Entscheidung des Supreme Courts naht

Selbst nach Vergewaltigung: Warum in den USA Abtreibungen bald strafbar sein könnten

Washington: Menschen versammeln sich am frühen Dienstag, 3. Mai 2022, vor dem Obersten Gerichtshof. Der oberste US-Gerichtshof tendiert offenbar dazu, sein Grundsatzurteil zu Abtreibungen von 1973 zu kippen. Das geht aus einem im Gericht kursierenden Entwurf vor, der dem Magazin „Politico“ vorliegt. Darin bezeichnet der Supreme-Court-Richter Alito die Rechtsprechung, die als Roe v. Wade bekannt ist, als „von Anfang an falsch“.

Washington: Menschen versammeln sich am frühen Dienstag, 3. Mai 2022, vor dem Obersten Gerichtshof. Der oberste US-Gerichtshof tendiert offenbar dazu, sein Grundsatzurteil zu Abtreibungen von 1973 zu kippen. Das geht aus einem im Gericht kursierenden Entwurf vor, der dem Magazin „Politico“ vorliegt. Darin bezeichnet der Supreme-Court-Richter Alito die Rechtsprechung, die als Roe v. Wade bekannt ist, als „von Anfang an falsch“.

Washington. Kaum war die Nachricht am späten Montagabend durchgesickert, strömten die ersten Demonstranten und Demonstrantinnen zum Supreme Court in Washington. Rund um das schneeweiße Säulengebäude wurden eilig Gitter aufgestellt, über dem Kapitolsberg kreisten um Mitternacht Polizeihubschrauber. „Mein Körper, meine Entscheidung!“, skandierten einige der mehreren Hundert Protestierenden wütend. Andere scharten sich niedergeschlagen um brennende Kerzen.

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Verbot von Abtreibung selbst nach Vergewaltigung möglich

Die drohende Aufhebung des seit einem halben Jahrhundert geltenden Abtreibungsrechts durch das oberste Gericht hat das Zeug, zum beherrschenden Thema des Jahres in den USA zu werden, dessen gesellschaftliche und politische Verwerfungen kaum zu überschätzen sind. Durch eine extrem ungewöhnliche Indiskretion ist offenbar der 93-seitige Entwurf für die Ende Juni oder Anfang Juli erwartete Entscheidung in die Redaktion des Magazins „Politico“ gelangt. Bleibt der Supreme Court bei dieser Position, dann können die Bundesstaaten künftig sämtliche Schwangerschaftsabbrüche – also selbst nach Inzest oder Vergewaltigung – verbieten.

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Ein Kampf seit Jahrzehnten

Anders als in Deutschland gibt es in den USA kein Bundesgesetz zur Abtreibung. Die Vorschriften fallen vielmehr in die Kompetenz der Bundesstaaten. Doch hatte das Verfassungsgericht in seinem bahnbrechenden Urteil Roe vs. Wade im Jahr 1973 vorgegeben, dass Schwangerschaftsabbrüche bis zum Beginn der Lebensfähigkeit des Fötus (der Zeitpunkt wird derzeit bei der 23. oder 24. Woche angesetzt) legal sind und nicht bestraft werden dürfen. Gegen diese Entscheidung laufen rechtskonservative und christlich-fundamentale Gruppen seit Jahrzehnten Sturm – bislang vergeblich. Im Gegenteil wurde die liberale Rechtsprechung 1992 durch ein weiteres Urteil (Planned Parenthood vs. Casey) bestätigt.

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Mit der Zementierung der rechten Mehrheit am Verfassungsgericht durch Ex-Präsident Donald Trump aber haben sich die Gewichte entscheidend verschoben. „Wir denken, dass Roe und Casey zurückgewiesen werden müssen“, heißt es laut „Politico“ in der vom rechten Richter Samuel Alito verfassten Urteilsbegründung.

Rechtsexperten wie der Juraprofessor Neal Katyal, der die Obama-Regierung vor dem Obersten Gericht vertrat, halten das Dokument für echt. Es soll das Ergebnis einer internen Abstimmung widerspiegeln. Offenbar wird die Meinung von fünf der neun Richter geteilt. Nur die drei liberalen Richter wollen an dem bestehenden Recht festhalten. Der gemäßigt konservative Richter John Roberts plädiert laut Medienberichten in einer Minderheitsmeinung für die Straffreiheit der Abtreibung bis zur 15. Schwangerschaftswoche.

Keine Rücksicht auf öffentliche Meinung

Beobachter und Beobachterinnen halten es für extrem unwahrscheinlich, dass die fünf Antiabtreibungsrichter ihre Meinung noch ändern. Vielmehr spiegele das Schriftstück deren Meinungen, die auch bei der Verhandlung einer Rechtsänderung im Bundesstaat Mississippi im Dezember deutlich geworden seien.

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Zwar unterstützt laut Umfragen eine Mehrheit der Amerikaner und Amerikanerinnen das geltende Abtreibungsrecht, doch argumentiert Alito ausdrücklich, der Supreme Court dürfe sich nicht von der öffentlichen Stimmung beeinflussen lassen. Die Abtreibung sei nicht durch die Verfassung geschützt. Deswegen sei es Sache der Bundesstaaten, sie zu reglementieren.

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Sollte der Supreme Court in einigen Wochen das bisherige Recht tatsächlich kippen, dürften Abtreibungen in rund der Hälfte der US-Bundesstaaten vor allem im Süden und im Mittleren Westen verboten werden. Schon in den vergangenen Monaten haben einzelne Bundesstaaten wie Texas, Florida und Oklahoma ihre Gesetze drastisch verschärft und teilweise Schwangerschaftsabbrüche ab der sechsten Woche unter hohe Strafen gestellt. Mehr als ein Dutzend Staaten haben schon Vorratsbeschlüsse gefasst, die entsprechende Gesetze unmittelbar nach der Aufhebung des Bundesrechts in Kraft setzen.

Entsprechend aufgebracht sind nun das liberale Amerika und die Demokraten. Die Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, bezichtigte mehrere Verfassungsrichter der „Lüge“, weil sie bei ihren Anhörungen für eine Beibehaltung des Abtreibungsrechts plädiert hatten. Derweil fordern Linke wie der Senator Bernie Sanders und die Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez, dass der Kongress ein Gesetz zum Schutz des Rechts auf Abtreibung verabschiedet. Dazu aber wären im Senat 60 Stimmen erforderlich, wenn nicht die sogenannte Filibuster-Regelung gekippt wird. Das wiederum würde sämtliche 50 demokratischen Stimmen erfordern. Der rechte demokratische Senator Joe Manchin aber hat deutlich gemacht, dass er dieses Vorhaben nicht unterstützen will.

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