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Bereits 14.000 Todesfälle in 2023

Tödliche Schusswaffenangriffe in den USA: jede Woche ein Massaker

Allein in den ersten vier Monaten und sechs Tagen des Jahres 2023 wurden in den USA bei 22 Massakern 115 Menschen getötet.

Allein in den ersten vier Monaten und sechs Tagen des Jahres 2023 wurden in den USA bei 22 Massakern 115 Menschen getötet.

New York. Die Frage „Warum?“ stellt sich Richard Berger immer noch – mehr als fünf Jahre nach dem Tod seines Sohnes bei einem Schusswaffenangriff in Las Vegas. Warum wurde Stephen Berger einen Tag nach seinem 44. Geburtstag getötet? Warum eröffnete der Schütze 2017 das Feuer auf die feiernden Besucher eines Countrymusik-Festivals? Warum brachte die Zahl der Toten US-Politikerinnen und -Politiker nicht dazu, mehr zu unternehmen, damit so etwas nicht immer wieder passiert?

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„Wir wissen es einfach nicht, und wir wissen einfach nicht, was wir sagen sollen“, sagte Berger. Bei dem Schusswaffenangriff kamen neben seinem Sohn noch 59 weitere Menschen ums Leben.

In 2023 gab es bisher im Schnitt in den USA ein Massaker pro Woche

Neben den Bergers mussten sich seither noch viele andere Familien die Frage nach dem Warum stellen. Allein in den ersten vier Monaten und sechs Tagen des Jahres 2023 wurden bei 22 Massakern 115 Menschen getötet. Das ist im Durchschnitt eine solche Tat pro Woche. Die Zahl umfasst auch den Schusswaffenangriff in einem Einkaufszentrum in der Gegend von Dallas, wo acht Menschen erschossen wurden. Aus einer Analyse von Datenmaterial der Nachrichtenagentur AP geht hervor, dass es seit mindestens 2006 nicht mehr so viele Todesopfer bei Massentötungen so früh im Jahr gegeben hat.

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Für die Entwicklung machen Experten mehrere Faktoren verantwortlich: Es habe in den vergangenen Jahren einen allgemeinen Anstieg aller Formen der Schusswaffengewalt gegeben, Schusswaffen seien angesichts laxer Gesetze verbreiteter und die Coronavirus-Pandemie habe Auswirkungen gehabt, darunter Stress durch monatelanges Leben in Quarantäne. Zudem herrsche ein politisches Klima, in dem es keine Bereitschaft oder Fähigkeit dazu gebe, den Status quo entscheidend zu ändern. Auch gebe es einen zunehmenden Fokus auf Gewalt in der US-Kultur.

Mehrere Tote und Verletzte bei Amoklauf in Texas
06.05.2023, USA, Allen: Menschen heben die Hände, als sie ein Einkaufszentrum nach Berichten über Schüsse verlassen. In dem Einkaufszentrum in einem Vorort der Stadt Dallas sind bei einem Amoklauf mehrere Menschen verletzt worden. Am Samstagabend (Ortszeit) war die Lage noch unklar. Foto: LM Otero/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Auf Fernsehbildern war zu sehen, wie Hunderte das Einkaufszentrum nordöstlich von Dallas im US-Bundesstaat Texas mit erhobenen Händen verließen.

Die US-Bundespolizei FBI definiert eine Tat als „Massentötung“, wenn es dabei in einem 24-Stunden-Zeitraum mindestens vier Todesfälle gibt. Der Täter wird dabei nicht mitgezählt. Die AP und die Zeitung „USA Today“ haben dazu in Zusammenarbeit mit der Northeastern University umfangreiches Datenmaterial gesammelt.

Das Tatmotiv des Schützen von Las Vegas ist noch immer unbekannt. Der Mann, der mit großen Einsätzen um Geld spielte, war offenbar verärgert darüber, wie er von den Kasinos behandelt wurde. Das FBI hat aber kein festes Motiv für den schlimmsten Schusswaffenangriff in der modernen Geschichte der USA genannt.

USA: Mehr als 14.000 Todesfälle durch Schusswaffen in diesem Jahr

Aufsehenerregende Schusswaffenangriffe, über die in den Medien berichtet wird, sind nur ein Bruchteil aller tödlichen Taten mit Schusswaffen in den USA. Angriffe, bei denen weniger als vier Menschen getötet werden und Todesfälle bei häuslicher Gewalt sind deutlich häufiger als Massentötungen. Hinzu kommen Suizide, die der Beobachterorganisation Gun Violence Archive zufolge für mehr als die Hälfte der 14.000 Todesfälle durch Schusswaffen in diesem Jahr verantwortlich sind.

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Doch die Massentötungen erregen bei Menschen die größte Besorgnis. Eltern von Kindern im Schulalter machten sich Sorgen, dass auf ihr Kind beim Schulbesuch geschossen werde, sagte der Professor Daniel Webster vom Johns Hopkins Center for Gun Violence Solutions.

Nach Massakern bleiben die Hinterbliebenen oft mit der Frage nach dem „Warum?“ zurück

Zwar sind Massentötungen weniger häufig als andere Todesfälle mit Schusswaffen, doch sie passieren. Mehr als 20 Jahre nach dem Angriff an der Columbine-Schule, mehr als zehn Jahre nach dem Angriff an der Sandy-Hook-Schule, mehr als fünf Jahre nach Las Vegas und weniger als ein Jahr nach Massakern in Buffalo und Uvalde bleibt es beim „Warum?“.

Bis Forscher genau sagen können, warum es so einen drastischen Anstieg bei der Schusswaffengewalt gegeben hat, wird es vermutlich Jahre dauern – wenn sie überhaupt dahinterkommen. Aktivisten argumentieren, mit den richtigen Maßnahmen könnten derartige Verbrechen womöglich gestoppt werden – zum Beispiel mit einer Schusswaffenreform und Waffenverboten. Doch verweisen sie darauf, dass es im US-Kongress wenig Motivation gebe, solche Maßnahmen umzusetzen.

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„Ich glaube, die Vereinigten Staaten haben ein Verhältnis zu Schusswaffen wie kein anderes Land in der Welt“, sagte die Forschungsdirektorin Kelly Drane vom Giffords Law Center to Prevent Gun Violence. „Diese Ereignisse sind eine Folge unseres Versagens, Präventivmaßnahmen einzuführen.“

Biden will Waffengesetze verschärfen – doch der Kongress zieht nicht mit

US-Präsident Joe Biden befürwortet schärfere Waffengesetze. Er kritisiert die fehlende Bereitschaft im Kongress, einige halbautomatische Gewehre zu verbieten. Das Zögern hat auch mit der einflussreichen Schusswaffenlobby National Rifle Association (NRA) zu tun.

Als Meilenstein – zumindest für die US-Kongressabgeordneten – wird ein Gesetz betrachtet, das bereits verabschiedet wurde. Dieses sieht strengere Personenkontrollen für junge Waffenkäufer vor und erschwert es Personen, denen häusliche Gewalt vorgeworfen wurde, an Schusswaffen zu kommen. Zudem wird die Beschlagnahmung von Schusswaffen von Personen erleichtert, die einer drohenden Gewalttat verdächtigt werden. Biden unterzeichnete das Gesetz im vergangenen Jahr. Doch es hat wenig dazu beigetragen, die Gewalt einzudämmen.

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Richard Berger ist inzwischen 80. Er verbringt Zeit mit seinen Enkelkindern, eines davon erinnert ihn an seinen Sohn Stephen, der Basketball liebte. An der früheren Highschool seines Sohnes verleiht die Familie Berger jedes Jahr Sportstipendien.

RND/AP

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