Tonga arbeitet drei Monate nach Vulkanausbruch am Wiederaufbau
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Für den kleinen Inselstaat im Pazifik war der Vulkanausbruch eine Katastrophe: Ganze Dörfer wurden weggespült, große Teile der Infrastruktur zerstört oder beschädigt.
© Quelle: Tonga Geological Services/ZUMA P
Wellington. Samantha Moala stand zu Hause gerade unter der Dusche, als sie ein Geräusch wie ein Kanonenschuss hörte – es war so laut, dass es ihr in den Ohren weh tat. Während sie und ihre Familie hastig ins Auto stiegen, um ins Landesinnere zu fahren, war der Himmel von einer Aschewolke verdunkelt. Kurz darauf schwappten schon die ersten Wellen eines Tsunamis über die Straße, auf der sie in Richtung des Flughafens fuhren.
80 Prozent der Bevölkerung von Schäden betroffen
Der Vulkan-Ausbruch in Tonga vor drei Monaten war der weltweit heftigste seit 30 Jahren. Für den kleinen Inselstaat im Pazifik war er verheerend. Moala, die in ihrer Heimat als Ehrenamtliche für das Internationale Komitee vom Roten Kreuz arbeitet, kümmerte sich um Landsleute, die auf dem Gelände des Flughafens Schutz gesucht hatten – sie versorgte Wunden, die diese bei ihrer Flucht erlitten hatten und gab ihnen psychologischen Beistand.
„Die Leute standen alle unter Schock“, sagt die 39-Jährige. Etwa 50 Betroffene hätten zwei Tage auf dem Flughafen ausharren müssen, bis sie wieder in ihre Häuser hätten zurückkehren können. Um ihnen zu helfen, um ihnen Mut zu machen, sei sie bei ihnen geblieben. „Es ist eine kleine Insel – und im Laufe von zwei Stunden haben wir uns gut kennengelernt.“
Allmählich kommt das Land beim Wiederaufbau voran. Zugleich werden die Auswirkungen der Katastrophe immer deutlicher. In der vergangenen Woche überreichte der Ministerpräsident die Schlüssel für das erste instand gesetzte Haus. Insgesamt will die Regierung 468 zerstörte Gebäude wiederherrichten. Unmittelbar nach dem Vulkanausbruch hatten in Tonga etwa 3000 Menschen Notunterkünfte aufsuchen müssen, 80 Prozent der Bevölkerung waren in irgendeiner Weise von Schäden betroffen.
Aschewolke stieg bis 58 Kilometer in die Höhe
Moala half zunächst einige Wochen lang beim Aufbau von Zelten und Planen. Später brachte sie sich ein, indem sie für andere Helfer kochte. Weil der Tsunami auch ein wichtiges Glasfaserkabel zerstört hatte, war Tonga erst fünf Wochen nach der Katastrophe wieder per Internet mit dem Rest der Welt verbunden. Dadurch konnten im Ausland lebende Angehörige oft erst mit entsprechender Verzögerung finanzielle Unterstützung schicken.
Drei Menschen kamen in Tonga bei dem vom Vulkanausbruch ausgelösten Tsunami ums Leben, ein vierter Todesfall war nach Angaben der Behörden auf ein Trauma in Verbindung mit der Katastrophe zurückzuführen. Der Knall der gewaltigen Eruption war bis ins Tausende Kilometer weit entfernte Alaska zu hören. Die Aschewolke stieg bis zu 58 Kilometer in die Höhe.
Die wirtschaftlichen Schäden belaufen sich nach Schätzungen der Weltbank auf etwa 90 Millionen Dollar (83 Millionen Euro). In dem kleinen Land mit nur etwa 105 000 Einwohnern sind dies etwa 18 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die Weltbank betont, dass viele touristische Anlagen, die wichtige Devisen ins Land brächten, zerstört worden seien. Neben Ferienhäusern und Kaianlagen wurden aber auch Landwirtschafts- und Fischereibetriebe stark getroffen. Die australische Bank ANZ geht davon aus, dass die Wirtschaft Tongas, für die vor dem Vulkan-Ausbruch ein Wachstum von 3,7 Prozent prognostiziert worden war, in diesem Jahr um7,4 Prozent schrumpfen wird.
Die internationale Gemeinschaft hat bereits in größerem Umfang Unterstützung zugesichert. Die Weltbank gibt 8 Millionen Dollar, weitere 10 Millionen kommen von der Asiatischen Entwicklungsbank. Hinzu kommen finanzielle Hilfen von vielen Einzelstaaten wie Australien, Neuseeland, Japan, China und den USA sowie von der Europäischen Union.
Menschen kehren langsam zur Normalität zurück
Ein Rückschlag in der Katastrophen-Bewältigung war der erste Coronavirus-Ausbruch des Landes. Mit einiger Wahrscheinlichkeit wurde das Virus von ausländischen Helfern nach Tonga gebracht. In der Folge hatte die Bevölkerung auch noch mit mehreren Lockdowns zu kämpfen. Bis heute gilt in dem Pazifikstaat ein Ausnahmezustand.
Moala ist eine von mehr als 8500 Tongaern, die sich mit dem Coronavirus angesteckt haben. Elf Menschen sind auf den Inseln des Landes nach einer Infektion gestorben. Die 39-Jährige sagt, der Ausbruch habe auch viele Unternehmen schwer in Mitleidenschaft gezogen. Auch ihr Mann, der als Tätowierer arbeite, habe Einbußen zu beklagen.
Der Höhepunkt der örtlichen Corona-Welle scheint inzwischen aber überschritten zu sein. Da parallel auch der Wiederaufbau in Schwung gekommen ist, können viele Bewohner inzwischen wieder einen halbwegs geregelten Alltag genießen. Das gilt jedoch nicht für 62 Menschen von der Mango Island und etwa hundert weitere von der Atata Island. Diese beiden Inseln, die relativ nah am Vulkan Hunga Tonga Hunga Ha‘apai liegen, wurden fast vollständig zerstört. Die Bewohner werden womöglich nie zurückkehren können und haben als Ersatz auf den beiden Hauptinseln Tongas Land angeboten bekommen.
Laut Sione Taumoefolau, Leiter des Tongaischen Roten Kreuzes, steht hinsichtlich der Umsiedlung dieser Menschen noch viel Arbeit bevor. Zugleich sei es immer noch schwierig, genügend Vorräte auf andere abgelegene Inseln zu bringen. „Nach drei Monaten fangen die Leute an, zur Normalität zurückzukehren“, sagt er. Viele würden aber weiterhin „psychologische und soziale Unterstützung“ benötigen, vor allem diejenigen, die umziehen müssten.
RND/AP