Vor Ort im Hochwassergebiet: „Es war wie ein Tsunami“
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In Bad Neuenahr-Ahrweiler kämpfen die Anwohner noch mit den Auswirkungen der Flut.
© Quelle: Getty Images
Bad Neuenahr-Ahrweiler. Am Fuße der Ahr in Bachem, einem Ortsteil von Bad Neuenahr-Ahrweiler, haben die Wassermassen kaum etwas übrig gelassen. Der sonst so beschauliche Fluss in der Kurstadt hat unerbittlich seine zerstörerische Kraft entfaltet: Zwei Brücken, eine davon eingestürzt und die zweite nur dank eines Notholzgeländers gerade noch passierbar, demonstrieren, wie die Flut vom Donnerstag gewütet hat. Ein Neubaugebiet in Ufernähe, in dem einige Einfamilienhäuser bereits fertiggestellt waren, liegt in Schutt und Asche. Ein Baukran steht völlig schief am Rande der Baufläche, von der nur noch matschig-grüner Erdboden übrig ist.
Es sind Bilder der Verwüstung im Norden von Rheinland-Pfalz, die erst jetzt sichtbar werden, wo sich das Wasser immer weiter zurückzieht. „Es war wie ein Tsunami“, schildert eine ältere Dame, die mit ihrem Ehemann unweit der schwer betroffenen Straßen wohnt – auf einem Hügel und damit vor der Flut geschützt. Der Kurpark unterhalb ihres Hauses, berichtet sie, sei nicht mehr wiederzuerkennen. Ein weiterer Anwohner sagt: „Hier sieht es aus wie im Krieg.“ Und das gilt nicht nur für das Landschaftsbild der Stadt. Die Region Ahrweiler hat bis jetzt 110 Todesopfer zu beklagen. Damit ist sie härter getroffen als alle anderen Hochwassergebiete. Hinzu kommen viele Verletzte und noch immer Vermisste. Die Rettungskräfte sind im Dauereinsatz, Sirenen und Hubschrauber, die über der Stadt kreisen, dröhnen laut.
Viele sind vorerst mit Wiederaufbau beschäftigt
Helferinnen und Helfer der Seelsorge sind ebenfalls bereits unterwegs, um frühzeitig mit Angehörigen und Betroffenen zu sprechen. Sogar aus dem benachbarten Saarland reisen sie an. Eine Seelsorgerin sagt, dass sie „selten soviel Bestürzung erlebt hat“. Mit der psychologischen Unterstützung sei es aber teilweise schwierig, weil viele „noch mit anderen Dingen beschäftigt sind“ – gemeint ist vor allem eins: Aufbauarbeit. Dabei zeigt sich die große Solidarität und Hilfsbereitschaft. Alle packen mit an, gehen in Gummistiefeln und schon voller Matsch durch die Straßen. Von einem Nachbarn zum anderen, um Keller auszupumpen, freizuschaufeln und zerstörte Möbel aus den Häusern zu tragen.
Rund 40 Kilometer entfernt bestätigt sich die Solidarität in der Region. Der Nürburgring hat unmittelbar nach der Flutkatastrophe reagiert und mehrere Kongresshallen zum Lager für Spenden umfunktioniert. „Es sind viele Menschen aus dem direkten Umfeld betroffen, die ihr Hab und Gut, die Familie und Freunde verloren haben“, sagt Alexander Gerhard, Pressesprecher des Nürburgrings und ergänzt: „Da ist es selbstverständlich, dass wir helfen.“ Seit Donnerstagabend staut es sich direkt vor der Motorsport-Rennstrecke, weil Sachspenden von Hunderten Privatpersonen angeliefert werden. Mittlerweile gibt es einen Annahmestopp für Kleidung, vor allem werden noch Essen und Konserven benötigt.
Nürburgring wird zur Basis für Rettungskräfte
Hunderte Helferinnen und Helfer sind im Einsatz, um die Spenden zu sortieren. Die zwei junge Helferinnen Chantal und Michelle berichten: „Es gibt so viel Arbeit, aber wir sind sehr gerne dabei. Wir kümmern uns etwa um Drogerieartikel und Babynahrung, die verpackt und an die Betroffenen verteilt werden können.“
Helfer Thomas sagt: „Es kommen sogar Leute aus München oder Berlin, um zu spenden. Wir sind so froh, wie viel Hilfe hier ankommt.“ Am Nürburgring ist zudem im sonstigen Fahrerlager eine Art Basis für Rettungskräfte von THW, Feuerwehr und Bundeswehr entstanden, die von dort aus in die betroffenen Gebiete ausrücken – Helferinnen und Retter an einem Ort, wo Chaos und Zerstörung nicht weit und Solidarität so eindrucksvoll sichtbar ist.