Plötzlich steht ein Wolf vor ihm: „Ich hatte Angst um das Tier“
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Michael Werner hat einen Wolf in Glienicke beobachtet – und fotografiert.
© Quelle: Helge Treichel
Glienicke. An diese Begegnung werde er sich wohl noch lange zurückerinnern, sagt Michael Werner aus Glienicke (Brandenburg) im Norden von Berlin. Völlig überraschend sei ihm am vergangenen Samstag kurz nach 12 Uhr ein Wolf vors Auto gelaufen – mitten im Ort. Das Tier sei der Straße gefolgt, wobei es die Fahrbahn mehrfach überquert habe.
Um andere Verkehrsteilnehmer zu warnen und zum Schutz des Tieres, habe er daraufhin die Warnblinkanlage eingeschaltet und den Polizeinotruf gewählt. Dass es sich um einen Wolf handeln muss, habe er am Verhalten, dem aufmerksamen Blick und an der hochbeinigen Statur des Tieres erkannt, sagt der 55-Jährige: „Ich bin Wolfsliebhaber und befasse mich viel mit Tieren.“
Begegnung mit dem Wolf auf einem Privatgrundstück
Irgendwann sei der scheue Besucher dann auf ein Privatgrundstück von Bekannten abgebogen. Dort habe er beim Warten auf die Polizeistreife auch ein Foto machen können, so Michael Werner. Allerdings sei zu merken gewesen, wie stressig die Situation für das Tier war und dass es nach einer Rückzugsmöglichkeit gesucht habe.
Und nach einer guten halben Stunde habe es die auch gefunden. „Ich hatte Angst um das Tier“, begründet Michael Werner seinen Notruf. Einerseits könnte der Wolf im Straßenverkehr verletzt werden, andererseits habe er eine eventuelle Hetzjagd verhindern wollen.
Jäger bestätigt: Es ist ein Wolf – und gibt Tipps
„Wir hatten bereits mehrfach Wolfssichtungen in der Gegend, teilweise mit Wildkameras, aber dass ein Tier mitten durch den Ort läuft, ist schon ungewöhnlich“, sagte ein Jäger aus Schildow, der seinen Namen nicht öffentlich genannt haben möchte.
Nachdem er sich die Geschichte von Michael Werner persönlich angehört, das Foto studiert und ein paar Fragen gestellt hat, ist er sich ziemlich sicher, dass es sich tatsächlich um einen Wolf handelte, seiner Ansicht nach um ein ausgewachsenes Tier. Das allerdings befinde sich aller Erfahrung nach auf der Durchreise und werde sich so bald nicht wieder blicken lassen.
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Dieses Foto konnte Michael Werner von dem Wolf in Glienicke/Nordbahn machen. Nach der Begegnung zeigt er sich tief beeindruckt.
© Quelle: Michael Werner
Dass es sich – wie zum Teil behauptet wurde – um ein Rudel aus mehreren Tieren handelt, „halte ich für ausgeschlossen“, sagt der Jäger mit 50 Jahren Erfahrung. Dieses Gerede hält er für ebenso abwegig wie Facebook-Warnungen vor dem Wolf. Wildtiere verhielten sich natürlicherweise scheu gegenüber den Menschen. Oft würden Menschen mitunter sogar mit Hunden vorbeilaufen, ohne Wildtiere überhaupt zu bemerken.
Das gelte für Schwarzwild und andere Arten genauso wie für den Wolf. Sollte es doch zu einer Begegnung kommen: laut sprechen und klatschen, Blickkontakt halten und sich zurückziehen, aber keinesfalls wegrennen. Die Polizei oder einen Jäger zu rufen nütze dagegen nichts. „Die dürfen sowieso nur bei Gefahr im Verzug eingreifen.“
Wölfe in Oberhavel: Einzelgänger auf Durchreise und Rudel mit Nachwuchs
Dass es sich mit größter Wahrscheinlichkeit um einen „Einzelgänger auf der Durchreise“ handelt, bestätigt ein Jägerkollege aus Glienicke im Gespräch. Nachrichten von Sichtungen hätten ihn am Wochenende von verschiedener Seite erreicht. „Das hat sich aufgebaut“, sagt er. Inzwischen habe mithilfe der Wolfsbeauftragten Anja Kayser vom Landesamt für Umwelt Brandenburg mit großer Sicherheit bestätigt werden können, dass es sich in Glienicke um einen Wolf gehandelt hat.
„Fährten und Schrittlänge sind vermessen worden, und auch der Habitus ist eindeutig“, sagt er. Und weil ein Wolf locker 60 Kilometer und mehr am Tag zurücklegen kann, seien derartige Streifzüge nicht überraschend. Zusammenhängende Waldgebiete seien nicht weit entfernt. Dass sich die Wolfsbestände drastisch erhöhen, würden nicht nur die Jäger feststellen, sagen die beiden Waidmänner. Nach den Worten von Anja Kayser gebe es sogar ein bestätigtes Wolfsvorkommen im Krämerwald – sogar mit Nachwuchs.
Die Aufregung und das Gerede um und über den Wolf ärgert den Glienicker Jäger, der ebenfalls schlechte Erfahrungen mit militanten Tierschützern gemacht hat und deshalb lieber anonym bleiben möchte. Denn während über den Schutz des Jägers lebhaft diskutiert wird, werde dessen Nahrungsspektrum aus seiner Sicht vernachlässigt, so der Mann. „Wir vergessen Rebhuhn, Fasan und Wachtel sowie andere Arten“, sagt er. Hinzu komme der Faktor Mensch: „Wir haben mittlerweile ein massives Problem mit der Disziplin im Wald.“
Jäger: Menschen verhalten sich zunehmend rücksichtslos in Wald und Flur
Rücksichtslos werde verbotenerweise kreuz und quer durch Wälder und über Wiesen gelatscht, häufig sogar mit nicht angeleinten Hunden. Gerade in den Ballungsräumen würden Menschen abseits der Wege viel Stress in der Tierwelt verursachen – von Spaziergängern über Geocacher oder Sondengänger bis hin zu Wilderern. Gefährdete Arten wie Feldhasen würden dadurch zusätzlich unter Druck geraten. Eine solche Unruhe im Revier sei auch dem Wolf zu stressig. Er erwarte deshalb, dass dieser in Richtung Barnim weiterzieht, sagt der Jäger.
Michael Werner hatte bereits mehrfach seltene Tierbegegnungen, darunter mit wilden Orcas. Aber ein Wolf sei noch einmal etwas anderes, sagt der Glienicker und schwärmt weiter: „Ein wunderschönes Tier!“
Dieser Artikel erschien zuerst in der „Märkischen Allgemeinen“.