22 Stunden am Tag ohne Strom: Was man in Afrika den Europäern gegen die Energienot rät
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Kein Strom in Burundi: Ein Junge lernt bei Kerzenlicht.
© Quelle: picture-alliance / Philipp Ziser
Johannesburg. Wolkenkratzer, fünfspurige Autobahnen und Highspeed-Internet: Johannesburg ist eine moderne Millionenmetropole. Jetzt allerdings fällt in der südafrikanischen Wirtschaftshochburg zwei- bis dreimal am Tag der Strom aus. „Was früher die Ausnahme war, ist nun täglicher Alltag – vier, sechs, bis zu zehn Stunden täglich ohne Strom“, erzählt der Leiter des Goethe-Instituts in Johannesburg, Klaus Krischok.
Südafrika steckt in einer historischen Energiekrise. Bei Load-Shedding, zu Deutsch Lastabwurf, handelt es sich um regionale, geplante Abschaltungen mit dem Zweck, das nationale Stromnetz vor einem Kollaps zu bewahren. Taschenlampen und Back-up-Batterien für Internet und Telefon gehören heute zum Alltag wie Dieselgeneratoren und Campingkocher. Auf den Straßen sorgt Load-Shedding mancherorts für Chaos. In der Hauptstadt Pretoria sind Obdachlose dazu übergegangen, sich mit der Regelung des Verkehrs an Kreuzungen ein Zubrot zu verdienen.
„Viele von uns scherzen schon damit, dass wir hier das einüben, was Europa noch bevorsteht“, so Krischok. Er rät: Alle wichtigen Geräte aufladen, wenn Strom da ist, Gasquellen zusätzlich zur Stromversorgung nutzen, die Häuser mit Solaranlagen aufrüsten. „Der wichtigste Tipp aber überhaupt ist: Gelassenheit und Optimismus nicht verlieren.“
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Wie eine Milchkuh gemolken
Verantwortlich für die Krise seien „Probleme, die seit Jahren nicht angepackt werden“, sagt Roula Inglesi-Lotz, Energieökonomin an der Uni Pretoria. Dazu zähle unter anderem die laxe Instandhaltung von Kraftwerken. Auch das Vermächtnis von Ex-Präsident Jacob Zuma sei spürbar. Dessen Geschäftspartner hatten Staatsbetriebe wie den Energiekonzern Eskom für ihren persönlichen Profit wie eine Milchkuh gemolken. Zuletzt tauchten auch Berichte von Wirtschaftssabotage auf: In vier Kraftwerken ist seit zwei Wochen die Armee im Einsatz, um die Anlagen zu schützen.
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© Quelle: dpa
„Als ich im Juni meine Forschungen bei einer Wirtschaftskonferenz vorstellte, waren viele Kollegen begeistert, wie wir in Südafrika die Krise bewältigen“, sagt die gebürtige Griechin Inglesi-Lotz. „Die Haushalte prüfen den Load-Shedding-Plan und arbeiten um die Stromausfälle herum. Wenn ich sehe, dass demnächst der Strom ausfällt, beginne ich nicht mehr, die Kleidung zu waschen.“ Was sie Ländern in Europa gegen die Energienot rät? Eine noch bessere Planung und die Investition in netzunabhängige Anlagen, etwa Fotovoltaik.
Prekärer ist die Situation im nördlichen Nachbarland Simbabwe. Dort fällt derzeit bis zu 22 Stunden täglich der Strom aus. Ein Plan wie in Südafrika fehlt. „Von einer Minute auf die andere wird es dunkel und man hat keine Ahnung, wann der Strom zurückkommt“, sagt der Anwalt und Oppositionspolitiker David Coltart. Seit Wochen stellen die Simbabwerinnen und Simbabwer ihre Wecker auf Mitternacht. Dann kehrt für wenige Stunden der Strom zurück. Es wird gebügelt und gekocht. Reichere Personen setzen auf Solaranlagen. „Aber inzwischen hat das Ganze auch Auswirkungen auf die Umwelt, denn die einzige Lösung für die Armen besteht darin, Bäume zu fällen, um ihr Essen über Feuer zu kochen“, so Coltart.
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Hoffnung auf Energielösung aufgegeben
Als Ursache gilt jahrelange Misswirtschaft, gepaart mit dem historisch geringen Stand des Kariba-Stausees an der Grenze zu Sambia. Hier liegt das wichtigste Wasserkraftwerk der Region. Auch Sambia hat damit begonnen, den verfügbaren Strom zu rationieren.
„Bei seiner Wahlkampagne 2018 versprach Präsident Emmerson Mnangagwa mit gigantischen Plakaten, Strom in jeden simbabwischen Haushalt zu bringen“, erzählt Politanalyst Rejoice Ngwenya in der Hauptstadt Harare. Dass der Nachfolger des 2017 verstorbenen Diktators Robert Mugabe die Energielösung bringt – diese Hoffnung haben die Menschen in Simbabwe längst aufgegeben.
Sobald der Strom angeht und das Internet zurückkommt, antwortet Ngwenya auf die Frage, was er den Menschen in Europa rät: Solarenergie minimiere das Risiko von Stromausfällen, daneben sei es „entscheidend“ für Länder wie Deutschland, in Atomenergie zu investieren. „Wenn sich das Land nicht vorbereitet, werden die Auswirkungen für Wirtschaft und Arbeitsplätze verheerend“, meint der Simbabwer. Dazu Ex-Regierungsminister Coltart: „Wenn wir in Simbabwe eine Lektion gelernt haben, dann, dass man alternative Energiequellen finden muss.“