Böhmermann-Recherchen

Cyber-Sicherheitsrat: Geheimdienste beobachteten IT-Verein mit Russland-Beziehungen schon länger

Satiriker Jan Böhmermann verlegt das Studio seiner Late-Night-Show in die Dresdner Staatsoperette.

Satiriker Jan Böhmermann.

Berlin. Geheime Informationen, die an die Öffentlichkeit dringen, ein kaltgestellter Behördenleiter, der sich zu Unrecht beschuldigt sieht - in der Affäre um den privaten Verein Cyber-Sicherheitsrat Deutschland ist in den vergangenen Tagen viel Porzellan zerschlagen worden. Doch was ist dran an den Vorwürfen einer zu großen Nähe zu russischen Geheimdienstkreisen? Die Vorwürfe stammen größtenteils aus dem Jahr 2019 und wurden jüngst auch in der Satire-Sendung „ZDF Magazin Royale“ unter der Überschrift „Sicherheitsrisiko Cyberclown“ thematisiert.

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Einigen Regierungsbeamten und Angehörigen der Sicherheitsbehörden ist der Verein, den der spätere Präsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Arne Schönbohm, 2012 gegründet hatte, von Anfang an ein Dorn im Auge. Das hatte anfangs allerdings nichts mit dem Verdacht einer russischen Einflussnahme zu tun. Man stört sich vielmehr an dem Namen. Denn die Befürchtung liegt nahe, dass es zu Verwechslungen mit dem ein Jahr zuvor ins Leben gerufenen Nationalen Cyber-Sicherheitsrat kommen könnte - einem Gremium der Bundesregierung, das sich um Bedrohungen im Cyberraum und dem Schutz wichtiger Einrichtungen vor Hackerangriffen kümmert. Das Bundesinnenministerium empfiehlt daher, Distanz zum Verein zu wahren.

Als der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) Schönbohm 2016 zum BSI-Präsidenten macht, gibt dieser die Leitung des Vereins ab. Zu den Aufgaben des BSI gehört die Zertifizierung informationstechnischer Produkte oder Komponenten sowie informationstechnischer Systeme.

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Verbindungen in russische Geheimdienstkreise

In den darauffolgenden Jahren zieht die Vereinsmitgliedschaft einer Tochtergesellschaft einer russischen Firma mit Verbindungen in russische Geheimdienstkreise die Aufmerksamkeit der deutschen Nachrichtendienste auf sich. In einer Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der FDP-Fraktion zu dem Verein wird 2019 darauf verwiesen, dass Angaben zu „konkreten Aufklärungszielen als Konsequenz eine höchst folgenschwere Einschränkung der Informationsgewinnung bedeuten“. Mit anderen Worten: Man wollte denjenigen im Umfeld des Vereins, die ausgespäht wurden, keinen Hinweis auf mögliche Überwachungsmaßnahmen geben.

Anlass der Anfrage der FDP-Fraktion sind damals Medienberichte über ein Treffen in Garmisch-Partenkirchen, bei dem Vereinspräsident Hans-Wilhelm Dünn und Wladislaw Scherstyuk, der Präsident der „National Association for International Information Security“, eine Absichtserklärung zur Zusammenarbeit unterzeichnen. Diese Vereinbarung sei seitens des deutschen Vereins jedoch später aufgekündigt worden, teilte die Bundesregierung damals mit.

Im März 2022, rund zweieinhalb Wochen nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine, warnt das BSI vor der Verwendung der Virenschutzsoftware des Herstellers Kaspersky. In einer Mitteilung stellt die Behörde fest: „Ein russischer IT-Hersteller kann selbst offensive Operationen durchführen, gegen seinen Willen gezwungen werden, Zielsysteme anzugreifen, oder selbst als Opfer einer Cyber-Operation ohne seine Kenntnis ausspioniert oder als Werkzeug für Angriffe gegen seine eigenen Kunden missbraucht werden.“

Vor der Tochterfirma des russischen Unternehmens, die Mitglied im Verein Cyber-Sicherheitsrat Deutschland ist, wurde zwar nie in dieser Form gewarnt. Diskrete Hinweise an einzelne Firmen soll es aber gegeben haben.

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Dass es Vorbehalte gegen den Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V. gibt, weiß Schönbohm schon länger. Über die genauen Vorwürfe und Maßnahmen soll er aber nicht informiert worden sein - vielleicht auch weil er den aktuellen Vereinspräsidenten gut kennt und man hier womöglich einen Loyalitätskonflikt befürchtete. Spätestens seit der Berichterstattung über das Treffen in Garmisch-Partenkirchen muss Schönbohm aber bewusst gewesen sein, dass da etwas im Busch ist. Deshalb fragt er auch erst den für seine Behörde zuständigen Innen-Staatssekretär Markus Richter um Erlaubnis, bevor er seine Teilnahme an einem Festakt zum zehnjährigen Bestehen des Vereins am 8. September in Berlin zusagt.

Schönbohm ist nicht das einzige prominente Gesicht, das an diesem Abend bei der Veranstaltung in einer Lounge unweit vom Bahnhof Zoo zu sehen ist. Auch Bundestagsabgeordnete mehrerer Fraktionen sind dabei.

Konsequenzen der „Cyberclown“-Sendung Böhmermanns

Im Kurznachrichtendienst Twitter wird der „Cyberclown“-Beitrag aus der Sendung von Jan Böhmermann tagelang diskutiert. Zehn Tage nach der Ausstrahlung wird Schönbohm freigestellt. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) untersagt ihm mit sofortiger Wirkung die Führung der Dienstgeschäfte. Über die Nachfolge will man im Innenministerium rasch entscheiden. Denn Faeser hat mit dem BSI viel vor. Die Bonner Behörde soll im Bund-Länder-Verhältnis zur Zentralstelle in Sachen IT-Sicherheit ausgebaut werden.

Bei einigen BSI-Mitarbeitern löst die Affäre Verwunderung aus. Sie sagen: Von Kritik und Misstrauen gegen Schönbohm sei beim Besuch Faesers in Bonn am 8. August noch nichts zu spüren gewesen - im Gegenteil. Ob aus der vom Innenministerium geplanten raschen Neubesetzung der Leitungsposition im BSI etwas wird, ist noch offen. Denn Schönbohm lässt bisher nicht erkennen, dass er mit einer Versetzung auf einen anderen Posten einverstanden wäre. Um das Ministerium zum Nachweis für konkrete Vorwürfe zu zwingen, hat er um ein Disziplinarverfahren gebeten.

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Einem Beamten in seiner Position kann zwar aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung der Dienstgeschäfte verboten werden. Das Verbot erlischt aber gemäß Beamtenrecht, „wenn nicht bis zum Ablauf von drei Monaten gegen die Beamtin oder den Beamten ein Disziplinarverfahren oder ein sonstiges auf Rücknahme der Ernennung oder auf Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren eingeleitet worden ist“.

Die Grünen im Bundestag forderten diese Woche vom Bundesinnenministerium mehr Informationen zu den Vorwürfen gegen Schönbohm. Die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Andrea Lindholz, kritisiert: „Erst lässt Frau Faeser den Präsidenten einer zentralen Sicherheitsbehörde mit einer fragwürdigen Kommunikationsstrategie öffentlich demontieren, dann liefert ihr Haus dem Innenausschuss auf die Frage nach den konkreten Vorwürfen nur fadenscheinige Antworten.“

RND/dpa

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