Auf der Suche nach Nähe: Türkischer Verteidigungsminister zu Gast bei AKK
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Die deutsche und die türkische Nationalflagge nebeneinander.
© Quelle: imago/CHROMORANGE
Berlin. Es ist ein Termin mit hohem Symbol- und Seltenheitswert zugleich. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer trifft sich am Dienstag mit ihrem türkischen Amtskollegen Hulusi Akar. Das Gespräch findet nicht per Videokonferenz statt, Akar wird im Ministerium in Berlin erwartet – was sonst Standard ist, ist in Corona-Zeiten eine Besonderheit.
Besonders bedeutsam wirkt diese Suche nach Nähe angesichts der Spannungen, die das Verhältnis zur Türkei unter ihrem Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in den vergangenen Jahren geprägt hat. Nicht nur Deutschland, die EU und die Nato hatten ihre Schwierigkeiten mit dem Land, das auch schon mal als EU-Beitrittskandidat gegolten hatte.
Die Verschlechterung der Beziehungen hat mehrere Ursachen. Das Nato-Land Türkei hat ausgerechnet ein russisches Raketenabwehrsystem gekauft – während sich zwischen den übrigen Nato-Ländern und Russland wieder eine neue Kälte eingestellt hat. Gemeinsam mit Russland mischt die Türkei auch im Bürgerkriegsland Libyen mit – trotz Waffenembargo. Als die Bundeswehr im Rahmen der EU-Mission „Irini“ ein türkisches Frachtschiff kontrollierte, reagierte die türkische Regierung empört. Mit dem Nachbarland Griechenland streitet die Türkei um Erdgasvorkommen im Mittelmeer.
Eine Entwicklung in mehreren 1000 Kilometern Entfernung könnte nun dazu beitragen, dass sich die Verhältnisse ändern: die neue US-Regierung. „Ich wünsche mir, dass die Türkei den neuen Schwung durch die Biden-Administration nutzt, um sich wieder für eine versöhnliche, kooperative Zusammenarbeit mit den Nato-Partnern einzusetzen“, sagt etwa die verteidigungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Siemtje Möller. „Insbesondere die türkischen Provokationen gegen Griechenland und Zypern haben das Verhältnis zur EU zuletzt stark belastet.“ Die Türkei müsse weitere Schritte zur Entspannung im östlichen Mittelmeer unternehmen.
In der Opposition ist die Zuversicht da wenig verbreitet. „Die Türkei blinkt zwar gerade vorsichtig Richtung USA. Aber es reicht nicht, sich auf die Hoffnung auf einen Politikwandel zu verlassen“, sagt der außenpolitische Sprecher der Grünen, Omid Nouripour dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Die Verteidigungsministerin muss Klartext reden.“ Sie müsse die innertürkischen Repressionen deutlich ansprechen und verurteilen. „Auch die militärische Zusammenarbeit des Nato-Mitglieds Türkei mit Russland, unter anderem in Libyen, kann nicht akzeptiert werden. Hier muss die Bundesregierung sich trauen, die Dinge beim Namen zu nennen.“
Der Vizevorsitzende der FDP-Fraktion, Alexander Graf Lambsdorff, sieht es so: „Der Besuch des türkischen Verteidigungsministers ist Teil der neuen türkischen Charmeoffensive in Richtung Europa“, sagte er dem RND. Es könne aber kein einfaches Weiter-so geben. Kramp-Karrenbauer müsse klar machen: „Ein Land, das in Libyen und in Syrien aggressive Außenpolitik betreibt, EU-Partner wie Griechenland und Zypern im Mittelmeer militärisch bedroht und innenpolitisch Journalisten, Oppositionelle und Minderheiten unterdrückt, kann und will nicht Mitglied der EU werden.“
Kramp-Karrenbauer blieb zunächst zurückhaltend. Man werde „Positionen zu gemeinsamen Themen austauschen“, verkündete sie.