Zwei Wochen nach dem Vulkanausbruch: „Wirklich nur schlechte Neuigkeiten“
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Während der Vulkan Lava speit, sitzen Menschen auf La Palma in einem Restaurant.
© Quelle: imago images/Agencia EFE
Madrid. Seit zwei Stunden wartet Rüdiger Wastl darauf, ins Sperrgebiet vorgelassen zu werden. „Ich hoffe, ich kriege in der nächsten Viertelstunde Zugang“, sagt er. Er will sich den Schlüssel eines Hauses abholen, in dem er mit seiner Familie in diesem Winter wohnen könnte. Sein eigenes Haus ist vor zwei Wochen vom Vulkan verschlungen worden. Es war eines der ersten. Bis heute hat sich die Lava auf ihrem Weg zum Meer etwa 1000 Gebäude einverleibt. Der Vulkan lässt nicht nach. Mal still, mal in lärmenden Eruptionen speit er unvermindert Magma aus. Seit der Lavastrom am späten Dienstag vergangener Woche die Küste erreicht hat, formt er dort eine neue Ausbuchtung, schon rund 30 Hektar groß und weiter wachsend.
Solange der Vulkan keine Ruhe gibt, kommen auch die Menschen nicht zur Ruhe. Es gibt keine Gewöhnung an das Ungeheuer. Es lärmt und brennt und stinkt. „Manche Tage mehr, manche Tage weniger“, sagt Wastl, ein Deutscher aus dem hessischen Dietzenbach, der seit 16 Jahren auf La Palma lebt.
Der Gestank ist einer nach faulen Eiern, Schwefelwasserstoff, aber in der Luft liegen noch andere giftige Gase. Manche bringt die Lava aus dem Erdinneren mit, manche entstehen bei der Berührung mit dem Meerwasser. Am Sonntag war die Gasentwicklung besonders stark, Wastl hat vergeblich in der Schlange gewartet, es wurde niemand ins Sperrgebiet in der Nähe des Lavastroms durchgelassen.
„Wirklich nur schlechte Neuigkeiten“
Der Vulkan zehrt an den Nerven. Thomas Klaffke hat sich vergangene Woche auf die Nachbarinsel Teneriffa abgesetzt. Der Wilhelmshavener betreibt in La Bombilla, nicht weit von dort, wo sich der Lavastrom ins Meer ergießt, die Pension Tom‘s Hütte am Meer. Er hat Glück gehabt, dass der Vulkan die Pension verschont hat, es hätte auch leicht anders kommen können. Auf Teneriffa entspannt er sich, mindestens eine Woche will er noch bleiben. Freunde auf La Palma halten ihn auf dem Laufenden, von denen bekommt er „wirklich nur schlechte Neuigkeiten“, sagt Klaffke. „Eine Explosion nach der anderen, die zucken immer noch zusammen nach so vielen Tagen. Das brauche ich nicht.“
Am Sonntag kam Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez zum dritten Mal zu Besuch auf die Insel und versprach Millionenhilfen für die Betroffenen. Sie werden sie brauchen. Touristen sind keine mehr auf La Palma, „nur noch Vulkanologen und Fernsehteams“, sagt Rüdiger Wastl. Er betreibt ein Restaurant in Celta, etwas nördlich vom Lavastrom, das Franchipani, es kommen nur noch ein paar Einheimische, „Leute von hier, die uns kennen und die wir kennen“. Sein Umsatz ist um 80 bis 90 Prozent zurückgegangen.
An diesem Dienstag wird er sich mit Frau und Sohn für zwei Wochen auf den Weg nach Holland machen, zur Familie seiner Frau, um die Anspannung für eine Weile abzuschütteln. „Heidi ist ein sehr starker Mensch“, sagt Wastl über seine Frau. „Ich habe sie noch nie so tief erschüttert gesehen.“
Irgendwann wird der Vulkan erlöschen und die Lava erkalten. „Und dann wird die Insel massiv neu erblühen“, sagt Wastl. Dann werden wieder Touristen kommen, Leute, die die Insel schon kennen, und Neugierige, die sehen wollen, wie ein Vulkanausbruch eine Insel zeichnet. Und sie alle „wird die Insel auch brauchen“, sagt Wastl. „Wir müssen ja von irgendwas leben.“