Wie Indonesien seine Korallen retten will
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Auf über 300 Strukturen haben Andrew Taylor und sein Team inzwischen über 15.000 Korallenfragmente angesiedelt.
© Quelle: Andrew Taylor, Blue Corner Marine Research
Beim Thema Umweltschutz hat Indonesien nicht den besten Ruf. Verseuchte Flüsse, abgeholzte Regenwälder und Waldbrände, die selbst die Nachbarländer in dicke Rauchwolken hüllen, haben dem südostasiatischen Inselstaat ein schlechtes Image verliehen. Auch die sensiblen Korallenriffe in der Region haben neben dem Klimawandel vor allem unter Wasserverschmutzung und Überfischung schwer gelitten. Destruktive Fischereitechniken wie das Dynamitfischen haben nicht nur den Artenreichtum in der vielfältigen Unterwasserwelt dezimiert, sondern auch die Riffe selbst zerstört.
Doch ein Umdenken hat eingesetzt und seit den 1990er-Jahren hat Indonesien mehr als 500 Projekte angestoßen, um Korallenriffe wieder zu restaurieren. Laut einer Studie der indonesischen IPB-Universität, die sich derzeit noch im Peer-Review-Prozess befindet, hat der südostasiatische Inselstaat damit mehr Aufwand bei Korallenrestaurationsprojekten betrieben als jedes andere Land der Erde.
Indonesien führend bei der Korallenrestauration
„In den letzten Jahren wurden weltweit enorme Anstrengungen unternommen, um Riffe wieder zu regenerieren“, sagte Tries Razak, eine Wissenschaftlerin an der IPB-Universität in Westjava, die die Studie leitete. „Vor allem Australien hat etliche Projekte angestoßen, doch in Bezug auf die Anzahl der dokumentierten Projekte ist Indonesien derzeit führend.“ Die meisten dieser Projekte gehen dabei von der indonesischen Regierung aus, die bis 2030 auch bis zu 30 Millionen Hektar Ozean in Meeresschutzgebiete verwandeln möchte.
Andrew Taylor, ein kanadischer Meeresbiologe und Direktor von Blue Corner Marine Research, leitet seit 2018 ein Riffprojekt vor Nusa Penida, einer Insel südöstlich von Bali. Die dortigen Korallen sind durch Abwässer, Algenzucht, Überfischung sowie den Bau eines neuen Fährhafens belastet. Laut Taylor befinden sich rund um die Insel gleich mehrere stark beschädigte Riffe. „Diese sind aufgrund von physischen Schäden durch Bootsanker, Schleppnetze und Touristen, die von Pontons aus auf die Korallen getreten sind, in toten Schutt verwandelt worden“, schrieb er in einer E-Mail.
Strukturen im Meer als künstliches Riff
Das Restaurationsprojekt, an dem Taylor arbeitet, zielt darauf ab, diese Degradierung umzukehren und das tote Riff wieder in ein gesundes Ökosystem mit lebenden Korallen zu verwandeln. Dafür musste der Biologe zunächst die Struktur des Riffs wieder aufbauen. Sein Team und er installierten Rahmen am Meeresboden, die im Anschluss mit ausgewählten Korallenarten bestückt wurden. „Der Wiederaufbau der Strukturen war notwendig, um einen Lebensraum zu schaffen“, erklärte der Forscher. Auf diese Weise konnten letztendlich auch wieder Fische und andere Meeresorganismen angelockt werden, die für die verschiedenen symbiotischen Beziehungen zwischen Korallen und anderen Arten am Riff notwendig sind.
Korallenriffe bilden den Lebensraum für ein Viertel aller Tier- und Pflanzenarten im Meer: In den verästelten Labyrinthen wächst der Fischnachwuchs auf, geschützt vor Räubern und den Launen der Natur. Doch auch für den Menschen sind sie unverzichtbar: Über 500 Millionen Menschen sind weltweit von den Riffen abhängig. Beispielsweise schützen Riffe die Küstengebiete bei Stürmen vor Erosion. Außerdem bieten sie eine wichtige Einnahmequelle – nicht nur im Tourismus. In vielen tropischen Ländern wie Malaysia oder Indonesien ist der Fischfang eine der Hauptnahrungsquellen und ohne Riffe verschwinden auch ihre Bewohner.
Von der Unterwasserwüste zum Korallengarten
Korallen gehören wie auch Quallen und Seeanemonen zu den Nesseltieren, doch sie teilen auch einige Eigenschaften mit Steinen und Pflanzen. Beispielsweise produzieren sie Kalksteinskelette und leben in enger Partnerschaft mit winzigen Algen. Letztere verleihen den Korallen ihre bunten Farben und produzieren mithilfe des Sonnenlichts Nahrung für sie. Da Korallen sich geschlechtlich, aber auch ungeschlechtlich vermehren, können abgebrochene Korallenfragmente durchaus wieder am Meeresboden weiterwachsen und einen neuen Korallenstock bilden.
Dieses Prinzip haben sich auch Forscher wie Taylor bei ihrer Rehabilitationsarbeit zunutze gemacht. Nusa Penida ist ein gutes Beispiel dafür: Was vor wenigen Jahren noch wie eine Abraumhalde unter Wasser aussah – fast völlig verwaist mit nur noch wenig Meeresleben –, beginnt sich inzwischen wieder zu erholen. Auf über 300 Strukturen haben Andrew Taylor und sein Team inzwischen über 15.000 Korallenfragmente angesiedelt und die „Unterwasserwüste“ hat sich auf diese Weise wieder in eine Art Korallengarten verwandelt, in den auch Fische und andere Meerestiere zurückgekehrt sind.
Wenig Langzeitüberwachung
Doch nicht alle Projekte sind so erfolgreich wie das von Taylor. Laut des Leibniz-Zentrums für Marine Tropenforschung (ZMT) in Bremen ergaben Studien zwar, dass rund 60 bis 70 Prozent einer Nachzucht zumindest die ersten Monate im Riff überleben. Doch Sebastian Ferse, ein Riffökologe am ZMT, warnte dabei auch, dass diese Zahl „trügen“ könne, da langfristige Kontrollen bisher selten seien. „Es kann durchaus vorkommen, dass schon nach zwei Jahren weniger als jeder zehnte Setzling am Leben ist“, so Ferse.
Auch Tries Razak gibt zu bedenken, dass weniger als 20 Prozent aller Projekte auf längere Sicht angelegt sind und deswegen wenig Langzeitüberwachung stattfindet. „Einige Projekte arbeiten zudem mit Strukturen, die wenig umweltfreundlich sind oder Strömungs- und hydrodynamische Kräfte auf Dauer nicht überstehen können“, sagte die Forscherin. Trotzdem helfe jedes Restaurationsprojekt für sich, Riffen zumindest wieder „eine Starthilfe“ zu geben.