Was Sie zum möglichen Schweizer Atommüllendlager nahe der deutschen Grenze wissen sollten
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Die Schweiz könnte ein Endlager für Atommüll nahe der deutschen Grenze bauen.
© Quelle: dpa
Das vorgeschlagene Schweizer Endlager für Atommüll nahe der deutschen Grenze sorgt für Wirbel, dabei steht sein Bau noch nicht fest. Wir erklären, wie es zum Vorschlag der Behörden im Nachbarland kam, warum er noch gekippt werden könnte – und was das nun für Städte und Gemeinden in Deutschland bedeutet.
Wo soll das Endlager stehen?
Das Endlager soll nach dem Vorschlag der schweizerischen Nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) in der Region Nördlich Lägern in der Nordschweiz nahe der deutschen Grenze gebaut werden. Hohentengen, eine Gemeinde in Baden-Württemberg, liegt nur wenige Kilometer vom Standort entfernt.
Aber: Über die Bewilligung sei noch nicht entschieden, hieß es seitens der Schweizer Behörden. Im nächsten Schritt muss die Nagra sogenannte Rahmenbewilligungsgesuche einreichen. Dann müssen Schweizer Bundesrat und Bundesversammlung Ende der 2020er-Jahre darüber entscheiden. Möglich ist zudem ein Referendum über den Bau. Sollte er nicht abgelehnt werden, könnte der Bau in den 2030er-Jahren beginnen und das Lager 2050 in Betrieb gehen.
Warum soll das Endlager in Nördlich Lägern gebaut werden?
Dabei geht es um die geologische Beschaffenheit. Die radioaktiven Abfälle aus Atomkraftwerken, Industrie und Forschung sollen in Hunderten Metern Tiefe in der Sedimentschicht Opalinuston eingebettet werden. Die Nagra hatte sich in drei Schritten der Standortfrage genähert: Chef Matthias Braun erklärte diese Woche, die nötige Gesteinsschicht von Opalinuston liege in Nördlich Lägern am tiefsten unter der Erdoberfläche, die Schicht sei am dicksten und der mögliche Bereich für das geplante Endlager am größten. „Das Gestein ist sehr dicht, bindet radioaktive Materialien wie ein Magnet, und sollte es doch einmal brechen, heilt es sich von selbst wieder.“ Die Geologie habe gesprochen, so Braun.
Die Entscheidung löste Verwunderung aus, da die Nagra sich im Jahr 2015 zunächst gegen den Standort entschieden hatte, weil die Opalinuston-Schicht sehr tief im Boden ist und ein Bau als unsicher galt. Braun sagte nun, man habe das Gebiet zu vorschnell ausgeschlossen. „Es hat sich herausgestellt, dass die Festigkeit des Gesteins etwa doppelt so gut ist, als es damals im vorsichtigen Szenario bewertet wurde“, ergänzte er.
Gibt es bald ein Atommüllendlager an der deutschen Grenze?
Laut Fachleuten könne der Schweizer Atommüll nirgends besser gelagert werden als an der deutschen Grenze. Die deutschen Gemeinden reagierten mit Skepsis.
© Quelle: dpa
Wie reagiert Deutschland?
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) kündigte eine gründliche Prüfung der Entscheidung im Nachbarland an. „Sicherheit und Geologie müssen die entscheidenden Kriterien für die Standortwahl eines Endlagers für Atommüll sein“, mahnte sie. Ein Sprecher führte aus: „Die Nagra wird nun nachweisen müssen, dass Nördlich Lägern der beste Standort ist.“
Auch die Unionsbundestagsfraktion drang auf umfangreiche Prüfungen und Vorsorge für das Grundwasser. „Für die Sorgen der Menschen bei der Errichtung eines atomaren Endlagers sind Landesgrenzen völlig unerheblich“, sagte Unionsfraktionsvize Steffen Bilger dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Deshalb ist für mich klar, dass beiderseits der Grenze das Gleiche gelten muss, sollte das Endlager kommen: grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung, gleiche Vorsorge insbesondere für das Grundwasser und gegen Strahlenexpositionen, gleiche Entschädigungszahlungen für Kommunen.“
Die FDP-Bundestagsfraktion erinnerte an die deutsche Standortsuche und äußerte Verständnis für das Nachbarland. „In Deutschland sind wir wie die Schweiz auf der Suche nach einem Endlager für Atommüll“, sagte die umweltpolitische Sprecherin ihrer Fraktion, Judith Skudelny, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Beispielsweise könnte in Süddeutschland nahe der Schweizer Stadt Schaffhausen ebenfalls in Grenznähe ein Endlager gebaut werden“, betonte sie mit Blick auf Zwischenberichte der Bundesgesellschaft für Endlagerung, die noch keinen Vorentscheid für Standorte darstellen.
Skudelny ergänzte: „Was wir also für uns beanspruchen, das müssen wir auch anderen Ländern ermöglichen.“
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Erhalten die betroffenen Kommunen Entschädigungen?
Das ist möglich, aber es gibt noch viele offene Fragen. Die Leiterin der Sektion Radioaktive Abfälle beim Schweizer Bundesamt für Energie, Monika Stauffer, bestätigte Kompensationszahlungen für „umliegende Gemeinden“. Die Höhe ist nach wie vor unklar und auch, welche Städte und Gemeinden miteinbezogen werden sollen. Das Bundesumweltministerium pochte auf eine angemessene Berücksichtigung deutscher Kommunen bei den Ausgleichszahlungen.
Warum will Deutschland das Endlager nicht mitnutzen?
Der Bund hat gesetzlich festgelegt, ein Endlager in Deutschland zu suchen. „Deutschland hat sich entschieden, für seinen Atommüll ein eigenes Endlager zu konstruieren und nicht mit europäischen Partnern gemeinsam“, sagte ein Sprecher des Bundesumweltministeriums diese Woche und betonte: „Wir sind für unseren Müll verantwortlich.“ Bis 2031 soll ein Endlagerstandort in Deutschland gefunden werden. Auch die Schweiz lehnte eine Mitnutzung ab. „Es ist ein anerkanntes Prinzip, dass jedes Land seine eigenen Abfälle bei sich selber entsorgen muss“, sagte Roman Mayer, Vizedirektor des Schweizer Bundesamts für Energie, diese Woche.