Ampelzoff auf offener Bühne: „Das ist eine Lüge, Torsten“
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Wirtschaftsminister Robert Habeck ist sichtlich genervt.
© Quelle: IMAGO/Frank Ossenbrink
Mit scharfen Worten hatte Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck seine Ampelpartner am Dienstagabend attackiert. Es könne nicht sein, „dass in einer Fortschrittskoalition nur ein Koalitionspartner für den Fortschritt verantwortlich ist und die anderen für die Verhinderung von Fortschritt“. Hintergrund der schweren Vorwürfe ist unter anderem der Streit über den schrittweisen Austausch alter Gas- und Ölheizungen.
Doch damit nicht genug: In den „Tagesthemen“ warf Habeck den von seinen Koalitionspartnern geführten Ministerien vor, den Gesetzentwurf zum Heizungsaustausch „an die ‚Bild‘-Zeitung – und ich muss also unterstellen – bewusst geleakt“ zu haben. Das Ziel sei gewesen, das Vertrauen in die Regierung zu beschädigen. Insofern seien Gespräche der Koalitionspartner „wahrscheinlich mit Absicht zerstört worden, des billigen taktischen Vorteils wegen“. Da so etwas ja nicht aus Versehen passiere, sei er „ein bisschen alarmiert, ob überhaupt Einigungswille da ist“. Der Unmut über die Zusammenarbeit wächst.
Habeck kompromissbereit nach Kritik an neuen Regeln für Heizungen
Ab 2024 soll möglichst jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden.
© Quelle: dpa
Wer wollte Habeck auf diesem Weg das Heizungsgesetz durchkreuzen? „Wir haben eine Frühkoordinierung in der Regierung, das heißt, nur wenige Leute kriegen die Gesetzentwürfe. Als Habeck am Mittwoch von Journalisten bei einer Pressekonferenz gefragt wurde, von welchem Ministerium das Papier wohl an die Presse weitergegeben wurde, blockte der Minister ab. „Das weiß ich nicht“, sagte er. Nicht nur die FDP hatte Habeck für die Heizungspläne attackiert, auch die SPD.
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) bezeichneten die Pläne als ungerecht und unbrauchbar. Und Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hält „das Ganze für hochgradig ungerecht“. Bremsen also die Ampelpartner SPD und FDP Habeck und den Fortschritt aus?
Grüner schießt gegen FDP-Politiker: „Das ist eine Lüge, Torsten“
Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP, Torsten Herbst, reagierte auf diese Vorwürfe mit scharfer Kritik und holte zum Rundumschlag gegen Habecks Ministerium aus: Dort setze man „zu oft auf kleinteilige Verbote statt auf Technologie und Fortschritt“, so Herbst auf Twitter. Er erklärte, dass in den nächsten Jahren durch eine Verlängerung von AKW-Laufzeiten, heimische Gasförderung und mehr klimaneutralen Kraftstoff viel mehr CO₂ eingespart werden könnte. Alles Forderungen, die bei den Grünen immer wieder Kritik ausgelöst hatten. Mit deutlichen Worten widersprach daher der Grünen-Politiker Kassem Taher Saleh: „Das ist eine Lüge, Torsten.“
Dabei ist es nicht einmal zwei Wochen her, dass Bundeskanzler und Ampelstreitschlichter Olaf Scholz bei der Kabinettsklausur in Meseberg noch vom gemeinsamen „Unterhaken“ gesprochen hatte. Davon ist inzwischen nichts mehr zu spüren. Stattdessen scheint der Streit auf offener Bühne immer heftiger zu werden.
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Tiefpunkt: Kubicki vergleicht Habeck mit Putin
Für den endgültigen Tiefpunkt in der Ampelbeziehung sorgte nun FDP-Vize Wolfgang Kubicki, der in einer Talksendung Habeck mit dem Kremlchef Wladimir Putin verglich. „Putin und Habeck haben eine ähnliche Überzeugung davon, dass der Staat, der Führer, der Auserwählte besser weiß als die Menschen, was für sie gut ist“, sagte Kubicki. Und er fügte hinzu, Habeck habe einen Freiheitsbegriff, „den könnte Wladimir Putin problemlos auf sein eigenes Herrschaftsmilieu übersetzen“. Wenige Stunden später und nach heftiger Kritik von allen Seiten ruderte Kubicki schließlich zurück und entschuldigte sich „in aller Form“ bei Habeck. „Ihn in eine Reihe mit einem gesuchten Kriegsverbrecher zu stellen ist völliger Quatsch und eine Entgleisung.“
Die Wahrnehmung von Herrn Habeck, die Grünen seien in der Ampelkoalition für den Fortschritt verantwortlich und die anderen Parteien würden verhindern, entspricht nicht der Realität.
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai
Dutzende Vertreter der Ampelparteien bemühten sich am Mittwoch um Schadensbegrenzung, verwiesen auf die Entschuldigung von Kubicki und betonten, dass diese Aussage natürlich absolut unangebracht gewesen sei. Doch der Schaden bleibt und manche Beobachter sind angesichts der jahrelangen Erfahrung Kubickis im Politikbetrieb und als gewiefter Rhetoriker davon überzeugt, dass solche Entgleisungen längst Methode bei dem FDP-Politiker haben.
Ampelstreit auf offener Bühne
Der Streit in der Ampel und um die Fortschrittsblockierer wird auch an oberster Stelle geführt. „Die Wahrnehmung von Herrn Habeck, die Grünen seien in der Ampelkoalition für den Fortschritt verantwortlich und die anderen Parteien würden verhindern, entspricht nicht der Realität“, versuchte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai dem „Spiegel“ zu versichern. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert attestierte Habeck, aktuell unter Druck zu stehen. „Aber ich glaube, man sollte mit dem Druck nicht so umgehen, dass man jetzt einfach in alle Richtungen deswegen koffert“, sagte er der ARD.
Die Vorwürfe der FDP, die Grünen wollten nur Verbote, drängt die Grünen quasi dauerhaft in die Rolle der Verbotspartei. Ein Image, das die Partei aus Sorge vor Wählerstimmenverlusten hinter sich zu lassen versucht. Habeck hat den Eindruck, es gehe längst nicht mehr darum, zu diskutieren, sondern die Grünen mit Vorurteilen zu belegen und „Klimaschutz zu einem Kulturkampf zu machen“.
Dabei ist das Gesetz zum Heizungsverbot alles andere als ein Alleingang von Habeck oder den Grünen. Vielmehr handelt es sich um einen „gemeinsamen Gesetzentwurf mit eurer Bundesbauministerin Klara Geywitz, der auf einen Beschluss des Koalitionsausschusses unter Leitung des Bundeskanzlers zurückgeht“, keilte die grüne Co-Fraktionschefin Katharina Dröge zurück. Die Grünen wollen nicht wieder und wieder über Fragen verhandeln, die zuvor von allen drei Parteien beschlossen wurden und, wie das Gasheizungsverbot, im Koalitionsvertrag stehen.
Haßelmann erklärte: „Dieses Jahr ist das Arbeitsjahr der Ampel“, und rief mit der Co-Fraktionschefin Katharina Dröge die Ampelkoalition zur Geschlossenheit auf. Es gebe viele Gemeinsamkeiten im „Team Ampel“, betonte Haßelmann.
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Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil hat sich ebenfalls für mehr Einigkeit in der Regierungskoalition ausgesprochen und zu einem Ende öffentlicher Streitigkeiten aufgerufen. „Diese öffentlichen Auseinandersetzungen müssen jetzt aufhören“, so sein Appell an alle drei Parteien der Ampel.
Habeck ging am Mittwoch in Weimar zum Äußersten und stellte, wenn man so will, die Zukunft der Ampelkoalition infrage: „Eine Regierung, die das Vertrauen verliert, hat ihr größtes Pfund verloren“, sagte er. Dem Aufrag der Menschen in Deutschland, etwas zu leisten, komme die Regierung nicht ausreichend genug nach.“
Die Hoffnung liegt nun auf einem Koalitionsausschuss am Sonntag, bei dem die Spitzenleute der drei Parteien zusammenkommen. Die Bezeichnung Krisenausschuss würde es wohl besser treffen, denn dort sollen die größten Streitthemen auf den Tisch kommen: vom Verbot neuer Öl- und Gasheizungen bis hin zum Autobahnausbau. Dann wird man sehen, wer sich am Ende durchsetzt.
Mit dpa