Nach versuchtem Anschlag auf Cristina Kirchner: die Heilige und Hassfigur
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Eine Fahne mit dem Porträt der argentinischen Vizepräsidentin Fernandez Kirchner hängt am frühen Morgen an einem Regierungsgebäude, einige Stunden nachdem eine Person während einer Veranstaltung vor ihrem Haus im Stadtteil Recoleta eine Waffe auf sie gerichtet hatte.
© Quelle: Rodrigo Abd/AP/dpa
Rio de Janeiro. Das Video offenbart den Moment, der in Argentinien wieder einmal alles verändert. Es zeigt, wie der Lauf der Pistole Typ Bersa auf den Kopf von Cristina Kirchner gerichtet ist. Die bekommt von dem Vorfall zunächst nichts mit, lacht noch ihren Anhängern zu. Doch Augenblicke später ändert sich das Szenario schlagartig. Die Bilder legen nahe, dass der Schütze, ein seit 35 Jahren in Argentinien lebender gebürtiger Brasilianer, versucht abzudrücken. Ganz einwandfrei zu erkennen ist das nicht. Dann geht alles blitzschnell. Die Waffe fällt zu Boden, Kirchner reißt die Hände zum Schutz vor das Gesicht. Der Mann wird verhaftet. Für Kirchners Leibwächter ist der Vorfall eine Blamage, sie agieren in der Szene wie blutige Anfänger.
Später, so berichten es argentinische Medien, seien fünf Projektile in der Pistole gezählt worden. Im Lauf allerdings keine. Insgesamt hätten sieben Kugeln in der Waffe Platz gehabt, heißt es den Berichten zu Folge. „Cristina hat nur überlebt, weil sich kein Schuss gelöst hat“, sagte Präsident Alberto Fernandez am Abend und wertete den Vorfall als den größten Anschlag auf die Demokratie seit Ende der brutalen Militärdiktatur.
Selbst Papst Franziskus äußerte sich besorgt
Für den Freitag ordnete er einen Feiertag an, damit die Menschen für den Frieden demonstrieren könnten. Kirchners Anhänger kündigten einen Solidaritätsmarsch an. Sogar Papst Franziskus, der sich ansonsten nicht zu politischer Gewalt in Lateinamerika äußert, meldete sich per Telegramm und Telefon und zeigte sich besorgt.
Der Vorfall ereignete sich am Donnerstagabend vor dem Haus der Vizepräsidentin im Nobelviertel Recoleta. Dort hatten sich wie zuletzt an jedem Abend die Anhänger Kirchners versammelt, um ihre Solidarität mit der wohl einflussreichsten Persönlichkeit der argentinischen Politik auszudrücken. Kirchner hatte das Land von 2007 bis 2015 regiert, als Nachfolgerin ihres Mannes Nestor Kirchner.
Kirchner wird beschuldigt, Kopf eines Korruptionsnetzwerks zu sein
Sie wird von der Staatsanwaltschaft beschuldigt, Kopf eines Korruptionsnetzwerks zu sein, dass dem argentinischen Volk eine Milliarde US Dollar geraubt habe. Der zuständige Staatsanwalt fordert zwölf Jahre Haft. Seitdem mobilisiert Kirchner ihre Anhänger, die Lage im Land ist extrem angespannt. Ihre Kritiker monieren, sie untergrabe die Unabhängigkeit der Justiz und attackiere den Rechtsstaat. Präsident Alberto Fernandez, zuletzt im internen Machtkampf mit Kirchner, stellte sich hinter seine Vizepräsidentin: „Kein einziger Vorwurf ist bewiesen.“ Die Opposition aber sieht die Vorwürfe durch die Beweislage bestätigt. Die beiden Lager stehen sich unversöhnlich gegenüber
Argentinien: Versuchter Anschlag auf Vizepräsidentin Cristina Kirchner
Der argentinische Staatschef Alberto Angel Fernandez sprach von einem Mordanschlag. Nur ein technischer Defekt habe verhindert, dass Kirchner getroffen wurde.
© Quelle: Reuters
Zum Schützen ist noch wenig bekannt. Fernando Andrés Sabag Montiel lebt seit seinem sechsten Lebensjahr in Argentinien, ist „nationalisiert“, spricht akzentfrei spanisch. In einem Straßeninterview, dass ein TV-Sender zufällig mit ihm vor ein paar Wochen führte, kritisierte der die Politik der Regierung. Deren Sozialprogramme würden dazu führen, dass die Leute nicht mehr arbeiten würden, weil sich das nicht lohne. Im Internet soll er Kontakte zu obskuren Gruppen und rechtsextremen Kreisen gehabt haben. Die Polizei fand rund 100 Projektile in seiner Wohnung.
Kritiker werfen Kirchner Vetternwirtschaft vor
Für ihre Anhänger ist Kirchner eine Ikone linker Politik, ihre Kritiker werfen ihr Korruption und Vetternwirtschaft vor. Keine andere Persönlichkeit polarisiert wie Kirchner, ruft Bewunderung aber auch Hass hervor. Das Attentat wird ihre Sichtweise bestärken, dass sie ein Opfer ist. Nahezu alle politischen Lager verurteilten die Bluttat, die republikanische Abgeordnete Amalia Granata allerdings sprach von einer Art Schauspieleinlage, die Kirchners Umfragewerte in die Höhe treiben, sie als Opfer darstellen und von den Korruptionsvorwürfen ablenken solle. Granata wurde daraufhin in den sozialen Netzwerken wüst beschimpft.
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In den letzten vier Jahren hat es zahlreiche Attentate in Lateinamerika gegeben: Unter anderem versuchte im Wahlkampf 2018 ein Mann mit Kontakten zur linken Szene den später zum Präsidenten gewählten Rechtspopulisten Jair Bolsonaro zu erstechen. In Kolumbien wurde auf den Hubschrauber des konservativen Präsidenten Ivan Duque geschossen, dessen Amtszeit vor wenigen Wochen endete. In Haiti wurde Präsident Jovenel Moise ermordet, die Hintergründe dieses Attentats sind bis heute unklar.
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