Amnesty: Migranten in Libyen weiter Folter und Gewalt ausgesetzt
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Migranten in einem Schlauchboot (Symbolfoto). Für viele Migranten beginnen Gewalt und Misshandlung ab dem ersten Kontakt mit der libyschen Küstenwache auf See, berichtet Amnesty International.
© Quelle: Bruno Thevenin/AP/dpa
Tripolis. Migranten sind der Menschenrechtsorganisation Amnesty International zufolge in Libyen weiterhin Gewalt, Erpressung und Zwangsarbeit ausgesetzt. Auch im ersten Halbjahr 2021 habe sich an ihrer prekären Lage nichts geändert, heißt es in einem am Donnerstag veröffentlichten Bericht.
In Internierungslagern, die dem libyschen Innenministerium unterstellt sind, würden Migranten weiter ausgehungert und ausgebeutet. Bei Fluchtversuchen seien einige durch Schüsse von Wachleuten teils verletzt oder sogar getötet worden.
In dem rund 50 Seiten langen Bericht bezieht sich Amnesty auf Gespräche mit 53 Flüchtlingen und Migranten, von denen 49 erfolglos versuchten, das Mittelmeer zu überqueren. Sie alle waren in libyschen Internierungslagern untergebracht. Amnesty sprach zudem mit humanitären Helfern, Menschenrechtlern und Aktivisten und untersuchte Dokumente, Fotos, Videos libyscher Behörden sowie der Vereinten Nationen.
Insgesamt befinden sich der Internationalen Organisation für Migration (IOM) zufolge rund 575.000 Migranten in Libyen, davon etwa 6200 in Lagern der Behörde DCIM, die der Bericht beleuchtet.
Dem Bericht zufolge beginnen Gewalt und Misshandlung für viele Migranten ab dem ersten Kontakt mit der libyschen Küstenwache auf See. Diese würde das Leben der Migranten teils durch aggressive Manöver und sogar Schüsse gefährden.
Zurück an der Küste würden die oft traumatisierten und erschöpften Menschen in chaotischen Szenen hastig in Busse geladen, in die Lager gebracht und dabei teils auch geschlagen oder beleidigt. „Es ist ein großes schwarzes Loch ab dem Moment, wo sie in diesem Bus sitzen“, sagte ein humanitärer Helfer.
Amnesty kritisiert „anhaltende Komplizenschaft europäischer Staaten mit Libyen“
In den Internierungslagern komme es teils zu Folter und Ausbeutung, sexueller Gewalt und erzwungener Arbeit. Eine schwangere Frau berichtete, geschlagen worden zu sein, weil sie ohne Erlaubnis eines Aufsehers die Toilette benutzte. Er habe ihr Bein mit einem Stock gebrochen und ihr erklärt, dass er sie töten könne, „und niemand würde nachfragen“. Ein anderer berichtete, die Aufseher kämen nachts betrunken und würden die Migranten bis zum Morgengrauen malträtieren.
Amnesty kritisierte erneut „die anhaltende Komplizenschaft europäischer Staaten mit Libyen“. Die Zusammenarbeit der EU mit Libyen müsse beim Thema Migration und Grenzschutz ausgesetzt werden. Die von der EU unterstützte Küstenwache fing zwischen Januar und Juni dieses Jahres rund 15.000 Menschen auf See ab und brachte sie zurück nach Libyen.
RND/dpa