Soziologe: „Frauen geht es viel besser, als der Feminismus uns glauben lässt“
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Kundgebung zum internationalen Frauentag Anfang März in Berlin: Dass in Deutschland die Gleichberechtigung Realität ist, ist nicht Konsens. Der Autor Martin Schröder argumentiert, Frauen gehe es viel besser als behauptet.
© Quelle: IMAGO/epd
Ist die Gleichberechtigung von Mann und Frau in Deutschland Realität? Die Antwort dürfte unterschiedlich ausfallen, je nachdem, wen man fragt. Für den Soziologen Martin Schröder ist die Lage eindeutig: „Frauen gelten gegenüber Männern als benachteiligt. Das ist heute in Deutschland aber nicht mehr pauschal der Fall, weder im Arbeitsleben noch privat”, sagte er der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Das zeigten die Umfragen des Sozio-oekonomischen Panels, so Schröder. Seine Schlussfolgerung, der nicht jede Frau und auch nicht jeder Experte und Expertin zustimmen wird: „Frauen geht es viel besser, als der Feminismus es uns glauben lässt.”
Dabei machte Schröder einen Unterschied zwischen Ausprägungen des Feminismus. Ihm begegne immer häufiger ein „illiberaler Feminismus”, wie Schröder es nennt. In seinem Buch „Wann sind Frauen wirklich zufrieden?”, das am Mittwoch erschienen ist, kritisiert er Feministinnen, die ihm zufolge anderen Frauen zu verstehen gäben: „Selbst wenn ihr euch emanzipiert fühlt, seid ihr in Wahrheit unterdrückt.” Das finde er problematisch. Schröder bezeichnet sich selbst als Feminist, unter einer Bedingung: „Wenn das bedeutet für Gleichberechtigung zu sein – und nicht für Gleichstellung um jeden Preis.”
Eine mögliche Quelle dieser vermeintlichen Beeinflussung hat der 42-Jährige im akademischen Bereich ausgemacht: bei Gender Studies. „Da sind viele Lehrstühle entstanden, und nachdem das Ziel der Gleichberechtigung weitgehend erreicht ist, können die nicht einfach sagen: Ja super, dann schaffen wir uns wieder ab!” Das Ganze erinnere ihn ein bisschen an die marxistische Theorie früher. Schröder: „Laut dieser Theorie muss der Arbeiter ausgebeutet sein. Wenn die Arbeiter dann gesagt haben, dass es ihnen gar nicht so schlecht ging, hieß es von Theoretikern wie Herbert Marcuse sinngemäß: Wenn ihr das so seht, werdet ihr manipuliert und habt ein falsches Bewusstsein.”
Seine These macht Schröder, der an der Universität des Saarlandes arbeitet, an Daten fest. Frauen und Männer in Deutschland seien heute fast gleich zufrieden mit ihrem Leben. „Wenn man sie fragt, wo sie sich auf einer Skala von null bis zehn einordnen, geben beide etwas mehr als eine Sieben an.”
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Der Soziologe und Buchautor Martin Schröder kritisiert „illiberalen Feminismus“.
© Quelle: Privatfoto
Und es gebe inzwischen etliche Studien, die zeigten, dass Frauen nicht im Nachteil seien. „Bei Bewerbungsverfahren gibt es über normale Berufe hinweg keine Benachteiligung mehr”, so Schröder, der mit statistischen Methoden erforscht, wie zufrieden Menschen sind. Bei der Berufung von Professoren in den Gesellschaftswissenschaften gebe es sogar Untersuchungen, die zeigten, dass es genau andersherum sei, Frauen also bei gleichen Qualifikationen höhere Chancen hätten. Auch mit ihrem Einkommen und Privatleben seien Frauen nicht unzufriedener als Männer. „Und die subjektive empfundene Zufriedenheit ist nun mal ein wichtiger Faktor, wenn man die Menschen ernst nimmt.” Es könne zwar traditionsreiche Bereiche wie Medizin und Jura geben, in denen Frauen noch benachteiligt sind. Aber pauschal lasse sich das nicht mehr belegen.
Martin Schröder ist als Autor bekannt dafür, vermeintlich allgemeingültiges Wissen in Frage zu stellen und gewohnte Ansichten gegen den Strich zu bürsten. 2019 veröffentlichte er das Buch „Warum es uns noch nie so gut ging und wir trotzdem ständig von Krisen reden”. Darin schrieb er, dass das Leben weltweit und in Deutschland in fast jeder Hinsicht besser geworden sei, wenn man messbare Faktoren wie Wohlstand und Lebenserwartung zugrunde lege – dass diese Fakten es aber kaum ins Bewusstsein der Menschen schafften.
Laut Schröder sei die Entscheidung für eine Teilzeittätigkeit oft selbstgewählt: „Mütter wollen häufig gar nicht so viel arbeiten wie Väter. Mütter, die weniger arbeiten, sind nicht unzufriedener. Bei Vätern ist es anders – sie sind zufriedener, wenn sie mehr arbeiten”, sagte Schröder der „FAZ“. Auch dafür gibt es seiner Ansicht nach konkrete Belege.
Auf die Frage, ob es ein Fehler sei, wenn die Politik Frauen zu Arbeit in Vollzeit animiere, antwortete Schröder: „Warum sollten wir uns einbilden, zu wissen, welches Leben richtig für jemanden ist, obwohl er mit einem anderen Leben zufrieden ist?” Das passe nicht zu einer liberalen Gesellschaft, in der jeder nach seinen Vorstellungen glücklich werden sollte.
RND/dad