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Zum Jubiläum der Queen: Warum die Royals bislang jede Krise gemeistert haben

Queen Elizabeth II. 2012 bei der Militärparade auf Schloss Windsor anlässlich ihres Geburtstages.

Queen Elizabeth II. 2012 bei der Militärparade auf Schloss Windsor anlässlich ihres Geburtstages.

Das Ganze gleicht ein bisschen einem Fall in Etappen: Nachdem ihm Queen Elizabeth II. bereits im Januar sämtliche militärischen Ehrentitel und königlichen Schirmherrschaften entzogen hatte, legt Prinz Andrew nun auch auf scheinbar bedeutungsärmeren Ebenen nach. Vor einigen Tagen gab der Sohn der Königin seine Ehrenmitgliedschaft in einem der prestigeträchtigsten Golfclubs der Welt ab, dem Royal & Ancient Golf Club im schottischen Nobelort St. Andrews. Viele ahnen: Das dürfte noch nicht das Ende seines Rückzugs aus der Öffentlichkeit gewesen sein.

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Die Missbrauchsvorwürfe gegen Andrew lasten schwer auf dem Königshaus. Schadensbegrenzung ist das Gebot der Stunde im Buckingham Palace. Es scheint klar: Wie auch immer ein Urteil gegen den angeschlagen Prinzen in den USA ausgehen mag und ganz egal, ob die Vorwürfe gegen ihn zutreffen – ein möglicher Zivilprozess würde über Monate, wenn nicht Jahre, das Ansehen der berühmtesten Königsfamilie der Welt beschädigen. Mit jedem neuen Verhandlungstag ein bisschen mehr.

Frust über den Rang in der Thronfolge

Erst im vergangenen Jahr hatte Elizabeths Enkel Harry aus den USA herübergegrätscht und den Fokus auf eine womöglich dunkle Seite seiner Familie gesetzt. Von rassistischen Bemerkungen sprachen er und seine Frau Meghan da im amerikanischen Fernsehen, von psychischem Druck durch das massive öffentliche Interesse. Nun kann man sagen: Wie naiv muss jemand sein, um sich als prominentes Mitglied der Royals über zu viel Aufmerksamkeit zu beklagen? Steckt da vielleicht doch ein bisschen Frust dahinter, in der Thronfolge lediglich auf Rang sechs zu stehen und somit wohl niemals Aussicht auf die britische Krone zu haben, aber dennoch das ganze Theater um den royalen Prunk mitspielen zu müssen? Was blieb, war ein bitterer Beigeschmack: So ganz im Lot scheint auch im Aushängeschild der britischen Familiendynastien dann doch nicht alles zu sein.

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Steckt die britische Monarchie also zum 70. Thronjubiläum von Queen Elizabeth II. – einmal mehr – in der Krise? Schon ihr bisheriges Wirken genügte immerhin für eine turbulente Netflix-Serie, „The Crown“, mit allen wichtigen Elementen einer klassischen Familienstory: Liebe, Hass und Eifersucht. Missbrauchsvorwürfe wie gegen Andrew aber sind eine völlig neue Dimension, selbst für die Windsors. Und wer einen Schritt zurücktritt und sich das Konstrukt der parlamentarischen Monarchie in Großbritannien betrachtet, wird unweigerlich zur Frage kommen: Was soll der ganze antiquierte Prunk eigentlich? Mit Pferdeparaden, mit dem täglichen Wachwechsel, den Kronjuwelen im Tower, einer jährlich wiederkehrenden Parlamentseröffnung durch die Queen, mit Adelstiteln und dem geradezu inflationär gebrauchten Prädikat „royal“ für alles Mögliche – Kaufhäuser, Krankenhäuser und die britische Post etwa. War da nicht was mit einer der ältesten Demokratien der Welt?

Das Königshaus ist eine Win-win-Situation

Um den Hang der Briten zu vordergründig anachronistischen Strukturen zu verstehen, muss man ein bisschen in der Geschichte zurückwandern: Am 30. Januar 1649 köpften die Briten in London König Karl I. von England (1600–1649). Er hatte auch nach Ende des englischen Bürgerkriegs nicht erkannt, in welch aussichtsloser Position er sich befand. Noch vor dem Richter soll er selbstbewusst versucht haben, zu befehlen: „Weil ich König bin, kann keine irdische Gewalt mich zur Rechenschaft ziehen.“ Sechs Wochen später wurde das Land zur Republik, dem Commonwealth of England – was sich allerdings nicht als Lösung für einen Frieden unter dem vom Bürgerkrieg zerstrittenen Volk herausstellte. Bereits 1660 rehabilitierte England das Königshaus wieder, Karl II., Sohn des 1649 hingerichteten Königs, kehrte aus dem Exil in Frankreich zurück.

Nun ist England trotz der Brexit-Auswirkungen weit vom Bürgerkrieg entfernt und auch das Schicksal Karls I. kann sich heute glücklicherweise nicht mehr wiederholen, so weit hat sich das Strafgesetzbuch auf der Insel weiterentwickelt. Doch hat Großbritannien gelernt: Das Nebeneinander von demokratisch gewähltem Parlament und einem repräsentativen Überbau durch das Königshaus ist eine Win-win-Situation für alle Beteiligten. Die Queen unterzeichnet nach wie vor alle Gesetze, eröffnet das Parlament, empfängt einmal wöchentlich den Premierminister, wird gern zum Repräsentieren hervorgeholt. Doch notwendig wäre all dies streng genommen nicht, um die Demokratie am Laufen zu halten.

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Niemand traut sich an die Royals heran

Das Parlament könnte rein rechtlich leicht mit der Monarchie Schluss machen, wenn es das wollte. Doch zog sich stets quer durch die überwiegende Mehrheit aller großen Parteien die Erkenntnis: Niemand zieht dies ernsthaft in Erwägung. Selbst Sozialdemokrat Tony Blair nahm den Royals nach seinem Amtsantritt 1997 zwar ihre repräsentative, aber in die Jahre gekommene Jacht „Britannia“ und verweigerte eine Neuanschaffung. Ans Königshaus selbst aber traute auch er sich nicht heran. Und die Konservativen sehen den Fortbestand der Monarchie naturgemäß ohnehin als elementar an.

Das hat mehrere Gründe – allen voran einen sehr simplen: Egal, welche Partei an der Regierung ist, das Königshaus taugte stets gut dafür, um von eigenen politischen Problemen abzulenken. Das lässt sich gerade derzeit musterhaft beobachten: Das 70-jährige Thronjubiläum der Queen wirkt wie ein Strohhalm für Premierminister Boris Johnson. Selbst massiv unter Druck durch innenpolitische Fehlentscheidungen, die teils gravierenden Auswirkungen des Brexits und nicht zuletzt durch eine Reihe von Lockdown-Partys in seiner Regierungszentrale, nutzt er den runden Jahrestag gern, um von sich selbst abzulenken. Und wer Johnson kennt, weiß, dass er nur höchst ungern selbst aus dem Rampenlicht tritt.

Die Queen als Anker der Hoffnung

Vor allem während des Zweiten Weltkrieges war das Königshaus für viele Briten ein Anker der Hoffnung. Die damals noch junge Elizabeth hatte damals ihre ersten Auftritte und gehörte zu jenen, die viele zum Durchhalten animierten.

Während der Corona-Pandemie ging ein Aufatmen durchs Land, als die Queen endlich ihre erste Impfung erhalten hatte. Und als Prinz Charles selbst an Corona erkrankte und mit dieser Nachricht an die Medien trat, schien vielen erst bewusst zu werden: Es kann jeden treffen.

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Die Windsors sind in gewisser Weise nicht nur Stars, weit über die Grenzen des Vereinigten Königreichs hinaus. Sie genießen eine Art Vorbildfunktion, sie sind Multiplikatoren, und dies quer durch alle Altersstufen. Die Premierminister in Downing Street 10 wechseln immer mal wieder – Elizabeth hat als Königin bislang 14 von ihnen miterlebt –, auch die Machtverhältnisse im Parlament. Die weitaus meisten Briten aber kennen bislang nur diese eine Queen. Sie sehen sie als eine Art Großmutter der Nation an, ganz egal, welche Skandale in ihrer Familie über die Jahre bekannt werden. Das mag vor allem an einer Tatsache liegen: Von ihr selbst ist dergleichen bislang nicht bekannt.

Die Royals sind ein Wirtschaftsfaktor

Die britische Monarchie ist aber letztlich vor allem eines: ein Wirtschaftsfaktor. 2017 ermittelte ein Gutachten den Wert, demnach trägt das Königshaus jährlich rund 1,77 Milliarden Pfund (2,1 Milliarden Euro) zur britischen Wirtschaft bei. Das Prädikat „Royal Warrant“ (Hoflieferant) ist in Großbritannien wie eine Gelddruckmaschine: Wer von sich behaupten kann, offizieller Händler der Royals zu sein, bei dem kaufen aus diesem Grund auch viele andere ein. Für die britische Tourismusindustrie ist das Königshaus ein unverzichtbarer Bestandteil des Marketings. Viele kommen nur auf die Insel, um Schloss Windsor zu besuchen, den Wachwechsel vor dem Buckingham Palace zu fotografieren oder die Thronjuwelen zu sehen.

Die britische Monarchie mag durch den Skandal um Prinz Andrew in einer Krise stecken. Doch eines ist gewiss: Sie hat bislang noch jede Krise überstanden.

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