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Stuttgarter Krawallnacht: Mehrjährige Haftstrafen nach Attacke auf Studenten

Bei Auseinandersetzungen mit der Polizei haben dutzende gewalttätige Kleingruppen im Juni 2020 die Stuttgarter Innenstadt verwüstet und mehrere Beamte verletzt.

Bei Auseinandersetzungen mit der Polizei haben dutzende gewalttätige Kleingruppen im Juni 2020 die Stuttgarter Innenstadt verwüstet und mehrere Beamte verletzt.

Stuttgart. Irgendwann in dieser aufgeheizten Stuttgarter Juni-Nacht standen sich die drei jungen Männer gegenüber, der Student und die beiden Randalierer. „Muss das denn sein?“, soll der heute 25-Jährige ihnen zugerufen haben, weil die beiden anderen in der Krawallnacht Flaschen warfen auf Polizisten und Autos.

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Gezielt gegen den Kopf getreten

Da muss bei dem 17-Jährigen und seinem zwei Jahre älteren Begleiter ein Faden gerissen sein. Der Jugendliche trat den am Boden liegenden und nach einem Fausthieb bereits bewusstlosen Studenten gezielt gegen den Kopf, wie das Landgericht Stuttgart am Freitag in seinem Urteil feststellte.

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Mehr als vier Jahre Jugendstrafe

Unter anderem wegen versuchten Totschlags und Landfriedensbruchs wurde der Jugendliche aus Geislingen/Steige zu vier Jahren und drei Monaten Jugendstrafe verurteilt. Sein damaliger Begleiter muss unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung für zwei Jahre und zehn Monate in Jugendhaft.

Die Urteile gegen die beiden Deutschen wurden hinter verschlossenen Türen gesprochen: Die Öffentlichkeit war bereits am ersten Prozesstag und für den gesamten Rest der Hauptverhandlung ausgeschlossen worden. Vor allem der jüngere Angeklagte müsse wegen seines jugendlichen Alters geschützt werden, hatte die Kammer entschieden.

Die beiden hatten mit Dutzenden anderen meist jungen Männer nach einer Drogenkontrolle am späten 20. Juni 2020 in der Stuttgarter Innenstadt randaliert. Polizisten waren bedroht, beworfen, getreten und verletzt, Schaufenster zerstört und Geschäfte geplündert worden.

Vorfälle sorgen für hitzige Debatten

Die Vorfälle hatten weit über Stuttgart hinaus für Schlagzeilen und hitzige Debatten gesorgt. Videoüberwachung, Alkohol- und Aufenthaltsbeschränkungen wurden diskutiert, erste Kameras an zentralen Plätzen geplant.

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Bei der Fahndung nach den Randalieren durchforsteten die Ermittler bislang nach eigenen Angaben rund 7000 Mediendaten und etwa 3000 schriftliche Hinweise. Insgesamt wurden rund 7,1 Terabyte Videomaterialien vor allem von Handys und aus sozialen Netzwerken wie Instagram, Facebook und Tiktok ausgewertet, zehn sogenannte Super-Recognizer mit guter Gesichtswiedererkennung wurden eingesetzt und mehr als mehr als 1200 Spuren abgearbeitet.

Vom kommenden Montag an weitet die Polizei die Suche nach weiter flüchtigen Randalierern aus und geht an die Öffentlichkeit. Es würden Fahndungsfotos von 17 bislang nicht identifizierten mutmaßlichen Tätern aus der Juni-Nacht veröffentlicht, sagte eine Polizeisprecherin. Zu jedem einzelnen Verdächtigen auf den Abbildungen gebe es einen richterlichen Beschluss.

79 Haftbefehle erlassen

Bislang ermittelte die Polizei 130 Tatverdächtige, darunter 46 Jugendliche, 48 Heranwachsende und 35 Erwachsene sowie eine Person, die rechtlich noch als Kind zählt. „Die Ermittlungsbehörden lassen nicht locker, Detail für Detail dieser Nacht ans Tageslicht zu bekommen“, sagte Innenminister Thomas Strobl (CDU). Es seien 79 Haftbefehle im Zusammenhang mit den Ausschreitungen erlassen worden, 26 Tatverdächtige säßen in Untersuchungshaft. Zusammengerechnet verhängten die Richter bislang in den Verfahren an mehreren Amts- und Landgerichten weit mehr als 40 Jahre Freiheitsstrafe ohne und 20 Jahre mit Bewährung.

Die meisten dieser Urteile wurden vor dem Stuttgarter Amtsgericht gesprochen. „Wir haben bislang 34 Urteile in erster Instanz verkündet“, sagte dessen Sprecher Joachim Spieth. Es seien auch nochmal fast genau so viele anhänglich. „Man kann eigentlich fast sagen, dass täglich neue dazukommen.“

Den Tatverdächtigen wird vor allem Landfriedensbruch vorgeworfen, gegen mehrere wird wegen Hehlerei ermittelt. Das jüngste Stuttgarter Urteil war das bislang einzige wegen versuchten Totschlags.

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RND/dpa

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