAZ/Ulrich Wangemann

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