Tod von Breonna Taylor: Ein Jahr voller Proteste und offener Fragen
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Ein Gedenkort für Breonna Taylor in Louisville, Kentucky.
© Quelle: imago images/ZUMA Wire
Der Abend des 12. März 2020 war für Breonna Taylor ein ganz normaler. Die 26-jährige Rettungssanitäterin ging mit ihrem Freund Kenneth Walker essen. Später schauten sie in ihrer Wohnung einen Film, dann schlief Breonna ein. Es waren die letzten gemeinsamen Stunden für das junge Paar aus Louisville, Kentucky.
Denn kurz nach Mitternacht am 13. März 2020 hämmerte es an der Wohnungstür. Wie Walker später berichtete, stand das Paar auf und fragte deutlich hörbar, wer da vor der Tür stünde. Doch es habe niemand geantwortet. Walker wusste demzufolge nicht, dass drei in Zivil gekleidete Polizisten gegen die Tür schlugen, weil sie die Wohnung durchsuchen wollten. Die Polizisten hätten sich nicht angekündigt, erklärte der Freund von Taylor.
Fünf Kugeln trafen Breonna Taylor
Walker trug eine Waffe bei sich, als die Polizisten plötzlich die Tür eintraten. Walker schoss und traf einen Polizisten ins Bein. Die Polizisten feuerten daraufhin mindestens zehn Schüsse ab. Fünf davon trafen Breonna Taylor.
Sie fiel in ihrem Flur zu Boden und schnappte fünf Minuten nach Luft, so Walker. Dann starb sie. Wie die Lokalzeitung „Courier Journal“ anhand von Protokollen herausfand, bekam Taylor 20 Minuten lang keine medizinische Hilfe. Zwar riefen die Polizisten einen Krankenwagen, allerdings kümmerten sie sich um ihren verwundeten Kollegen. Sie halfen Taylor nicht. Stattdessen forderten sie Walker auf, die Wohnung seiner sterbenden Freundin zu verlassen.
„Jemand hat die Tür eingetreten“
Unmittelbar nach dem Schusswechsel rief Walker einen Krankenwagen. „Ich weiß nicht, was los ist. Jemand hat die Tür eingetreten und meine Freundin erschossen“, sagte Walker in dem Notruf. Ist das ein Beweis dafür, dass sich die Polizisten nicht angekündigt haben? Der Schock war jedenfalls in seiner Stimme zu hören, als er schluchzte: „O mein Gott.“ Wie die „New York Times“ berichtete, soll den Einsatzkräften erst durch Walkers Notruf klar geworden sein, dass Taylor schwer verletzt war. Doch als die Rettungskräfte in die Wohnung eintraten, war sie bereits tot.
Rund 15 Minuten nach dem Schusswechsel wurde Walker festgenommen. Auch die Gerichtsmedizinerin konnte nur noch Taylors Tod feststellen. Später gab sie an, man hätte Taylor nicht mehr retten können: Sie sei vermutlich unmittelbar nach den Schüssen verstorben.
Polizisten vollstreckten Durchsuchungsbefehl
Die Frage, warum die Polizisten überhaupt an Taylors Tür hämmerten, konnte mittlerweile geklärt werden. Doch inwieweit das Vorgehen gerechtfertigt war, ist bis heute höchst umstritten.
Laut der „New York Times“ ermittelte die Polizei vor Taylors Tod gegen zwei mutmaßliche Drogendealer. Ein Richter hatte einen Durchsuchungsbefehl für Taylors Wohnung erlassen, weil die Polizei glaubte, dass einer der Männer über Taylors Wohnung Pakete empfing. Dieser Mann war ein Ex-Freund von Taylor, mit dem sie laut ihrer Familie aber keinen Kontakt mehr hatte.
Die örtliche Polizei erhielt zunächst die Erlaubnis, ohne zu klopfen in das Apartment einzudringen („no-knock“), kurz vorher wurde diese wieder entzogen. So musste die Einsatzkräfte doch erst klopfen und sich als Polizisten zu erkennen geben („knock and announce“). Laut den Polizisten habe man sich an die Order gehalten. Doch Walker hält bis heute daran fest, dass er nicht wusste, wer vor der Tür stand. Außerdem bestätigte sich der Verdacht des Drogenbesitzes nicht: Die Beamten fanden kein Rauschgift in Taylors Wohnung.
Polizeireform in Louisville
Die Mutter von Taylor, Tamika Palmer, kritisierte den Einsatz scharf und verklagte die Stadt Louisville wegen „widerrechtlicher Tötung“: Die Polizisten hätten unter „totaler Missachtung für den Wert eines menschlichen Lebens“ gefeuert. Ihre zivilrechtliche Klage war erfolgreich, Taylors Mutter wurden umgerechnet mehr als 10 Millionen Euro zugesprochen und die Stadt stimmte zu, die Polizei zu reformieren. Zwischenzeitlich wurde die „No-knock“-Praxis tatsächlich in der Stadt verboten: Das Gesetz trägt Taylors Namen und soll verhindern, dass sich solch ein Fall noch mal wiederholt. Und die Louisville-Polizei kündigte an, dass künftig alle Polizisten Kameras am Körper tragen sollen, wenn sie Durchsuchungen durchführen und sich ankündigen.
Breonna Taylors tragischer Tod wurde medial zunächst von der aufkommenden Corona-Pandemie verdrängt. Erst im Mai nach der Tötung von George Floyd rückte auch der Fall Taylor in den Fokus. Millionen Demonstrierende der Black-Lives-Matter-Bewegung gingen im Sommer 2020 auf die Straße, trugen T-Shirts mit Taylors Gesicht und ihrem Namen, forderten Aufklärung und Konsequenzen. Die Demonstrationen mündeten in den größten Protesten in der Geschichte der Vereinigten Staaten – mit geschätzten 15 bis 26 Millionen Teilnehmenden.
Taylor wurde im Sommer auf dem Cover der US-amerikanischen „Vanity Fair“ geehrt, die „New York Times“ widmete ihrem Fall eine dreiteilige Dokumentation. Prominente, darunter die Schauspielerinnen Olivia Wilde und Amy Schumer, forderten in den sozialen Medien die Verhaftung der Polizisten.
Ermittlungen des FBI
Doch keiner der im Fall Taylor beteiligten Beamten wurde bisher strafrechtlich belangt. Wie in den USA üblich, beurteilte eine Grand Jury in einem nicht öffentlichen Verfahren den Fall – und entschied sich am 23. September 2020 dagegen, die drei Polizisten für den Tod der jungen Frau anzuklagen. Die Schüsse der Beamten seien gerechtfertigt gewesen. Nur ein Polizist wurde angeklagt, weil er durch seine Schüsse die Menschen in den umliegenden Wohnungen in Gefahr gebracht haben soll.
Doch kurz darauf gingen zwei Geschworene anonym an die Öffentlichkeit und erklärten, dass die Staatsanwaltschaft ihnen gar nicht die Möglichkeit gab, die Polizisten wegen des Todes von Taylor anzuklagen. Der Staatsanwalt Daniel Cameron verneinte dies in einem Interview: Wenn die Mitglieder der Grand Jury „über verschiedene Anklagen beraten wollten, hätten sie das tun können“.
Ferner wollte ein Polizist Kenneth Walker zur Rechenschaft ziehen: Der Freund von Taylor habe versucht, den Polizeibeamten zu töten. Im März 2021 wurde die Klage wegen versuchten Mordes allerdings fallen gelassen. Der Anwalt von Kenneth Walker erklärte: Mein Mandant „ist erleichtert, dass die Staatsanwaltschaft nach dem schlimmsten Jahr seines Lebens endlich anerkannt hat, dass er nichts falsch gemacht und sich selbst verteidigt hat“.
Die Hinterbliebenen hoffen nun auf die FBI-Ermittlungen, die weiterhin laufen und vermutlich im Mai 2021 abgeschlossen werden.
Polizisten: „Wir haben niemanden gejagt“
Zwischenzeitlich haben drei der am Einsatz beteiligten Polizisten, ihren Job verloren – zwei davon im Januar 2021. Sie gehen aber gegen ihre Kündigungen vor. Ein Polizist erklärte in einem Interview unter anderem, sie hätten lediglich ihren Job gemacht: „Wir haben auf Schüsse reagiert. Wir haben niemanden gejagt oder auf jemandes Hals gekniet.“
Familie verlangt Aufklärung
Doch bis heute hat Taylors Familie viele Fragen: Warum wurde die Durchsuchung in der Nacht durchgeführt? Und war sie überhaupt nötig? Haben sich die Polizisten wirklich angekündigt? Warum bekam Breonna Taylor nicht sofort Erste Hilfe? Hätte sie doch gerettet werden können? Wurden der Grand Jury alle Anklagen vorgelegt?
Sie verlangen eine vollständige Aufklärung und wollen alle Akten des Falls sichten. Für Breonnas Mutter ist klar, dass sie nie aufgeben wird, Gerechtigkeit für ihre Tochter einzufordern. Sie erklärte NBC vor wenigen Tagen: „Ich hatte immer das Gefühl, dass ich nur eine Aufgabe hatte: meine Kinder zu beschützen. Und wie soll man da nicht weiterkämpfen?“