Sklavereiartige Bedingungen

Amnesty wirft WM-Land Katar Rückschritte bei Einhaltung von Menschenrechten vor

Eine Baustelle vor der Skyline in Doha im Vorfeld der Fußball-WM 2022.

Eine Baustelle vor der Skyline in Doha im Vorfeld der Fußball-WM 2022.

Berlin. Die Menschenrechts­organisation Amnesty International (AI) wirft Katar als Austragungsland der Fußballwelt­meisterschaft 2022 eine anhaltende massive Verletzung von Menschenrechten und sogar Rückschritte gegenüber den Vorjahren vor. Trotz anderslautender gesetzlicher Bestimmungen würden nach wie vor Reisepässe von Arbeitsmigrantinnen und Arbeitsmigranten konfisziert, unbezahlte Überstunden angeordnet, Mindestlöhne nicht eingehalten, Ruhepausen und Ruhetage verweigert, Hitzeschutz­maßnahmen verletzt, Löhne zu spät oder gar nicht gezahlt und unzulässige Lohneinbußen als Strafmaßnahmen eingesetzt, heißt es in einer Stellungnahme von AI für eine Anhörung im Sportausschuss des Bundestags am Montag. Sie liegt dem Redaktions­Netzwerk Deutschland (RND) vor.

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Zwar seien einige Reformen angestoßen worden, die in den Jahren 2018 bis 2020 zu Fortschritten geführt hätten. Inzwischen seien aber durch die Untätigkeit der katarischen Regierung in Teilen sogar bereits erreichte Fortschritte wieder rückgängig gemacht worden. „Innerhalb der katarischen Wirtschaft formiert sich zunehmend Widerstand gegen die Reformen aus, Sorge Einfluss und Profitmöglichkeiten zu verlieren“, so die Analyse der Menschenrechts­organisation.

„Kultur der Straflosigkeit“

Verletzungen des Arbeitsrechts durch katarische Arbeitgeber blieben für diese in aller Regel straflos und ohne Konsequenzen. Diese „Kultur der Straflosigkeit“ lasse bisherige Erfolge erodieren und sende ein verheerendes Signal an Arbeitsmigrantinnen und Arbeitsmigranten. Bisher sei es nicht gelungen, deren Arbeits- und Lebensbedingungen in Katar „nachhaltig und auf breiter Ebene“ zu verbessern, beklagen die Menschenrechtlerinnen und Menschenrechtler.

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Amnesty spricht von einem differenzierten Bild der Menschenrechtslage in Katar. Spürbare Verbesserungen gebe es insbesondere für diejenigen Arbeitsmigranten, die auf den direkten WM-Baustellen tätig seien. Das seien allerdings nur etwa 2 Prozent aller Arbeitsmigrantinnen und Arbeitsmigranten in Katar.

Arbeitsplatzwechsel schwierig

AI lobt auch Schritte zur Abschaffung des als sklavereiähnlich kritisierten Kafala-Systems. So habe sich die Möglichkeit der freiwilligen und selbstbestimmten Ausreise für Arbeitsmigrantinnen und Arbeitsmigranten im Jahr 2021 spürbar verbessert, so die Organisation. Bei einem Arbeitsplatzwechsel gebe es allerdings weiterhin erhebliche Hürden. So habe AI zahlreiche Fälle von Arbeitsmigrantinnen und Arbeitsmigranten dokumentiert, die Sanktionen und Strafmaßnahmen durch ihre Arbeitgeber erlitten hätten, als sie den Arbeitsplatz wechseln wollten. Sie seien zum Beispiel wegen „Davonlaufens“ angezeigt worden, was in Katar ein Straftatbestand sei.

Das Fazit von AI: „In der Summe zeigen die Untersuchungen von Amnesty International aber in aller Deutlichkeit, dass für das Gros der Arbeitsmigranten spürbare Verbesserungen ihrer menschenrechtlichen Situation bis heute nicht erlebte Praxis geworden sind.“

Entschädigung gefordert

Den Fußball-Weltverband Fifa fordert Amnesty auf, ein umfassendes Entschädigungs­programm für sämtliche Menschenrechts­verletzungen, die seit 2010 in unmittelbaren Zusammenhang mit der Fußball-WM geschehen seien, aufzulegen. „Ein solcher Entschädigungs­mechanismus könnte zu einem echten Wendepunkt für die Fifa werden, indem die Fifa klar und unmissverständlich zu ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht steht“, so Amnesty. Das wäre zudem ein Präzedenzfall im internationalen Sport und hätte eine wichtige Signalwirkung weit über 2022 hinaus.

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Selbst der Deutsche Fußball-Bund (DFB) räumt anhaltende Menschenrechts­verletzungen in Katar ein. Zwar gebe es spürbare Verbesserungen und Reformen mit Bezug zu Arbeits- und Sozialstandards, heißt es in seiner Stellungnahme für die Bundestags­anhörung. „Weiterhin erhebliche Mängel bestehen bei der Umsetzung von Presse- und Meinungsfreiheit oder der Anerkennung der Rechte von Frauen und Homosexuellen/LGBTIQ+“, so der Verband.

Die verbleibende Zeit müsse genutzt werden, um zu einer Verbesserung der menschenrechtlichen Situation vor Ort beizutragen, fordert der DFB. Er schreibt in der Stellungnahme an den Bundestag, die Vergabe der Fifa-Weltmeisterschaft an Katar könne „in vielerlei Hinsicht als problematisch erachtet werden, insbesondere im Hinblick auf Menschenrechte und Nachhaltigkeit. Im Sinne des Sports, der Sportler und Fans hätte man sich eine andere Entscheidung vorstellen können.“

 

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